Für ein grünes, sicheres und autonomes Europa brauchen wir mehr Risikokapital und ein innovationsfreundliches Klima

Forschung und Innovation sind für unsere künftige Wettbewerbsfähigkeit und den Übergang zu einer grünen Wirtschaft unabdingbar. Doch Europa investiert dafür nach wie vor weniger als andere moderne Wirtschaftsregionen. Und wir könnten weiter zurückfallen. Für ein grünes, sicheres und autonomes Europa brauchen wir ein innovationsfreundliches Klima.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung geben Aufschluss über die Innovationstätigkeit. Die EU will drei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investieren. Zwei Prozent davon sollen von Unternehmen kommen. Laut dem Investitionsbericht der Europäischen Investitionsbank (EIB), der am 28. Februar 2023 veröffentlicht wurde, haben Japan und die Vereinigten Staaten dieses Ziel bereits übertroffen. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der EU belaufen sich dagegen auf weniger als 2,5 Prozent des BIP und der Beitrag von Unternehmen auf gut 1,5 Prozent.



Aber das Problem reicht noch weiter. Fast 60 Prozent der EU-Unternehmen geben an, überhaupt nicht in Innovation zu investieren. Das sind weit mehr als in den USA, wo dieser Anteil unter 40 Prozent liegt. Auch bei der Einführung von neuen Technologien oder Marktinnovationen sind europäische Firmen viel langsamer als die US-Konkurrenz – einer der Hauptgründe für die Innovationslücke zwischen den USA und Europa.

Bei grünen Innovationen liegt Europa noch vorn, doch auch da holen amerikanische und chinesische Unternehmen auf. Gleichzeitig hinkt Europa bei digitalen Patenten weiter hinter den USA zurück. Darüber hinaus könnte der Inflation Reduction Act, der eine Fördersumme von fast 369 Milliarden US-Dollar für Energie- und Klimaprojekte vorsieht, grünen Innovationen in den USA enormen Aufschwung geben.

Innovationen sind nicht nur Zukunftsträger. Sie entscheiden schon heute über die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft. Unsere Analysen zeigen, dass innovative Unternehmen den pandemiebedingten Konjunkturabschwung viel besser überstanden haben als andere. So überrascht es auch nicht, dass innovative Unternehmen zwischen 2019 und 2022 eher einen Umsatzanstieg verzeichneten.

Mit mehr Innovation würde Europas Wirtschaft nicht nur Krisen besser überstehen. Innovationen sind auch Voraussetzung, um die Klimakatastrophe zu überleben. Doch ein Großteil der Technologie, die wir dafür brauchen, muss noch entwickelt oder zur Marktreife gebracht werden. Das ist vor allem in Belgien ein Problem. In unserer Investitionsumfrage gab mehr als die Hälfte (53 Prozent) aller belgischen Unternehmen an, dass sich Wetterereignisse – wie die massiven Überschwemmungen von 2021 – auf ihr Geschäft auswirken. Doch nur etwa ein Viertel der Firmen investiert in Lösungen, um sich besser dagegen zu wappnen.

Warum Risikokapital so wichtig ist

Europa muss Innovationen unbedingt stärker unterstützen, unter anderem mit mehr finanzieller Hilfe für Start-ups und erfolgreiche Innovatoren, die expandieren wollen. Im letzten Jahrzehnt hat Europa eine dynamische Start-up-Szene aufgebaut. Daraus sind Global Player hervorgegangen (darunter über 70 Einhörner) und über zwei Millionen Arbeitsplätze entstanden. Zwischen 2010 und 2020 haben sich die Investitionen in europäische Start-ups versechsfacht: auf rund 40 Milliarden Euro.

2022 vergab die EIB-Gruppe in Belgien fast 2,7 Milliarden Euro. Davon stammten 335 Millionen Euro vom Europäischen Investitionsfonds (EIF), unserer Tochtergesellschaft für KMU- und Eigenkapitalfinanzierungen. Das Geld ging an kleine Unternehmen.

Zu den Innovatoren in Belgien gehörte Exevir. Das Biotechnologieunternehmen entwickelt ein aus Nanokörpern von Lamas gewonnenes Covid-19-Therapeutikum und bekam dafür einen Venture-Debt-Kredit von 25 Millionen Euro.

Außerdem erhielt die belgische Punch-Gruppe ein Darlehen über 40 Millionen Euro für neue Wasserstoff- und Elektroantriebstechnologien und die zugehörigen Energiespeichersysteme. Entwickelt werden sie in ihren Werken in Italien und Frankreich.

Doch um das Ruder herumzureißen, müssen wir uns noch viel stärker um junge Firmen kümmern, die die Branchenführer von morgen sein könnten. Zu viele aussichtsreiche europäische Start-ups schaffen es nicht, sich das Kapital für ihre weitere Expansion zu beschaffen. Deshalb wandern sie entweder in die USA ab, wo Risikokapital reichlich vorhanden ist, oder sie verkaufen sich an größere Rivalen mit tieferen Taschen. Im Jahr 2020 war bei fast einem Viertel aller europäischen Venture-Capital-Deals mindestens ein Investor aus den USA oder Asien an Bord. Von europäischen Investoren kam meist nur ein kleiner Teil des eingeworbenen Kapitals, vor allem bei den ganz großen Deals.

Einer der Gründe dafür ist, dass es in Europa schlicht und einfach deutlich weniger Risikokapitalfonds gibt als in den USA und vor allem kaum Fonds, die groß genug sind, um den erfolgreichsten Unternehmen beim Scale-up zu helfen. Die USA kommen im Vergleich zu Europa auf dreimal so viele Risikokapitalfonds mit einem Investitionsvolumen von 200–500 Millionen Euro. Bei Fonds zwischen 500 Millionen Euro und einer Milliarde Euro aufwärts sind es sogar sechs- bis achtmal so viele.

Die European Tech Champions Initiative

Um diesen Missstand zu beheben, wurde die European Tech Champions Initiative (ETCI) ins Leben gerufen. Für den vom EIF verwalteten Dachfonds kamen bereits Zusagen über 3,75 Milliarden Euro von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und der EIB. Die ETCI soll europäische Risikokapitalfonds unterstützen, damit diese dringend benötigtes Late-Stage-Kapital für vielversprechende europäische Innovatoren bereitstellen können.

Venture Debt, das in Europa unter anderem hauptsächlich von der EIB angeboten wird, spielt bei der Finanzierung von Innovationen auch weiterhin eine wichtige Rolle. Vor allem für Wachstums- und Scale-up-Unternehmen. Venture Debt ist etwas Besonderes: Es ergänzt herkömmliches Risikokapital. So können Unternehmen expandieren, ohne die Beteiligungen von Gründern und frühen Investoren zu verwässern. Venture-Debt-Kreditnehmer haben im Durchschnitt eine höhere Bilanzsumme und finden in späteren Finanzierungsrunden eher neue Investoren.

Unsere Zukunft hängt davon ab, wie innovativ wir sind. Und davon, ob es uns gelingt, die Markteinführung und Skalierung von Innovationen voranzubringen. Dafür müssen wir heute mehr investieren.