Wie verändert das Virus die Planung für Krankenhäuser, Polizei, Verkehr und andere Dienste? Sollten Stadtplaner jetzt auf die Bremse treten oder mehr Hilfe suchen? Wir haben unseren Experten für öffentliche Finanzen gefragt.

Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Aber bleibt das nun so? In unserer Reihe Ändert sich jetzt alles? sprechen wir mit Expertinnen und Experten der Europäischen Investitionsbank über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Bildung, Digitalisierung, Mobilität in Städten und Medizin – und auf unser tägliches Leben.

Was das Coronavirus für den öffentlichen Sektor bedeutet, erklärt uns Frank Lee, Leiter der Europäischen Plattform für Investitionsberatung bei der Europäischen Investitionsbank. Die Plattform bietet Beratung aus einer Hand für alle, die Projekte planen und umsetzen und Finanzierungen dafür suchen.


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Verändert das Coronavirus die Finanzierungstätigkeit im öffentlichen Sektor?

Das hängt davon ab, wie lange die jetzige Situation andauert. Hoffen wir, dass sie bald vorbei ist und wir zur Normalität zurückkehren können! Im öffentlichen Sektor stehen viele Aufgaben an, kurzfristige und langfristige. In der Krise konzentriert sich alles auf kurzfristige Maßnahmen: Stärkung der Polizei, Leistungen für Arbeitslose oder Hilfen, damit die Leute im Alltag über die Runden kommen. Wahrscheinlich wird der öffentliche Sektor nun einen Teil seiner längerfristigen Prioritäten zurückstellen. Ich denke da an Investitionen in Infrastruktur – Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen, Stromleitungen etc. Je länger die Krise dauert, desto mehr fallen solche Investitionen hinten runter, und das rächt sich später.

Worum geht es bei der Finanzierungstätigkeit im öffentlichen Sektor? Was gehört alles dazu?

Wir arbeiten mit verschiedenen Ebenen des öffentlichen Sektors zusammen und beraten sie. Das reicht von Staaten über regionale Verwaltungen bis hinunter zu kommunalen Behörden und Städten. Sie alle haben unterschiedliche Aufgaben und Prioritäten. Die Städte konzentrieren sich grundsätzlich mehr auf unmittelbare, kurzfristige Hilfen für die Bürgerinnen und Bürger. Staaten und nationale Stellen haben eher mittel- und langfristige Projekte im Blick. Wir können auf allen Ebenen beraten und dem öffentlichen Sektor helfen.

Wie stellt sich Ihr Team auf die neue Arbeitssituation ein?

Es hat sich einiges verändert, weil wir jetzt ja alle von zu Hause aus arbeiten. Das Gute daran ist, dass wir neue Arbeitsweisen ausprobieren. Wir nutzen verstärkt Online-Tools, unsere Website und verschiedene Wege der Online-Kommunikation, um unsere Kunden zu erreichen. Es ist wichtig, dass wir weiter mit ihnen in Kontakt bleiben. Sie sollen wissen, dass wir für sie da sind und helfen – dass wir so gut es geht weitermachen wie bisher. Wir machen uns Gedanken, was wir anders lösen können und gehen neue Wege in der Beratung. Letztendlich bringt das hoffentlich viele Vorteile für die Bank und unsere Kunden. Vielleicht werden wir künftig weniger reisen, uns seltener persönlich treffen und effizienter online kommunizieren.

Welche Rolle spielen Beratungsleistungen in dem dicken Hilfspaket, das die Bank im Zusammenhang mit dem Coronavirus schnürt?

Das Paket soll mehr Liquidität in den Markt bringen. Es ist hauptsächlich für kleine und mittlere Unternehmen gedacht und für die medizinische Forschung und Impfstoffentwicklung. Im öffentlichen Sektor geben wir Anregungen, wie Finanzierungsmittel jetzt in der Krise genutzt werden können. Ein gutes Beispiel sind die europäischen Struktur- und Investitionsfonds. In diesem Bereich sind wir sehr aktiv und helfen öffentlichen Stellen, die dort verfügbaren Gelder in Anspruch zu nehmen. Wir beraten auch bei der Strukturierung weiterer Instrumente wie Darlehen, Garantien oder Kapitalbeteiligungen. Damit wollen wir in diesen schwierigen Zeiten Investitionen anregen. Die Europäische Kommission hat unlängst ein Hilfspaket angekündigt, das die Inanspruchnahme nicht ausgeschöpfter Strukturfondsmittel in der Krise erleichtern soll. Sie lockert also die Förderkriterien, und wir beraten unsere Kunden, was das für sie bedeutet.

Das tun wir vor allem über fi-compass, eine von der Kommission eingerichtete Beratungsplattform. Darüber unterstützen wir öffentliche Stellen und machen ihnen Vorschläge, wie sie Finanzierungsinstrumente einsetzen können. Wir hoffen, dass diese Plattform jetzt genutzt wird, damit die Behörden von den Änderungen erfahren und die Vorteile für sich erkennen.

Mittelfristig müssen wir bei der Entwicklung neuer Produkte helfen, die dem längerfristigen Bedarf an günstigen Finanzierungen mit weniger strengen Besicherungsanforderungen oder niedrigeren Zinsen entsprechen. Es ist ja absehbar, dass der Markt heftig auf die Folgen des Coronavirus reagieren wird.

Auf der Projektseite tun wir bereits eine Menge. Im Gesundheitssektor etwa haben wir einige Krankenhäuser bei Projekten beraten, und es stehen auch neue Projekte an. Es gibt also eine ganze Reihe von Dingen, die wir im Rahmen dieses Hilfspakets tun wollen. Unsere Beratung ist eher langfristig angelegt. Deshalb können wir nur beschränkt sehr kurzfristig helfen, aber wir tragen trotzdem unseren Teil dazu bei.

Was raten Sie denen, die im öffentlichen Sektor Verantwortung tragen? Viele neigen sicher dazu, jetzt bei neuen, langfristigen Projekten auf die Bremse zu treten. Was meinen Sie dazu?

Gute Frage! Für den öffentlichen Sektor ist es jetzt natürlich schwierig, mittel- bis langfristig zu denken. Das ist verständlich. Der Druck, auf die neuen kurzfristigen Herausforderungen zu reagieren, ist gewaltig. Ich würde ihnen aber ans Herz legen, die längerfristige Perspektive zumindest nicht ganz aufzugeben und die Gesamtlage im Blick zu behalten. Es wäre gut, die Projekte fortzuführen, bei denen wir sie begleiten – vor allem die großen Infrastrukturvorhaben. Wenn sie die stoppen, wird das gravierende längerfristige Folgen haben. Das sind Projekte, die lange dauern, bis sie umgesetzt sind. Jeder Unterbrechung kann erhebliche Verzögerungen mit sich bringen. Wir tun also, was wir können, um unseren Kunden möglichst aktiv zu helfen, diese mittel- bis langfristigen Ziele im Blick zu behalten. Wer weitere Fragen zu Projekten oder Beratungsangeboten hat, kann sich jederzeit über die Website eiah.eib.org an die Beratungsplattform wenden.