Eine estnische Firma baut den größten Windpark im Baltikum – für mehr grünen Strom, Energieunabhängigkeit und eine starke lokale Wirtschaft

Lauri Ulm leitet den Bereich Windentwicklung bei Enefit Green, einem führenden Energieproduzenten im Baltikum. Seit über einem Jahrzehnt steckt Ulm viel Energie in den Bau des bislang größten Onshore-Windparks in Estland: Sopi-Tootsi, den er liebevoll sein „Baby“ nennt. Für den Esten geht es bei dem Projekt um mehr als die Stromerzeugung. Sein Ziel ist eine nachhaltige Zukunft für sein Land.

>@Enefit Green
© Enefit Green

Lauri Ulm

„Als ich mit der Arbeit an Windparks begann, galten die als überkommene Relikte eines alten Subventionsprogramms. Windkraft war nicht mehr angesagt“, erzählt er. „Das ändert sich jetzt, und Sopi-Tootsi ist das beste Beispiel dafür.“

Das Projekt ging 2012 an den Start, als in Põhja-Pärnumaa im Südosten Estlands eine Torfmine stillgelegt wurde. Die Kommune und Enefit Green sahen darin eine Chance zum Wandel. Sie wollten das Gelände umnutzen und dort grüne Energie erzeugen. Mit seinen 38 Windkraftanlagen ist Sopi-Tootsi der leistungsstärkste Windpark im Baltikum.

„Der Windpark wird grüne Energie für fast ein Zehntel der estnischen Stromkunden liefern“, sagt Ulm.

Die Europäische Investitionsbank unterstützt Enefit Green mit einem Darlehen über 180 Millionen Euro, unterzeichnet im September 2023. Wenn der Windpark fertig ist, soll er jährlich über 197 000 Haushalte mit Strom versorgen.



Estland wird grün

Estland erlebt einen deutlichen Wandel hin zu erneuerbaren Energien. Früher war das Land stark vom CO2-intensiven Ölschiefer abhängig. Heute werden grünere Alternativen bevorzugt, und die Nachfrage nach einer Infrastruktur für erneuerbare Energien nimmt zu. Besonders im Fokus stehen dabei Windparks: Sie senken die Treibhausgasemissionen und stärken Estlands Energieunabhängigkeit.

Die Entwicklung von Sopi-Tootsi ist ein Paradebeispiel dafür. „Unser Windpark allein wird über 770 Gigawattstunden erzeugen und damit Estlands momentanen Windkraft-Output verdoppeln“, sagt Ulm. „Er wird fast 700 000 Tonnen CO2-Emissionen vermeiden.“



Ein Kredit für den größten Windpark Estlands

Windparks zu bauen ist eine komplexe und teure Angelegenheit. Von der Suche nach geeigneten Flächen bis zur Anbindung der Turbinen an das Stromnetz – überall lauern Hürden. „Für diese Erneuerbaren-Projekte muss man gleich am Anfang viel Geld auf den Tisch legen, um die Fertigstellung zu sichern“, sagt Ulm. „Es ist wirklich wichtig, eine möglichst günstige Finanzierung zu finden und sie zügig in trockene Tücher zu bringen.“

Der Kredit der Europäischen Investitionsbank hilft Enefit Green, den Bau des hochmodernen Parks fortzusetzen. Er gehört zum Paket der Bank für REPowerEU. Mit diesem Plan will die Europäische Kommission als Reaktion auf Russlands Einmarsch in die Ukraine die EU weniger abhängig von Öl-, Kohle- und Gasimporten machen und bei der grünen Wende aufs Tempo drücken.

„Mit unserer Unterstützung für Estlands größtes Windprojekt fördern wir dort den Wandel zu einer CO2-armen Wirtschaft,“ sagt Daniel Kapitanski, der als EIB-Kreditreferent daran beteiligt war.



Im Wind des Wandels

Das Projekt hat für Põhja-Pärnumaa aber auch eine soziale Dimension.

Denn über ein Vergütungssystem spült der Windpark Geld in die Kassen der Kommune: Zwischen 300 000 und 600 000 Euro kommen dort an, je nach Output des Windparks und den momentanen Strompreisen.

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Hausbesitzerinnen und -besitzer im Umkreis von zwei Kilometern der Windräder bekommen bis zu 4 350 Euro pro Jahr.

Außerdem bietet Enefit Green allen im Umkreis von sechs Kilometern des Parks bis zu 20 Megawatt Strom an, ohne Netzgebühren zu berechnen. Und eine neue Straße, die den Windpark ans Straßennetz anbindet, verkürzt die Strecke nach Tallinn.

„Die Gemeinde kann mit den Einnahmen eine neue Kita, einen Spielplatz oder Straßen bauen und Bäume pflanzen“, so Ulm. „Das zieht neue Unternehmen an, verbessert die Lebensqualität und schafft mehr Arbeitsplätze.“