In Madagaskar sind nur 15 Prozent der Landbevölkerung an das nationale Stromnetz angeschlossen. Nun bringt ein Mini-Grid-Unternehmen sauberen, bezahlbaren und zuverlässigen Strom aufs Land

Seit jeher kommen Menschen zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammen. So lernt man auch neue Freunde kennen ... und Geschäftspartner. Romain de Villeneuve und Antonin Calzarossa trafen sich in der Lagune von Lagos. An Villeneuves Esstisch – zwischen ihnen ein leckerer Barrakuda mit Zitrone vom Grill – diskutierten sie über Geschäftsmöglichkeiten in Nigeria.

Ein paar Jahre später wurde Villeneuve CEO des neu gegründeten Mini-Grid-Unternehmens WeLight. Das Start-up mit Sitz in Madagaskar hatte ein ehrgeiziges Ziel: sauberen, günstigen Strom für die abgelegenen Dörfer des Landes. So ein Projekt braucht Zeit, Energie und Geld. Und da erinnerte sich Villeneuve an Calzarossa, den „netten Experten“ von der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Mini-Solarnetze könnten die kostengünstigste Lösung für die Stromversorgung vieler Dörfer in Madagaskar sein. „WeLight war von Anfang an proaktiv und pragmatisch“, erinnert sich Calzarossa von der EIB Global, dem Geschäftsbereich der Bank für Projekte außerhalb der EU. „Sie setzten Projekte in abgelegenen Gebieten in Gang, wo viele andere gescheitert waren.“

2022 bekam WeLight von der EIB einen Kredit über zehn Millionen Euro für sein 28 Millionen Euro teures Projekt zum Bau von Mini-Solarnetzen in mehr als 120 Dörfern Madagaskars. Zusammen mit der EU-Bank mobilisierten die von der EU finanzierte Investitionsfazilität ElectriFI und Triodos, ein auf Energieprojekte in Afrika spezialisierter Geldgeber, 19 Millionen Euro.

Der Zugang zu bezahlbarem, sauberem Strom für alle ist ein wichtiges UN-Entwicklungsziel und trägt zur grünen Wende bei, die die EU mit ihrer Global-Gateway-Strategie unterstützt.



Alternativen zum herkömmlichen Stromnetz

Madagaskar ist eine große Insel mit vielen natürlichen Ressourcen. Trotzdem gehört sie zu den ärmsten Ländern der Welt. Nur 15 Prozent der Landbevölkerung haben Strom.  Der Netzausbau rechnet sich nicht und dürfte mittelfristig nicht stattfinden.

Die meisten Menschen auf dem Land kochen und heizen mit Kerosin, Holz oder Holzkohle. Dabei entstehen Luftschadstoffe, die vor allem für Frauen gefährlich sind. Denn sie verbringen viel Zeit im Haus.

Außerdem schaden das Holzsammeln und die Herstellung von Holzkohle den Wäldern, und die Treibhausgase beschleunigen den Klimawandel.

Manche Leute leisten sich Dieselgeneratoren, um elektrische Geräte, Werkzeuge und Bewässerungspumpen zu betreiben. Andere Solar-Home-Systeme liefern Strom für Licht und Ladegeräte.

Das System von WeLight kann mehr. Die Mininetze des Unternehmens versorgen die Menschen in Dörfern bei der Arbeit und zu Hause mit sauberem, bezahlbarem und zuverlässigem Strom aus erneuerbaren Energien. Und das funktioniert auch noch nach Einbruch der Dunkelheit, denn das System von WeLight hat auch eine Batterie, die sich bei Tag auflädt.

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© WeLight

Die Mininetze des Unternehmens versorgen die Menschen in Dörfern bei der Arbeit und zu Hause mit sauberem, bezahlbarem und zuverlässigem Strom aus erneuerbaren Energien

Sauberer, bezahlbarer und zuverlässiger Strom

Gegründet wurde WeLight 2019 von Axian, einer panafrikanischen Gruppe, die hauptsächlich in der Telekommunikation tätig ist, und Sagemcom, einem französischen auf Breitbandkommunikation spezialisierten Hightech-Unternehmen. Norfund, Norwegens staatliche Entwicklungsbank, stieg ebenfalls frühzeitig ein.

Die Solaranlage von WeLight erzeugt tagsüber genügend überschüssigen Strom, um auch die Batterien für den Nachtbetrieb aufzuladen. In den Privathaushalten sind intelligente Zähler installiert, und die Bewohner können ihren Strom vorab direkt per Bezahl-App auf dem Mobiltelefon bezahlen.

Öffentliche Gebäude wie Rathäuser, Gesundheitszentren, Schulen oder Polizeistationen schließt WeLight kostenlos an. Ebenso die öffentliche Beleuchtung. Denn das macht abgelegene Dörfer nachts sicherer, und die Bewohner können auch noch nach Einbruch der Dunkelheit draußen unterwegs sein. „So können wir auch nachts unbesorgt vor die Tür gehen“, erklärt ein 58-jähriger Bewohner von Tsarabaria, einem Dorf im Norden Madagaskars.

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© WeLight

WeLight schließt öffentliche Gebäude und Straßenbeleuchtung kostenlos an

Konkrete Wirkung der Projekte von WeLight

Die Elektrifizierung auf dem Land kommt vor allem Frauen zugute. Denn sie sind hauptsächlich für Kochen und Brennholzsammeln zuständig.

„Mit der Finanzierung der EIB konnten wir doppelt so viel erreichen“, freut sich Villeneuve, CEO von WeLight. „Und vor allem die Frauen sind dafür dankbar.“

Was WeLight mit dem Geld der EIB Global in Madagaskar bewerkstelligen will, kann sich sehen lassen:

  • 120 Dörfer an die Stromversorgung anschließen
  • 250 000 Menschen anschließen
  • 1 200 Straßenlampen installieren
  • 600 öffentliche Gebäude anschließen
  • Licht für über 3 000 Nachtgeburten
  • Strom für 6 000 kleine Unternehmen

Seit 2022 ist WeLight auch in Mali tätig und will seine Präsenz dort weiter ausbauen.

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Bei einer mechanischen Nähmaschine muss das Pedal ständig mit dem Fuß bewegt werden. Das ist ziemlich anstrengend. Oumar Bouaré, Schneider in Benena, einem Dorf in Mali, könnte die Arbeit höchstens acht Stunden pro Tag machen. Seit seine Werkstatt Strom von WeLight bekommt, hat er neue elektrische Nähmaschinen gekauft und vier Leute eingestellt. Er verdient jetzt auch mehr, weil er nun mehrere Aufträge gleichzeitig annehmen und sie schneller abarbeiten kann.

So verändert Strom das Leben

In den Dörfern, die nun Strom haben, gibt es auch einige Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit neuen Ideen Geld verdienen.

„Mein Leben hat sich verändert“, sagt Lan Yu Germaine, die in Tsarabaria einen Lebensmittelladen betreibt. Seit sie einen elektrischen Kühlschrank hat, kaufen mehr Kunden kühle Getränke bei ihr. Vor allem in der heißen Jahreszeit. Mit dem Mehrverdienst kann sie ihre vierköpfige Familie besser versorgen.

Strom spielt in abgelegenen Dörfern in Madagaskar auch eine wichtige Rolle für die Gesundheitsversorgung sowie Bildung und Umwelt.

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„Wir sind sehr glücklich, denn wir leben jetzt gesünder. Wir brauchen nun keine Petroleumlampen mehr“, freut sich Marionette Oclave, vierfache Mutter aus Antanambaobe. „Es ist ein Segen. Wir müssen nicht mehr im Dunkeln essen und können uns im Fernsehen die Nachrichten ansehen.“ Und mit Leselampe und Computer bringen ihre Kinder bessere Noten als je zuvor nach Hause.

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Albertine Rasoamaharitra, eine junge Verkäuferin aus dem Dorf Ambohitoaka, kann nun mit Mixer und Reiskocher gesunde Babynahrung zubereiten, während ihre Kinder Trickfilme schauen. „Mein Leben wird einfacher und besser“, sagt Rasoamaharitra, die jetzt Zeit spart und dadurch früher zur Arbeit gehen kann.

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Jeanne Rasoarivony, Lehrerin aus Mangidrano, freut sich. Sie kann nun auch abends zu Hause arbeiten und ihr Mobiltelefon jederzeit aufladen, nicht nur bei Sonne. „Wir haben Vertrauen in den Strom von WeLight, und er ist gut für die Umwelt“, bestätigt Rasoarivony.