Das neue Bioproduktwerk in Kemi stellt Zellstoff maximal ressourcenschonend her. Dabei werden fossile Brennstoffe durch Bioprodukte ersetzt. Dies ist ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und stärkt auch den wirtschaftlichen Zusammenhalt in Finnland

Finnlands Wälder bedecken mehr als drei Viertel des Landes. Der Großteil (61 Prozent) befindet sich in Privatbesitz. 20,3 Millionen Hektar stehen somit für die Holz-, Zellstoff- und Papierindustrie zur Verfügung.

Die wachsende Sorge angesichts des Klimawandels und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit hat die Papiernachfrage allerdings sinken lassen. Das schadet der finnischen Wirtschaft, besonders dem Norden Finnlands, in dem etwa ein Viertel der Waldfläche liegt. Er ist eine EU-Kohäsionsregion mit einem viel geringeren Einkommen als im Rest des Landes.

Da kommt das innovative, nachhaltige Bioproduktwerk des zur Metsä Group gehörenden finnischen Unternehmens Metsä Fibre gerade recht. Es dürfte der finnischen Wirtschaft einen kräftigen Schub geben. Neben dem Hauptprodukt Zellstoff sowie weiteren Bioprodukten wie Tallöl und Terpentin wird das Werk große Mengen an erneuerbaren Energien erzeugen.

„Unser Ziel ist es, Rohstoffe effizient zu nutzen – bei gleichzeitiger Energie- und Umwelteffizienz“, sagt Jari-Pekka Johansson, Projektleiter des neuen Werks in Kemi. Das Holz wird im Werk komplett verwertet, nichts wird verschwendet, außerdem entstehen zahlreiche weitere Bioprodukte, die fossile Werk- und Brennstoffe ersetzen.

Energie aus Holznebenprodukten

Das Werk erzeugt in einem innovativen Verfahren aus ungenutzter Baumrinde Biogas, das fossile Brennstoffe ersetzen kann.

Metsä Fibre investiert außerdem in eine Schwefelsäureanlage, die die als Nebenprodukt beim Zellstoffprozess anfallenden Schwefelverbindungen nutzt. Aus übelriechenden Gasen wird so Schwefelsäure, eine Grundchemikalie für die Zellstoffherstellung. Die Selbstversorgung mit Schwefelsäure bringt das neue Werk einen Schritt näher in Richtung eines geschlossenen Chemikalienkreislaufs und verbessert die Umweltleistung des Bioproduktwerks zusätzlich.

„Etwa die Hälfte der Baumrinde wird in unserem Werk vergast und der Rest als Biokraftstoff verwendet“, erklärt Johansson.

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© Metsä Group

Jari-Pekka Johansson, project director of the new Kemi bioproduct mill

„Die Nebenströme der Zellstoffproduktion werden in wertvolle Biochemikalien und Bioenergie umgewandelt“, so Johansson weiter. „Toll ist dabei, dass wir mit unserer effizienten Technologie viel mehr Biostrom erzeugen als wir selbst verbrauchen. Was von den jährlich erzeugten zwei Terawattstunden übrig bleibt, wird in das finnische Stromnetz eingespeist.“ Das entspricht etwa 2,5 Prozent der jährlichen Stromerzeugung Finnlands. 

Das Werk wird im dritten Quartal 2023 den Betrieb aufnehmen und Finnland dabei helfen, sein Ziel zu erreichen, nämlich bis 2035 CO2-neutral zu werden und ohne fossile Brennstoffe auszukommen.

Kein gewöhnliches Holz

Das Holz für das Zellstoffwerk ist rückverfolgbar und stammt aus nachhaltig bewirtschafteten und zertifizierten Wäldern (Programme for the Endorsement of Forest Certification und/oder Forest Stewardship Council), die von Einheimischen oder Kommunen bewirtschaftet werden. Eine solche nachhaltige Bewirtschaftung ist in Finnlands Wäldern gegeben, denn sie sind Teil des kulturellen Erbes des Landes und eine seiner wichtigsten Einkommensquellen. Die Metsä Group gehört fast 100 000 finnischen Waldbesitzenden.

„In Kemi ist der Zusammenhalt sehr groß“, sagt Mihail Juc, ein leitender Ingenieur bei der Europäischen Investitionsbank. „Es dauert lange, Beziehungen aufzubauen. Aber wenn man erst einmal dazugehört, bieten sich ganz neue Möglichkeiten. Ich hatte mit allen Projektbeteiligten zu tun, mit den Menschen, die im Zellstoffwerk arbeiten, und denen, die im Wald die Bäume fällen. Dadurch konnte ich das Projekt und die Vorteile, die es für die Region hat, aus einem ganz besonderen Blickwinkel erleben.“

Die EIB unterstützt das Werk in Kemi mit einem Kredit von 200 Millionen Euro, der im Februar 2021 unterzeichnet wurde. Das Geld ist ein wichtiger Teil der Finanzierung des 1,85-Milliarden-Euro-Projekts.

Das meiste Holz für das neue Werk kommt aus Finnland: aus Lappland, Nordösterbotten und Kainuu.

„Es geht hier bei allem, was wir machen und was wir erreichen wollen, um die Menschen in Kemi“, so Johansson. „Und es funktioniert dank unserer Transparenz.“

Zellstoff als Wirtschaftsfaktor

Ein Projekt dieser Größenordnung hat Auswirkungen, die über die Holzindustrie hinausgehen. Während der Bauphase und des Betriebs wird das Werk zahlreiche Arbeitsplätze schaffen und der Wirtschaft in Kemi und in Finnland neue Impulse geben.

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„Das neue Werk bringt vor allem Arbeitsplätze, gerade während der Bauzeit. Fast 15 000 Stellen sind es da“, sagt Mervi Nikander, Leiterin des Referats Wirtschaftswachstum und ‑entwicklung der Stadt Kemi. „Wir arbeiten eng mit Bildungseinrichtungen und Arbeitsämtern in der Region zusammen, damit wir genügend Arbeitskräfte haben.“

Das Werk macht die Stadt auch attraktiver für Unternehmen und Investoren. Für sie wird Kemi dadurch zu einem starken Industriestandort, in den es sich zu investieren lohnt.

„Das Bioproduktwerk wird weiter Unternehmen in vor- und nachgelagerten Bereichen anziehen“, so Adrian Enache, ein leitender Ingenieur bei der EIB. „Wie in jeder europäischen Stadt oder Region sehen viele Leute den Bau eines Finanzzentrums oder Industriestandorts auch als Geschäftschance. Sie ziehen um, eröffnen Geschäfte und bieten Dienstleistungen an. Und damit stärken sie den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt.“

Eine wichtige Finanzierung

Das Projekt in Kemi ist die bisher größte Investition der finnischen Forstwirtschaft im Land. Es leistet einen Beitrag zum Pariser Abkommen und zum europäischen Grünen Deal.

„Dies ist eine wichtige Finanzierung der Klimabank der EU“, sagt Lasse Tourunen, Kreditreferent bei der EIB. „Wir haben gleich erkannt, wie ambitioniert das Projekt ist und welches Potenzial es für Klimaschutz und Kohäsion bietet. Es passt perfekt zu den Klimazielen der Bank. Finnland verfolgt bei der Waldbewirtschaftung und beim Klimaschutz einen ganz besonderen, nachhaltigen Ansatz. Wir bei der Bank der EU sind sehr stolz, dazu einen Beitrag zu leisten.“

Einen Beitrag, der für Metsä Fibre sehr wichtig ist.

„Wir brauchen starke Partner, die dieses bedeutende Projekt mit uns umsetzen“, so Johansson. „Die Finanzierung ist die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg eines Projekts. Wir freuen uns daher über die gute Zusammenarbeit mit der Klimabank der EU.“