„Bei neuen Technologien entscheidet die Bekanntheit über den Erfolg.“
Belgrad ist eine pulsierende Metropole. Doch die Luftverschmutzung wird immer mehr zum Problem. Denn überall sorgen Kohle- und Ölheizungen zwar für warme Wohnungen und Büros, aber ihre Schadstoffe machen Serbiens Hauptstadt zu einer der schmutzigsten Großstädte weltweit.
Deshalb haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Mihajlo-Pupin-Institut nun einen Luftreiniger entwickelt, der mit Strom aus zwei sauberen Quellen betrieben wird – mit kinetischer und Windenergie. In der Tiefgarage wandelt eine spezielle Platte die Bewegungsenergie der darüberfahrenden Autos in Strom um. Und auf dem Dach erzeugen Windräder Strom. Der Luftreiniger entfernt n über moderne Wasserfilter Schadstoffe aus der Luft. Nun sollen die Geräte in der Stadt an mehreren Orten aufgestellt werden.
Weniger Schadstoffe in der Stadt
„Als Wissenschaftler sucht man nach praktischen Lösungen, die das Leben für alle besser machen“, erklärt Aleksandar Rodić, der am Mihajlo-Pupin-Institut das Zentrum für Robotik leitet und den neuen Luftreiniger mitentwickelt hat. „Deshalb haben wir ad hoc ein Gerät gebaut, das in der Stadt für bessere Luft sorgt.“
Belgrads Luftproblem verschärft sich durch ein nahegelegenes Kohlekraftwerk, das fast die Hälfte der landesweiten Stromversorgung sichert. Hinzu kommen zahlreiche Industrieanlagen und dichter Straßenverkehr. Luftverschmutzung gehört in Serbien zu den Hauptursachen für Sterbefälle, Krankheiten und Atemwegsprobleme. Schätzungen zufolge erkranken landesweit jedes Jahr rund 7 000 Menschen an Lungenkrebs – nicht nur weil sie geraucht haben, auch wegen der schlechten Luft.
Um das Luftproblem in den Griff zu bekommen, muss die Stadt in grünen Strom und saubere Verkehrsmittel investieren. Das ist teuer und dauert. Der neue Luftreiniger wirkt hingegen sofort und ist vor allem kostengünstig, betont Rodić. „Zudem sind solche Lösungen skalierbar und lassen sich auch in anderen Städten einsetzen.“
Für den Luftreiniger bekam sein Team Geld von der Initiative EU für die grüne Agenda in Serbien. Die EU beteiligte sich mit technischer und finanzieller Hilfe, und auch Schweden, die Schweiz und Serbien steuerten Mittel bei. Umgesetzt wird die Initiative vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und vom serbischen Umweltministerium zusammen mit Schweden und der Europäischen Investitionsbank, die Banken und Unternehmen bei vielen grünen Innovationen wie dem Luftreiniger technisch unterstützt.
Mit 44 000 Euro aus der Initiative baute das Team eine Pilotanlage für das Ušće Shopping Center in Belgrad. Die Anlage hat zwei Luftreiniger, die mit Grünstrom aus Wind- und Bewegungsenergie betrieben werden.
©David Mićić/UNDP Srbija
50 Prozent weniger Schadstoffe
Der Luftreiniger saugt die verschmutzte Luft in eine Kammer, wo ein Wasserfilter mit rotierenden Scheiben die Feststoffpartikel abscheidet und in einem Behälter sammelt. Dadurch sinkt die Schadstoffkonzentration im Umkreis von 10 bis 15 Metern um die Hälfte, erklärt Rodić.
„Sensoren schalten die Anlage drahtlos nach Bedarf ein und aus, abhängig von der Anzahl der Leute vor Ort.“
Die Luftreiniger eignen sich für ÖPNV-Haltestellen, Schulen, Krankenhäuser, Einkaufszentren und Tiefgaragen. In Belgrad könnten sie die Luft an zahlreichen verkehrsintensiven Stellen verbessern. Da das Institut über keine eigenen Produktionseinrichtungen verfügt, sucht das Team nun in Serbien und anderen EU-Ländern nach Interessenten, die die Geräte in Serie fertigen können.
„Bei neuen Technologien entscheidet die Bekanntheit über den Erfolg“, meint Rodić. „Deshalb suchen wir jetzt nach Partnern, die unser innovatives Gerät im In- und Ausland in ihre Produktpalette aufnehmen wollen.“
Grüne Ideen werden konkret
Wenn Rodić über Initiativen wie „EU für die grüne Agenda in Serbien“ redet, hebt er die Solidarität als treibende Kraft in Europa hervor:
„Kein EU-Land macht Alleingänge. Denn wir gehören zusammen. Wir müssen uns alle an strenge Umweltstandards halten und uns gegenseitig unterstützen, damit sich die Lebensbedingungen überall in Europa verbessern.“
Im Rahmen der Initiative berät die Europäische Investitionsbank Finanzinstitute und Unternehmen dabei, Projekte wie den Luftfilter auf die Beine zu stellen.
„Mit technischer Hilfe machen wir aus Ideen wirkungsstarke Projekte“, erklärt Isabelle Van Grunderbeeck, die bei der EIB ein Beratungsteam leitet. „Gemeinsam arbeiten wir Projektvorschläge aus, die den Anforderungen der Banken entsprechen und für Geldgeber attraktiv sind. So bringen wir grüne Ideen in die Praxis.“