Unternehmen baut Solarmodule für den Balkon und bringt damit mehr erneuerbare Energie in die Städte

Als Karolina Attspodina im Dezember 2020 die Weihnachtsbeleuchtung in Lissabon sieht, ist sie beeindruckt. Als sie dann hört, dass die Lichter solarbetrieben sind, kommt ihr die Erleuchtung: „Warum machen das andere Länder nicht auch so? Von da an habe ich darüber nachgedacht: Wie bringe ich mehr Solarenergie zu den Leuten nach Hause?“

Jetzt hat sie einen Weg dafür gefunden: über den Balkon. In den Städten gibt es genug davon, gerne auch mit Bambusmatten oder Stoff als Sichtschutz. „Das sind so viele Quadratmeter, die man mit Solarmodulen bestücken kann“, sagt Attspodina.

Zusammen mit ihrem Partner Qian Qin, der für die Technik zuständig ist, entwickelte sie WeDoSolar, ein Set aus vier oder acht leichten Solarpaneelen mit insgesamt 320–640 Watt Leistung. Die Paneele sind leicht zu installieren und werden vertikal am Balkon angebracht. Ein Mikrowechselrichter wandelt den Solarstrom in haushaltsüblichen Strom um. Angeschlossen wird das Set an eine einfache Haushaltssteckdose.

Das iPhone der Balkonkraftwerke

Bei Sonnenschein erhält die von WeDoSolar erzeugte Energie Vorfahrt und wird direkt für den Betrieb von Haushaltsgeräten wie Laptop, Router oder Kühlschrank verwendet. Ein Set deckt laut Attspodina bis zu 25 Prozent des Energiebedarfs eines Haushalts. Per App hat man Erzeugung und Einsparungen immer im Blick.

Zu Fragen führt oft die vertikale Anbringung der Paneele. Attspodina räumt ein, dass diese Ausrichtung in den Sommermonaten weniger effizient sein kann. Im Winter werden die Paneele dagegen von der tiefer stehenden Sonne besser ausgeleuchtet. Damit gleicht sich die Erzeugungsleistung über das Jahr hinweg aus. 

Auf Trustpilot erhält WeDoSolar von den meisten Nutzern fünf Sterne. Einer schrieb: „Ich habe mein Balkonkraftwerk von WeDoSolar jetzt schon ein Jahr. Die Installation hat etwa eine Stunde gedauert, und seitdem erzeugt das Ding Kilowattstunde über Kilowattstunde an Energie. Das ist echt das iPhone unter den Kraftwerken.“

WeDoSolar stand 2023 im Finale des Wettbewerbs für Soziale Innovation der Europäischen Investitionsbank. Damit zeichnet die Bank Unternehmen für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus. Attspodina wird bei der Erinnerung an den Wettbewerb und an die Freundschaften, die dabei entstanden sind, ein wenig sentimental. „Wir haben zwar nicht den ersten Platz belegt, aber ich glaube, wir alle haben gewonnen.“

Energiemäßig unabhängig 

Das WeDoSolar-Set kam im Februar 2022 auf den Markt. Verkauft wurde über die eigene Website direkt an die Endkunden. Dann marschierte Russland in die Ukraine ein. „Nach einer Woche war alles ausverkauft“, erinnert sich Attspodina. „Allen war klar, wie ernst die Lage ist und wie wichtig es für uns ist, energiemäßig unabhängig zu sein.“

Für Attspodina ist der Krieg besonders schwierig, denn sie stammt aus der Ukraine. 1988 dort geboren, zog sie im Alter von neun Jahren mit ihrer Mutter nach Irland. Sie hatte schon immer ein Faible für Technik, entschied sich aber für ein Wirtschaftsstudium. Als ein Freund ihr einen Job in einer Digitalagentur anbot, ging sie nach Berlin.

Der Ukraine-Krieg platzte mitten in eine Finanzierungsrunde von WeDoSolar. „Wir brauchten etwas länger, um das Geld einzusammeln“, erzählt Attspodina. „Ich habe im Unternehmen gearbeitet, war aber auch viel in der Ukraine, um meine Verwandten, meine Schwestern und ihre Kinder hierherzuholen.“

Weniger Bürokratie wagen

Bei WeDoSolar dauerte es nur gut ein Jahr von der Idee bis zum fertigen Unternehmen. Dennoch waren viele Hindernisse zu überwinden, vor allem wegen gesetzlicher Vorschriften. Mit einer eigenen Lobby-Abteilung arbeitet WeDoSolar dagegen an. In den meisten europäischen Ländern war es etwa bis vor Kurzem verboten, Energie ohne eine spezielle Steckdose in das Netz einzuspeisen.

Deutschland war 2023 eines der ersten Länder, das die Regelungen für Stecker-Solaranlagen lockerte; andere europäische Länder zogen nach. Deutschland hat außerdem die Mehrwertsteuer für Solaranlagen auf null gesenkt und subventioniert nun Privathaushalte, die Fotovoltaikanlagen installieren. Durch den Bürokratieabbau ist die Zahl der Balkonkraftwerke in Deutschland deutlich gestiegen.

WeDoSolar macht sich darüber hinaus für die Rechte von Mieterinnen und Mietern stark, da Mietverträge den Einbau einer PV-Anlage oft verbieten. Diese Gruppe wurde bei den Subventionen in Deutschland zunächst nicht bedacht. Für Attspodina, die selbst Mieterin ist, ein Skandal. „Über 50 Prozent der Leute im Land wohnen zur Miete“, betont sie. Inzwischen wurde das Gesetz geändert.

WeDoSolar verkauft seine Anlagen in 24 Ländern in Europa und stellt derzeit auf ein B2B-Modell mit Einzelhandelsketten, Wiederverkäufern und E-Commerce-Plattformen um. Das Unternehmen ist bereits profitabel, obwohl Attspodina ihr Ziel vor allem darin sieht, den Klimawandel aufzuhalten.

„Für uns ist die wichtigste Kennzahl die CO2-Reduktion, denn wir erleben gerade eine enorme Krise. Wir suchen deshalb immer nach Wegen, unser Produkt günstig oder komplett kostenlos abzugeben.“

Wenn Attspodina manchmal durch Berlin läuft, geht sie extra an Gebäuden vorbei, an denen WeDoSolar-Anlagen installiert sind. „Das ist cool“, findet sie. „Physische Produkte machen einem viel Freude, gerade wenn man sieht, wie sie genutzt werden.“ Und anders als Weihnachtsbeleuchtung sieht man sie das ganze Jahr über.