Madagaskar leidet unter dem Klimawandel. Jedes Jahr werden seine Straßen durch Extremwetter beschädigt. Sie müssen neu gebaut oder saniert werden, damit auch entlegene Landesteile erreicht und die internationalen Häfen im Norden und Süden des Landes ausgebaut werden können

Der Inselstaat vor der Südwestküste Afrikas leidet zunehmend unter dem Klimawandel. Extremwetter führt dort zu häufigen Dürren und Überschwemmungen. Die Folge sind Ernteausfälle und damit Ernährungsunsicherheit und interne Migration. Für die ohnehin schon gebeutelte Bevölkerung ist dies eine schwere Belastung.

Jedes Jahr verwüsten Wirbelstürme die Insel – im Februar dieses Jahres war es Tropensturm Freddy. Sie zerstören große Teile des Straßennetzes und machen die bereits desolaten Straßen vollends unpassierbar.  Laut Weltbank leben 17 Millionen der ländlichen Bevölkerung Madagaskars mehr als zwei Kilometer von einer ganzjährig befahrbaren Straße entfernt. Bessere Verkehrswege sind also unerlässlich für die Insel, wo nur elf Prozent der Landbevölkerung Zugang zu Strom haben.

Für die Reparatur der beschädigten oder zerstörten Straßen braucht das Land, in dem 81 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, jedes Jahr besondere finanzielle Unterstützung.

„Das Hauptproblem in Madagaskar ist die Straßeninfrastruktur“, erklärt Christophe Rakotomavo, Generaldirektor der madagassischen Straßenverkehrsbehörde. „Madagaskar ist eine sehr große Insel mit weiten Entfernungen. Aber das Land ist arm und die Instandhaltung des Straßennetzes deshalb schwierig. Das Steueraufkommen reicht einfach nicht.“

Der Klimawandel verschärft diese Probleme noch.

Rakotomavo: „Die Wirbelstürme beschädigen die Straßen jedes Jahr aufs Neue. Deshalb sinken die Kosten für die Instandhaltung nicht, wie es eigentlich der Fall sein sollte, sondern steigen immer weiter.“

Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat im Dezember 2022 73,6 Millionen Euro an die Straßenverkehrsbehörde von Madagaskar ausgezahlt. 50,4 Millionen davon waren ein Kredit, 23,2 Millionen kamen als Zuschuss von der EU. Mit dem Geld werden die Nationalstraße RN6 zwischen Ambjana und Diego Suarez (madagassisch: Antsiranana) ganz im Norden der Insel und die RN13 zwischen Ambovombe und Fort-Dauphin (Taolagnaro) im Süden Madagaskars saniert.

Die Regierung will die Häfen von Antsiranana im Norden und Taolagnaro im Süden ausbauen und durch ein besseres Straßennetz verbinden. Das ist wichtig, weil Madagaskar viele lebensnotwendige Güter importiert und zugleich auf Einnahmen aus dem Export angewiesen ist, etwa von Luxusnahrungsmitteln wie Vanille und Schalentieren.

„Wir exportieren tiefgefrorene Langusten, die wir hier sammeln und verarbeiten“, erklärt Ivan Staub. Er ist COO beim Fisch- und Meeresfrüchtehändler Martin Pêcheur, der in Port Dauphin einen Verarbeitungsbetrieb unterhält. „Wir sammeln die Tiere mit etwa zehn Kleinlastern ein. Die Instandsetzung der Straße ist gut für unser Geschäft, denn je schneller der Transport, desto weniger Tiere sterben auf dem Weg.“



Häfen öffnen

Toamasina an der Ostküste Madagaskars ist der wichtigste Hafen des Landes. Hier werden rund 80 Prozent des internationalen Seeverkehrs abgewickelt. Der Hafen ist relativ gut an das Straßennetz nach Antananarivo angebunden. Dazu gehört auch eine Ringstraße um die Hauptstadt des Landes, die die chronische Verkehrsüberlastung verringern soll. Sie steht kurz vor der Fertigstellung und wurde von der EIB mit 28 Millionen Euro unterstützt.

Die Häfen im Nord- und Südosten müssen über befestigte, sichere Straßen erreichbar sein – das ist für die Wirtschaft des Landes unverzichtbar. „Straßen sind der Schlüssel zur Öffnung der Häfen in diesen Regionen“, sagt Pierre Sarrat, Ingenieur in der Abteilung strategische Straßen der EIB. „Die Güter müssen ins Land gelangen und das Land verlassen können.“

Auch für die Bevölkerung sind neue und sanierte Straßen wichtig. „Die Straßen helfen beim Kampf gegen den Hunger im Süden. Auf ihnen gelangen die benötigten Güter zu den Menschen“, erklärt Christelle Savall, Portfoliomanagerin bei der EIB. „Bei den Bauarbeiten muss darauf geachtet werden, dass die Straßen weiter befahren werden können, egal, was passiert. Im Süden sind sie allerdings an einigen Stellen so stark beschädigt, dass das undenkbar ist. Hier müssen lange Abschnitte wirklich neu gebaut werden.“

>@Pierre Serrat, EIB

Schwer beladen – Nahoda fährt mit seinem Fahrrad auf einer neuen Straße. „Hier waren vorher überall Löcher“, sagt er. „Jetzt ist die Straße eben. So fährt es sich viel angenehmer.“

348 Kilometer Straße müssen neu gebaut oder saniert werden. Die Kosten dafür: 235,5 Millionen Euro. 116 Millionen stammen aus einem EU-Zuschuss und 110 Millionen aus einem Kredit der EIB. Die Republik Madagaskar steuert weitere 4,8 Millionen Euro bei. Insgesamt 100,4 Millionen Euro wurden dem Land seit 2016 bereits ausgezahlt.

Die Global-Gateway-Strategie der EU

Die EIB-Finanzierung für das Straßennetz des Landes ist Teil der EU-Strategie zur Stärkung globaler Verkehrsverbindungen. Die EU hat die Global-Gateway-Strategie 2021 ins Leben gerufen. Ihr Ziel: intelligente, saubere und sichere Verbindungen für Digitalisierung, Energie und Verkehr fördern und Gesundheit, Bildung und Forschung weltweit stärken. Bis 2027 sollen Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in wichtige Infrastruktur weltweit mobilisiert werden. 

„Bei Global Gateway geht es im Grunde um das, was wir hier bei der EIB außerhalb der EU tun“, sagt Sven Röben, der bei der EIB Global (mit der sich die EIB außerhalb der EU engagiert) für das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit zuständig ist.

Sichere Straßen planen

Die EIB hat die Straßenbauprojekte RN6 und RN13 mit technischer Hilfe im Wert von 4,7 Millionen Euro unterstützt – unter anderem für Verkehrssicherheitsaudits für Straßenbenutzer und Fußgänger.

„Sicherheit ist bei der Planung von Straßenverbesserungen das A und O“, sagt Savall von der EIB. „Wenn Verkehrsströme verändert werden, muss dies so geschehen, dass die Zahl der Verkehrsopfer nicht steigt. Bei der Beschilderung etwa ist Beton manchmal die einzige Möglichkeit. Betonschilder sind allerdings sehr gefährlich, denn bei einem Zusammenstoß ist die Gefahr eines tödlichen Ausgangs größer. Mit Sicherheitsaudits muss daher geprüft werden, dass alles richtig gemacht wurde.“

EIB-Ingenieur Sarrat ergänzt: „Die RN6 führt durch einige Dörfer und Siedlungen und auch an vielen Schulen vorbei. Wegen ihres schlechten Zustands fließt der Verkehr derzeit nur langsam, aber durch das Projekt dürften die Geschwindigkeiten deutlich steigen – und damit auch die Unfallgefahr. Wir achten deshalb auf Sicherheitsmaßnahmen entlang der Straße, um dieses Risiko so klein wie möglich zu halten, und bringen die Leute in städtischen Gebieten dazu, langsamer zu fahren.“

Robuste Straßen, qualifizierte Fachkräfte

Das Straßenbauprojekt RN13 bietet den Menschen vor Ort neben Jobchancen die Möglichkeit, sich berufliche Fähigkeiten anzueignen.

„Die RN13 führt durch eine abgelegene, sehr arme Region“, sagt Benoit Turmine, der beim Infrastrukturunternehmen Colas das Straßenbauprojekt in Fort Dauphin leitet. „Leider ist in dem Gebiet nur wenig landwirtschaftliches Kapital vorhanden. Wir arbeiten dort an der Qualifizierung von Arbeitskräften, indem wir die Menschen zu Maurern, Zimmerleuten, Betonarbeitern und Eisenlegern ausbilden – in der Hoffnung, dass sie später wieder andere Menschen ausbilden.“

Der Bau und die Sanierung von Straßen erfolgt nach internationalen Standards. Oft ersetzen diese Straßen unbefestigte Pisten, die bei Wirbelstürmen weggespült werden. Auf einigen Straßenabschnitten gibt es auch Brücken. Sie wurden verstärkt, um Klimaereignissen besser standzuhalten.

Sarrat: „Die Planung aller Brücken und Wasserbauwerke wurde an den Klimawandel angepasst, und bei der RN6 wurde der Straßenaufbau nach modernen Standards verstärkt.“

>@Pierre Serrat, EIB

© Pierre Sarrat, EIB

Der Straßenbau in Madagaskar dient auch der Ausbildung. So erlernen die Studierenden des letzten Studienjahres einer madagassisch-kanadischen Management School an konkreten Projekten das Projektmanagement. „Durch die Arbeit mit den Projektmanagern lernen sie internationale Projekte kennen, damit sie dieses Wissen später einmal selbst anwenden können“, sagt Rakotomavo von der Straßenbaubehörde. „Letztes Jahr haben vier Studierende mitgearbeitet: drei an der RN6 und einer an der RN13. So lernen sie, wie internationale Standards aussehen.“