Fazla Gida hilft Lebensmitteltafeln und gemeinnützigen Organisationen

Olcay Silahlıs Idee, den Abfall in der Türkei zu reduzieren und Hunger zu bekämpfen, erwies sich als weise Voraussicht.

Denn die Coronakrise störte die Lieferketten massiv – Lebensmittel und andere Waren für Restaurants, Ferienresorts und Läden stapelten sich in den Lagern. Fazla Gida kam da genau richtig.

„Die Lieferketten sind zusammengebrochen“, meint Silahlı, Mitgründer und CEO von Fazla Gida. „Die Unternehmen planen die Nachfrage mit alten Daten. Die Trends ändern sich aktuell aber, und in den nächsten zwei oder drei Jahren fehlt es ihnen an einer guten Basis, um die Nachfrage zu berechnen.“

Fazla Gida – oder Whole Surplus – ist so etwas wie ein „betreuter Marktplatz“, auf dem Unternehmen übriggebliebene Waren verkaufen, an gemeinnützige Organisationen und Tafeln spenden oder, wenn alle Stricke reißen, als Tierfutter oder Recyclingmaterial anbieten können. Die Unternehmen erhalten somit noch etwas Geld, und Gesellschaft, Umwelt und Geldbeutel profitieren.

Whole Surplus ist auf Lebensmittel spezialisiert, vermittelt aber auch andere Waren. Dabei tritt die Firma entweder als Käufer auf, der die Lebensmittel und Waren wiederverkauft, oder als Vermittler, der eine Gebühr verlangt, die sich nach dem Nutzen für das betreffende Unternehmen richtet.

Mehr Spenden

Whole Surplus wächst rasant – auch vor Corona schon. Im November 2019 zählte das Team noch 17 Beschäftigte. Seitdem kamen 16 neue dazu. Durch die Coronaturbulenzen verlagerte Whole Surplus seinen Fokus vom Weiterverkauf auf Spenden an Bedürftige, etwa über Tafeln, oder als Futtermittel und Recyclingmaterial.

„Die Zunahme an Spenden ist sehr ermutigend“, meint Silahlı. So lieferte Whole Surplus etwa mit Procter & Gamble und PepsiCo über 40 000 Lebensmittelpakete an Bedürftige in der Türkei aus. Während der Krise haben auch andere Akteure verstanden, wie wichtig Unternehmensverantwortung und Abfallvermeidung sind. Deswegen kommen immer mehr Spenden herein.

Whole Surplus gehört zu den Gewinnern des Wettbewerbs für Soziale Innovation, mit dem das EIB-Institut alljährlich Unternehmerinnen und Unternehmer für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement auszeichnet.

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© mixetto/ Getty Images

Seit der Pandemie stehen Spenden an Lebensmitteltafeln bei Whole Surplus im Vordergrund

Wachsende Bekanntheit

Die Idee für Whole Surplus kam Silahlı wegen seinen eigenen Erfahrungen. Als Kind sah er auf einem Bauernhof, wie ein Lkw übriggebliebenes Eis brachte. Er freute sich, selbst welches zu ergattern, aber auch, mit anderen zu teilen. Im Studium rettete er oft weggeworfene Lebensmittel, die noch essbar waren, und kochte damit für ihn selbst und seine WG. Er kam auf die Idee, hungernden Menschen zu helfen und dabei Müll zu vermeiden und die Umwelt zu schützen. Das Konzept erfreut sich vielerorts an Beliebtheit.

Whole Surplus denkt an Expansion. Silahlı ist zuversichtlich, dass das Unternehmen mithilfe europäischer Mittel schon Ende 2020 in Deutschland aktiv werden kann. Auch Italien und Russland hat es im Visier.

Lebensmitteltafeln sind in der Türkei relativ neu, erklärt Silahlı. Offiziell gibt es sie dort erst seit 2014. Als Fazla Gida 2017 gegründet wurde, gab es nur drei oder vier Tafeln – in einem Land mit mehr als 80 Millionen Menschen. Mittlerweile sind es mehr als 80. Die meisten wurden von Fazla Gida oder in Zusammenarbeit mit türkischen Kommunen, dem Roten Kreuz und anderen Wohltätigkeitsorganisationen eingerichtet. Fazla Gida versorgt 330 000 Menschen pro Monat mit Lebensmittelspenden. Wenn es nach Silahlı geht, sollen es bis Ende des Jahres 600 000 sein. Auch Flüchtlingslager im Süden der Türkei werden beliefert. Dort leben viele Menschen aus Syrien.

Silahlı erklärt sich das unglaubliche Wachstum durch zwei Faktoren:

„Erstens haben wir bei null angefangen, deshalb ging es steil nach oben. Zweitens sind die Türkinnen und Türken sehr solidarisch, das ist in unserer Kultur verankert. Die Menschen wollen großzügig sein.“