Wenn so viele Menschen ein Dach überm Kopf brauchen, warum kann ihnen der Markt dann nicht einfach Miet- oder Kaufkaufobjekte zu einem Preis anbieten, den sie noch bezahlen können? Der Grund dafür ist letztlich die Gewinnorientierung: Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu schaffen, ist für private Bauträger einfach nicht profitabel. Bauen ist zu teuer geworden. Und weil es kaum noch Bauland gibt, konzentrieren sich Immobilienentwickler lieber auf das obere Ende des Markts, weil da der Gewinn am größten ist. So kommt es, dass „bezahlbare“ Wohnungen das sind, was Volkswirte als Marktlücke bezeichnen – ein Bedarf, den der Markt einfach nicht deckt.
„Wenn wir über nicht marktwirtschaftlich organisierten Wohnraum sprechen – also günstigeren Wohnraum für Menschen, die sich die Marktpreise nicht leisten können –, dann braucht es irgendeine Form der öffentlichen Unterstützung. Sonst rechnen sich solche Projekte nicht“, sagt Gunnar Muent, Senior Advisor bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), der an der Antwort der EIB auf die Wohnungskrise arbeitet. „Ohne öffentliche Unterstützung würden solche Projekte Verlust machen oder zumindest kaum Gewinn abwerfen. Je weiter man sich vom Marktpreis entfernt, desto mehr öffentliche Unterstützung ist nötig.“
Die Baukosten sind zwischen 2010 und 2023 dramatisch gestiegen: um bis zu 48 Prozent. Auch die Grundstückspreise sind vielerorts in die Höhe geschnellt. Hinzu kommt, dass seit Jahrzehnten immer mehr Vorschriften erlassen werden, die für Bauwillige zu einer echten Hürde geworden sind. Administrative Unsicherheiten verschärfen die Lage zusätzlich. Bauträger müssen oft mehrere Projekte gleichzeitig finanzieren, um die künftige Pipeline zu sichern – wohl wissend, dass jederzeit Nachbarschaftsproteste, rechtliche Änderungen oder Verzögerungen bei Baugenehmigungen den Baufortschritt stoppen können. „Jedes Jahr kommen neue Vorschriften, neue Regeln, neue Dinge hinzu, die alles noch komplizierter machen“, sagt Joël Schons vom europäischen Bauverband FIEC. „Wenn man jedes Jahr neue Vorschriften draufpackt, wird es irgendwann zu viel. Auch diese Unwägbarkeiten lassen die Preise steigen. Irgendjemand muss das letztlich bezahlen.“
Und weil so viele zu viel bezahlen müssen – oder zumindest mehr als sie sich leisten können –, haben wir eine Krise, besonders in Städten und Küstenregionen. Die EU hat bereits eine Reihe von Instrumenten, mit denen sie den Wohnungssektor in Europa unterstützt. Einige EU-Institutionen gehen jetzt aber noch einen Schritt weiter – mit neuen Finanzierungs- und Beratungsansätzen, die im Wohnungssektor alle Wertschöpfungsstufen ins Visier nehmen.
Das Ziel: Mehr Wohnungen bauen, die sich die Menschen auch wirklich leisten können.
Finanzierung der Wertschöpfungskette im Wohnungsbau
Der Aktionsplan für bezahlbares und nachhaltiges Wohnen, den die EIB-Gruppe im Juni vorgestellt hat, soll alle Wertschöpfungsstufen fördern – von Innovationen bei Baustoffen und Bauverfahren über öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Kommunen bis hin zu Banken. Das Ziel ist, die jährlichen Finanzierungen für bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum 2025 um 40 Prozent zu erhöhen, von durchschnittlich 3 Milliarden Euro pro Jahr in den vergangenen fünf Jahren. Ab 2026 sind weitere Steigerungen geplant. Damit könnten von 2026 bis 2031 mehr als 1,3 Millionen Wohneinheiten gebaut oder saniert werden.
Zum einen wird es mehr Kredite an traditionelle Kunden geben. Darunter fallen zum Beispiel der jüngste Kredit an die Housing Finance Agency in Irland und ein Kredit für bezahlbares Wohnen in Portugal, den die Bank im Juni genehmigt hat. Zum anderen soll der Plan Finanzierungen für bezahlbares Wohnen auf alle 27 EU-Länder ausweiten; bisher haben sie sich auf Länder mit etablierten Förderstrukturen konzentriert. Den Anfang macht Tschechien. Dort unterzeichnete die EIB im Mai 2025 einen 60-Millionen-Euro-Kredit an die Bank Česká spořitelna. Damit werden in Prag mehr als 700 energieeffiziente, bezahlbare Wohnungen für Beschäftigte im öffentlichen Sektor gebaut, die sich die Preise am regulären Wohnungsmarkt nicht mehr leisten können. Darüber hinaus spricht die EIB neue Kunden an, vor allem private Immobilienentwickler, Geschäftsbanken und innovative Bauunternehmen.
Ein weiteres Kernmerkmal des Aktionsplans: Bei Projekten, die bezahlbares Wohnen mit besonders energieeffizientem Bauen verbinden, kann die EIB bis zu 75 Prozent der Projektkosten finanzieren. Das ist schon eine Ansage, denn normalerweise finanziert die EIB maximal die Hälfte der Projektkosten. In besonders begründeten Fällen können sogar EIB- und EU-Gelder so kombiniert werden, dass sie zusammen 100 Prozent der Projektkosten abdecken.

Frische Finanzierungsmodelle: neue Instrumente für bezahlbares Wohnen
„Wohnprobleme sind lokale Probleme“, sagt Gunnar Muent von der EIB. „Für einen Mangel an Wohnraum sind oft lokale Faktoren verantwortlich: die Verfügbarkeit von Bauland, Planungsfragen und Ähnliches. Was wir auf der Finanzierungsseite brauchen, ist eine Palette an Tools und Instrumenten, die wir passgenau an die lokalen Gegebenheiten anpassen und dann regional oder national skalieren können. Dann können wir nämlich nicht nur eine Handvoll, sondern Hunderte oder gar Tausende Wohneinheiten fördern.“
Genau mit diesem Ziel arbeitet die EIB mit der EU-Kommission (Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung) an einem neuen Finanzierungsinstrument für bezahlbares Wohnen, das nationale und regionale Behörden verwenden können. Damit können Behörden oder auch nationale Förderbanken, die solche Instrumente häufig verwalten, bestehende öffentliche Gelder so in den Wohnungssektor lenken, dass sie damit weitere private und öffentliche Investitionen auslösen. Dabei können zu den bestehenden öffentlichen Geldern auch EU-Mittel für ärmere Regionen zählen.
Das Erfolgsgeheimnis solcher Finanzierungstools besteht darin, dass sie flexible Kombinationen von Krediten und Zuschüssen ermöglichen, zum Beispiel von Kapitalzuschüssen und Zinsvergütungen. Das senkt das Risiko von Projekten und macht sie damit für einen breiteren Investorenkreis attraktiv. Außerdem lässt sich der Finanzierungsmix auf die lokalen Gegebenheiten abstimmen.
„Dieses Finanzierungsinstrument hat den Vorteil, dass es durch die Zuschusskomponente attraktivere Konditionen ermöglicht“, sagt Emily Smith, Principal Advisor bei der EIB. „Wenn Projekte nicht oder kaum tragfähig sind, kann ein Teil der Mittel als Kapitalzuschuss eingesetzt werden. Man kann auch einen Teil als Zinszuschuss verwenden, um die Finanzierungskosten zu senken. Oder man gewährt einen Kapitalnachlass, schreibt also bei Erreichen bestimmter Leistungsziele einen Teil des Darlehens ab.“
Mit diesem flexiblen Ansatz können die Mitgliedsstaaten das Modell an ihre individuellen Anforderungen und Marktbedingungen anpassen. Denn der Wohnungsmarkt unterscheidet sich ja von Land zu Land und sogar von Region zu Region mitunter erheblich.
Das Finanzierungsmodell passt auch zum Bestreben der EU-Kommission, den für wirtschaftsschwache Regionen vorgesehenen Kohäsionsfonds stärker auf dringende Prioritäten wie das Wohnraumthema auszurichten. Darüber hinaus hat die Kommission geklärt, dass auch die allen Regionen zur Verfügung stehenden Strukturfonds für Wohnraum genutzt werden können.
Finanzierung ist wichtig – aber nicht alles
Öffentliche Gelder sind wichtig, um bezahlbaren Wohnraum zu bauen, aber mit Geld allein lässt sich das Problem nicht lösen.
In vielen Ländern gibt es noch andere massive Investitionshindernisse, etwa unzureichende politische Rahmenbedingungen, überbordende Bürokratie oder einen Mangel an Fachkompetenz. Hier kommen die Beratungsleistungen der EIB ins Spiel.
„Die vielleicht wichtigste Aufgabe unserer Beratungsarbeit ist es, Ländern zu helfen, geeignete politische Rahmenbedingungen und Regulierung für bezahlbares Wohnen zu schaffen“, sagt Gerry Muscat, der bei der EIB die Beratung zu bezahlbarem Wohnen leitet. Dabei lassen sich auch Regelungen aus Ländern wie Frankreich, Österreich oder den Niederlanden übernehmen und anpassen, denn dort gibt es seit Jahrzehnten erfolgreiche Systeme für bezahlbares Wohnen. Das ist in Muscats Worten „eine echte Schatzkiste, die weltweit einzigartig ist“ und sowohl in der EU als auch außerhalb Anregungen bieten kann.
Im November 2024 unterzeichnete die EIB eine Vereinbarung mit fünf kroatischen Städten – Zagreb, Rijeka, Split, Osijek und Varaždin. Das Ziel: lokale Leitlinien für sozialen und bezahlbaren Wohnraum entwickeln und die besten Finanzierungsmodelle dafür auswählen.
Darüber hinaus arbeiten die Beratungsteams der EIB auch an anderen innovativen Ansätzen. Dazu gehören zum Beispiel die Umwandlung von Büroflächen in Wohnflächen und die Entwicklung von Leitlinien für öffentlich-private Partnerschaften.
Schnelles Handeln, schnelle Erfolge
Die politische Dynamik für eine finanzielle Lösung der Wohnungskrise ist da. Im vergangenen Herbst ernannte die Europäische Kommission Dan Jørgensen zum ersten EU-Kommissar für Wohnungswesen, der auch für Energiepolitik zuständig ist. Er soll einen europäischen Plan für bezahlbares Wohnen aufstellen und hat dafür eine Taskforce eingesetzt, die eng mit der EIB zusammenarbeitet. Im April legte die Kommission einen Vorschlag zur Modernisierung der EU-Kohäsionspolitik vor. Bezahlbares Wohnen war dabei eine von fünf strategischen Prioritäten, auf die Mitgliedsstaaten und Regionen ihre aktuellen Programme ausrichten sollen.
Das Europäische Parlament lässt einen Sonderausschuss Lösungsvorschläge für die Wohnungskrise ausarbeiten. Der fordert schnelles Handeln und schnelle Erfolge, unter anderem:
- Regulierung von Kurzzeitvermietungen
- Fokus auf Wohnraum für Studierende und ältere Menschen
- Schub für Neubau und Sanierungen
- Umwidmung leer stehender Immobilien
- Mehr EU-Finanzierungen
- Mobilisieren privater Investoren für bezahlbares Wohnen
„Ich bin sehr optimistisch“, sagt Branchenvertreter Schons. „Denn ich hoffe wirklich, dass jetzt alle verstehen, wie dringlich und problematisch das Wohnungsthema in der EU wirklich ist. Ich habe diese Dringlichkeit von Regulierungsseite noch nie so gespürt wie jetzt. Endlich bekommt das Thema Wohnen die Aufmerksamkeit, die es verdient.“
One-Stop-Shop: der direkte Draht zu Wohnlösungen
Um ihre Ressourcen für Wohnprojekte leichter zugänglich zu machen, hat die EIB einen One-Stop-Shop dafür eingerichtet.
Was sich dahinter verbirgt:
Eine zentrale Anlaufstelle für Behörden, Wohnungsgesellschaften, Baufirmen und Finanzintermediäre, die Finanzierungen oder Beratung der EIB für ihre Bauprojekte in Anspruch nehmen möchten.
Wie es funktioniert:
1. Erstkontakt: Kunden stellen der EIB ihre Ideen für Wohnprojekte vor.
2. Expertenteam: Kunden sprechen mit einem Team von Fachleuten aus dem Finanzierungs- und dem Projektbereich der EIB.
3. Schnellprüfung und Weiterführung: Nach einer ersten Prüfung leitet eine eigene Support-Einheit vielversprechende Projekte an die richtigen Teams weiter, wo dann der Projektzyklus beginnt.
Das spezielle Webportal für bezahlbares und nachhaltiges Wohnen – ein zentrales Element – hat sich bereits bewährt und seit dem Start im Februar schon viele Anfragen in die richtigen Kanäle geleitet. Es ist ein Grundstein für eine mögliche europaweite Plattform für bezahlbares und nachhaltiges Wohnen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und weiteren Partnern.
FAQ: Wie die EU bezahlbares Wohnen finanziert
Wie trägt die Kohäsionspolitik der EU zu bezahlbarem Wohnen bei?
Die Kohäsionspolitik spielt eine wichtige Rolle – als bewährtes Förderinstrument, das Wohnraum grüner, resilienter und bezahlbarer macht. Ende 2024 waren 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Wohnraum unter den Kohäsionsprogrammen 2021–2027 verplant, vor allem für die energetische Sanierung des Wohnungsbestands und sozialen Wohnraum für benachteiligte Gruppen. Im Rahmen des geplanten Europäischen Plans für bezahlbares Wohnen könnte die Kommission die Kohäsionsmittel für diesen Bereich weiter erhöhen.
Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) unterstützt in erheblichem Umfang Reformen und Investitionen im Wohnungssektor der EU-Mitgliedsstaaten. Wenn sie vollständig umgesetzt werden, könnten die Investitionen in sozialen Wohnraum in der EU zu 147 000 neuen oder sanierten Wohneinheiten führen. ARF-Maßnahmen unterstützen sozialen und bezahlbaren Wohnraum, energetische Sanierungen (auch für einkommensschwache und energiearme Haushalte) und Not- oder Übergangsunterkünfte für vulnerable Gruppe.
Mit der EU-Garantie von 26,2 Milliarden Euro im Rücken soll der InvestEU-Fonds mehr als 372 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen in der EU anstoßen – auch für soziales und bezahlbares, nachhaltiges Wohnen. Mehr als zehn InvestEU-Partner, darunter die EIB-Gruppe, bieten oder planen Eigenkapital- und Fremdkapitalprodukte, um im Rahmen des Finanzierungsfensters „Soziale Investitionen und Kompetenzen“ das Risiko für soziale und bezahlbare Wohnprojekte zu senken. Auch die InvestEU-Beratungsplattform unterstützt mit Beratungspartnern wie der EIB Wohnprojekte, etwa über das Europäische Finanzierungsinstrument für nachhaltige Energieprojekte von Städten und Regionen (ELENA). Diese Initiative berät lokale und regionale Behörden bei der Entwicklung energieeffizienter Wohnprojekte, um Investitionen in bezahlbare, nachhaltige Wohnlösungen zu erleichtern.
Es gibt eine Reihe von EU-Initiativen, die beim Thema Energiearmut ansetzen, das eng mit bezahlbarem Wohnraum verbunden ist. Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) fördert energetische Sanierungen bei einkommensschwachen und energiearmen Familien. Das LIFE-Teilprogramm „Energiewende“ fördert Maßnahmen gegen Energiearmut und schlechte Wohnbedingungen und bietet Unterstützung bei der Projektentwicklung für energetische Sanierungen im sozialen und öffentlichen Wohnungsbau. Ab 2026 wird zudem der Klima-Sozialfonds eingesetzt, um die am stärksten von Energiearmut betroffenen Haushalte zu unterstützen.
Wie wir Wohnraum fördern: Storys und Infos
Invested in Housing
Unsere Serie beleuchtet, woher die Wohnungskrise kommt und mit welchen Innovationen sie sich lösen lässt.
Projektfinanzierung und Beratung
Ob kleines Unternehmen oder Start-up, Großkonzern oder Behörde: Erfahren Sie, wie wir Ihnen helfen können.
Bleiben Sie informiert
Abonnieren Sie unseren Newsletter „Better homes“ mit Neuigkeiten und Stories rund um den Wohnungssektor.