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  • Von Frauen geführte Unternehmen nutzen einen erheblich anderen Finanzierungsmix als männlich geführte Unternehmen
  • Start-ups von Frauen sind weltweit immer noch selten und kommen nur schwer an Kapital
  • Frauengeführte Firmen erzielen höhere Bewertungen für Umwelt, Soziales und Governance und investieren mehr in die Weiterqualifizierung ihrer Beschäftigten

Zum Auftakt des Gipfeltreffens der Financial Alliance for Women 2022, einem Wirtschaftsforum zur Förderung der weiblichen Wirtschaft, hat die Europäische Investitionsbank (EIB) heute ihre neue Studie vorgestellt: Support for female entrepreneurs in Europe: Survey evidence for why it makes sense. 

Der Bericht stützt sich auf verschiedene von der EIB durchgeführte Erhebungen, die zeigen, wie wichtig es ist, in frauengeführte Unternehmen zu investieren.

EIB-Vizepräsident Thomas Östros: „Genderfokussierte Investitionen sind für alle Gesellschaften und Unternehmen Pflicht und Chance zugleich – und für uns in der EIB eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen ein frauenfreundliches Wirtschaftsumfeld fördern, in dem sich weibliche Führungskräfte entfalten können. Wir unterstützen deshalb weiterhin Unternehmerinnen durch Initiativen wie SheInvest  und 2X Challenge und setzen uns beharrlich für die Gleichstellung der Geschlechter in der Europäischen Union und weltweit ein.” 

EIB-Chefvolkswirtin Debora Revoltella: „Investitionen in weibliche Führerschaft sind nicht nur richtig, sondern führen auch zu besseren Geschäfts- und Entwicklungsergebnissen. Firmen, die sich um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bemühen, sind einfach besser: Sie sind innovativer, digitaler, sorgen sich eher um den Klimawandel und handeln entsprechend. Im internationalen Vergleich hinkt Europa beim weiblichen Unternehmertum hinterher. Das ist besorgniserregend, denn frauengeführte Unternehmen sind eher auf Gendergerechtigkeit bedacht und bieten mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Wir glauben, dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich ist, um den Status quo zu ändern. Die Finanzierung spielt dabei eine wichtige Rolle, und zwar weit über die sehr frühen Wachstumsphasen hinaus. Wenn das Potenzial von Frauen nicht voll ausgeschöpft wird, hat dies wirtschaftliche und soziale Folgen für alle.” 

Inez Murray, CEO der Financial Alliance for Women: „Europa liegt bei der Zahl der von Frauen geführten Start-ups hinter den Vereinigten Staaten zurück. Es ist daher an der Zeit, in frauenfreundlichere unternehmerische Ökosysteme zu investieren. Dies wiederum bedeutet, dass wir die richtigen Daten brauchen, um das Problem zu verstehen und um es sichtbar zu machen – Daten, wie sie durch diese Studie bereitgestellt werden. Dann müssen wir den öffentlichen und den privaten Sektor dazu bringen, gemeinsam an der Lösung des Problems zu arbeiten. Der wirtschaftliche Nutzen der Frauenförderung liegt auf der Hand. Frauen sind hervorragende Kreditnehmerinnen und treue Bankkundinnen. Zwar gründen weniger Frauen ein Unternehmen, doch wenn es einmal läuft, sind ihre Firmen ebenso erfolgreich wie die von Männern. Wir müssen mehr Rechenschaft in das System bringen. Wir wollen, dass jedes EU-Land einen Kodex für Investitionen in Frauen aufstellt, damit beispielsweise Finanzdienstleister das Finanzierungsvolumen für weiblich geführte Unternehmen ausweisen. Im Vereinigten Königreich ist das bereits geschehen und hat sich sehr positiv auf das Ökosystem ausgewirkt.”

Zur Zusammenfassung 

Warum sind Frauen für die Wirtschaft wichtig?

Unternehmerinnen sind Vorbilder für die Stärkung der Rolle der Frauen in der Wirtschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zur Volkswirtschaft. Sie zu fördern trägt zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei und ist zugleich von gesellschaftlichem Nutzen.

Untersuchungen zeigen, dass frauengeführte Unternehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit solide Managementmethoden — und mehr Leistungsindikatoren — anwenden und eher bereit sind, neue Produkte und innovative Lösungen einzuführen, nicht nur in der Europäischen Union, sondern weltweit. Geschlechtervielfalt am Arbeitsplatz kann zu mehr Kreativität, effizienten Lösungen und einer besseren Entscheidungsfindung führen. Dennoch muss mehr getan werden, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen und Frauen zu ermöglichen, ihr Potenzial in einer sich wandelnden Wirtschaft zu nutzen.

Frauen neigen auch eher dazu, den grünen Wandel zu unterstützen, auf die CO2-Emissionen zu achten und sich Ziele für Energieeffizienz zu setzen. Von Frauen geführte Unternehmen erzielen bessere Ergebnisse in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance, was die Bewertung ihrer Firmen und ihre Wahrnehmung durch Investoren und Kunden verbessert.

Von Frauen geführte Unternehmen erzeugen weitere positive Spillover-Effekte, da sie stärker auf Fortbildung setzen (40 Prozent der weiblich geführten Firmen unterstützen die Weiterqualifizierung ihrer Beschäftigten gegenüber 34 Prozent der männlich geführten). Dies kommt dem Humankapital des Unternehmens zugute und stärkt die Beschäftigten über das direkte Unternehmensumfeld hinaus. Frauen stellen außerdem mehr Frauen ein (und halten sie), was sich positiv auf die Beschäftigungsquote von Frauen auswirkt, geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringert und ein gerechtes Wachstum fördert. So liegt der Anteil weiblicher Beschäftigter in 47 Prozent der frauengeführten Unternehmen bei über 50 Prozent, während er in 74 Prozent der männlich geführten Firmen bei unter 50 Prozent liegt.

Welchen Hindernissen stehen Frauen gegenüber?

Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt, in der Politik und in Spitzenpositionen von Unternehmen unterrepräsentiert. Sie arbeiten eher in Teilzeitjobs, die in der Regel weniger Aufstiegschancen bieten und in denen sie ihr Potenzial nur begrenzt entfalten können.

Start-ups und Scale-ups von Frauen sind immer noch selten: In den Vereinigten Staaten liegt der Anteil der Gründerinnen bei 23 Prozent, im Vereinigten Königreich bei 20 Prozent und in der Europäischen Union bei 11 Prozent.

Für weiblich geführte Unternehmen in der Europäischen Union und ihren Nachbarländern ist der mangelnde Zugang zu Finanzmitteln eines der größten Hindernisse. Der Finanzierungsmix von Unternehmerinnen ist zudem weniger diversifiziert als der ihrer männlichen Pendants, wobei das Eigenkapital eher von ihnen selbst, ihrer Familie oder aus dem Freundeskreis stammt. 

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Unternehmen, die von Frauen geführt werden, erhalten zwar öffentliche Unterstützung, allerdings meist in Form von Zuschüssen für die Gründung und Aufnahme des Betriebs. Zugang zur breiteren Palette der Wachstumsfinanzierungen haben sie in weitaus eingeschränkterem Maße.

Finanzielle Fördermöglichkeiten für weiblich geführte Unternehmen sind weniger bekannt, und selbst im Start-up-Sektor ist das Verhältnis nicht ausgewogen. Business Angels spielen im Eigenkapitalmix weiblicher Unternehmensgründungen eine geringere Rolle (sie kommen in nur 10 Prozent der weiblich geführten Start-ups zum Einsatz, während es in männlich geführten mehr als 20 Prozent sind). Ähnliches gilt für Risikokapitalfonds.

Männer arbeiten außerdem mit einer 3,1-mal so großen Wahrscheinlichkeit im IKT-Sektor, während weiblichen Arbeitskräften in der derzeitigen digital geprägten Wirtschaft mehr Hindernisse in den Weg gelegt werden. Diese Kluft zeigt sich auch beim Einsatz von Spitzentechnologien in Unternehmen: Von Frauen geführte Firmen nutzen sie eher weniger.

Qualifikationsdefizite sind eines der größten Hindernisse für Frauen in der Wirtschaft, ebenso wie für männlich geführte Unternehmen in der Europäischen Union. In Nachbarländern ist die Situation ähnlich, wobei politische Instabilität einen erheblichen Anteil daran hat, Frauen zu entmutigen.

Aufbau frauenfreundlicher unternehmerischer Ökosysteme in Europa

Manches deutet darauf hin, dass von Frauen geführte Unternehmen anfälliger für die Auswirkungen von Krisen und Rezessionen sind, und Covid-19 bildet hier keine Ausnahme. Gleichzeitig haben sich viele Unternehmen von Frauen als resilient erwiesen, indem sie sich — nicht anders als viele von Männern geführte Unternehmen — erfolgreich angepasst, Tätigkeiten ins Internet verlagert und auf neue Formen der Produktbereitstellung umgestellt haben. Die Anstrengungen zur Geschlechterparität müssen verstärkt werden, um die zugesagten globalen und EU-Ziele zu erreichen und um die jüngsten Rückschläge bei der Gendergerechtigkeit wieder aufzuholen. Dies umfasst die Schaffung einer angemessenen sozialen Infrastruktur sowie Vorschriften und steuerliche Anreize, damit Frauen nicht von vornherein davon abgehalten werden, zu arbeiten oder ein Unternehmen zu gründen. 

Ein maßgeblicher Faktor für Eltern ist hierbei nach wie vor die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen zu erschwinglichen Kosten. Um geschlechtsspezifische Unterschiede im Unternehmertum zu beseitigen, ist ein besserer Zugang zu Finanzmitteln und Netzwerken von entscheidender Bedeutung. Finanzmärkte und Investoren, die auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte achten, können die Chancen für Frauen weiter verbessern.  

Hintergrundinformationen

Die Europäische Investitionsbank-Gruppe ist die Einrichtung der Europäischen Union für langfristige Finanzierungen. Ihre Anteilseigner sind die Mitgliedstaaten der EU. Die EIB-Gruppe vergibt langfristige Mittel für solide Projekte, die den Zielen der EU entsprechen. Um mehr für Frauen und Mädchen zu bewirken, hat die EIB eine Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter und zum wirtschaftlichen Empowerment von Frauen und einen Gender-Aktionsplan ins Leben gerufen. Ziel dieser Pläne ist es, die Geschlechtergleichstellung und insbesondere das wirtschaftliche Empowerment von Frauen im EIB-Geschäftsmodell für die Mittelvergabe, Mittelkombination und Beratung innerhalb und außerhalb der EU zu verankern. 

Um den Frauenanteil auf den Risikokapital-, Private-Equity- und Privat-Debt-Märkten zu erhöhen, hat sich der Europäische Investitionsfonds (EIF) bei seiner Investitionstätigkeit im Rahmen des InvestEU-Programms genderspezifische Ziele gesetzt. Die im Auswahlprozess des EIF festgelegten gendersensiblen Kriterien des InvestEU-Programms wurden mit dem Ziel entwickelt, mehr von Frauen geleitete Fonds und geschlechtergemischte Teams zu unterstützen und die Rolle von Frauen in Entscheidungs- und Führungspositionen zu stärken.
Weitere Information zu EIB-Initiativen für Geschlechtergerechtigkeit

Die Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB

Die Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB befasst sich mit Wirtschaftsforschung und volkswirtschaftlichen Studien. Außerdem untersucht sie die Investitionstätigkeit in der Europäischen Union und anderen Regionen. Sie unterstützt damit die Bank bei ihrer Arbeit und Positionierung und bei der Festlegung ihrer Strategien und Leitlinien. Das 45-köpfige Team wird von Chefvolkswirtin Debora Revoltella geleitet.