Eine portugiesische Lehrerin zeigt, wie Kinder mit Behinderung leichter lesen lernen, mit dem Elfen EKUI

Wenn Grundschulkinder in Portugal nach der Methode von Celmira Macedo lernen, hören sie zuerst die Geschichte vom Elfen EKUI und dem Hürdenmonster.

Die Helden der Geschichte sind Kinder, die blind oder taub sind oder anderweitig behindert.

Mit dem Elfen EKUI an ihrer Seite kämpfen sie gegen die Hürden, die alle davon abhalten, gemeinsam zu lernen. Die Geschichte wird mündlich, in Zeichensprache und in Blindenschrift erzählt. 

So beginnt eine Reise, die alle Schülerinnen und Schüler der Klasse zusammen unternehmen. Die Kinder lesen und hören das Alphabet nicht nur, soweit sie es können. Sie lernen auch, wie sie Buchstaben mit den Händen zeigen und mit den Fingern in Blindenschrift fühlen.

„Wenn Kinder mit und ohne Behinderung all diese Sinne nutzen – Sehen, Hören, Bewegen und Fühlen –, lernen sie schneller und so, wie es ihren Fähigkeiten entspricht“, sagt Lehrerin Macedo, die Schöpferin der EKUI-Methode. 

Ihr Ansatz stellt den Unterrichtsansatz an portugiesischen Schulen auf den Kopf.

Normalerweise werden blinde oder taube Schülerinnen und Schüler oder Kinder mit Autismusspektrum-Störungen zeitweise getrennt unterrichtet. Bei EKUI (Equity, Knowledge, Universality, Inclusion) bleibt die gesamte Klasse zusammen. Die Lehrkräfte arbeiten mit Lernkarten, die Buchstaben in Blindenschrift, mit bildlichem Hinweis (wie etwa der Mund einen Laut bildet) und geschrieben zeigen.

Macedo freut sich, wenn sie von Kindern hört, die ihren Eltern im Aufzug erklären, was dort in Blindenschrift steht. Oder die taube Menschen spontan in Zeichensprache mit „hallo“ grüßen.

Es ist ein Zeichen der Empathie, die sie mit ihrer Methode wecken will.

Mittlerweile arbeiten mehr als 450 Klassen in über 70 Städten in Portugal nach EKUI; fast 9 000 Lehrkräfte wurden in der vielfach ausgezeichneten Methode geschult. EKUI war 2016 unter den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert das EIB-Institut Lösungen für Sozial- und Umweltprobleme. Seit 2021 ist Macedo Ashoka Fellow.

Lernhürden überwinden

Die Leidenschaft, die Macedo in EKUI steckt, ist aus den Schwierigkeiten geboren, mit denen sie selbst kämpfte.

Macedo war gerade vier, als 1975 der Bürgerkrieg in Angola ausbrach – ihrer Heimat, wo ihre Familie Landwirtschaft betrieb. Die Eltern schickten sie zu Verwandten nach Portugal, später flohen auch sie.

Als Außenseiterin wurde sie gemobbt und ausgegrenzt. So wuchs in ihr schon als Kind die Entschlossenheit, die sie bis heute antreibt.

„Ich sah mich um und erkannte, mit wem ich in der Ecke stand: mit den Kindern aus anderen Ländern und den Kindern mit Behinderung“, erzählt sie. „Das weckte meinen Gerechtigkeitssinn. Ich sagte mir: ‚Nein! Später werde ich dafür sorgen, dass das nie wieder passiert!‘“ Mit dieser Empathie bin ich aufgewachsen. Sie ist ein Teil von mir.“

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© EKUI

Der Elf EKUI hilft Kindern, die vom Bildungssystem oft abgehängt werden

Weil eine Karriere als Juristin nicht möglich war, blieb sie in der Nähe ihres Zuhauses in Nordportugal und wurde Lehrerin. „Mein Ziel blieb gleich: Ich wollte Gerechtigkeit und Inklusion in meinem Umfeld schaffen“, sagt sie.

Die Arbeit im portugiesischen Schulsystem öffnete ihr die Augen. Das Ideal war zwar lobenswert, aber in der Realität wurden viele Kinder abgehängt.

Um Lösungen zu finden, promovierte Macedo an der Universität Salamanca in Spanien. In dieser Zeit hatte sie mit 33 Jahren den ersten von zwei Schlaganfällen. Für kurze Zeit konnte sie nicht sprechen.

„In diesem Moment, als mich mein stressiges Leben in diese Lage gebracht hatte, dachte ich: ‚Oha, jetzt geht es mir wie ihnen.‘ Und es ist schrecklich. Ich konnte nicht einmal mehr sagen: ‚Hilf mir!‘“

Aus ihren Erfahrungen als Kind und als Erwachsene schöpfte sie die Gewissheit, dass Kommunikation am besten funktioniert, wenn sie über mehrere Kanäle gelehrt wird. EKUI war geboren.

Das Prinzip der Inklusion

Liliana Silva ist Grundschullehrerin in Vila Nova de Gaia bei Porto. Sie unterrichtet Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren und bringt ihnen vor allem das Lesen und Schreiben bei. Im Schuljahr 2021/2022 arbeitete sie erstmals nach der EKUI-Methode.

„Die Kinder sind sensibler für Vielfalt geworden und haben schneller gelernt als andere Klassen, die ich zuvor unterrichtet hatte. Am Ende des Schuljahres konnten sie problemlos lesen und schreiben“, berichtet sie. „Durch EKUI verstehe ich jetzt besser, wie Kinder lernen. Es hat meinen Unterricht verändert. Mein Gefühl ist, dass ich jetzt alle viel besser mitnehme.“

© EKUI

Lernkarten zeigen Buchstaben in Blindenschrift, bildlich und geschrieben

Das EKUI-Team besteht zurzeit aus fünf Personen. Die Non-Profit-Organisation finanziert sich über den Verkauf der Lernkarten in Verbindung mit einer zweistündigen Schulung. Rund 18 US-Dollar kostet ein Kartensatz, die „Profiversion“ 40 US-Dollar. Außerdem werden bis zu 25 Schulungsstunden für Lehrkräfte, Therapeuten und andere Zielgruppen angeboten.

Macedo will die Methode jetzt auch in andere Länder bringen, darunter Brasilien. Außerdem arbeitet sie an einer wissenschaftlichen Studie zur Wirkung von EKUI auf das kindliche Lernen. Dazu arbeitet sie mit der Katholischen Universität von Portugal in Braga zusammen. Die ersten Ergebnisse: 72 Prozent Effektivität beim Lernen des Alphabets; 79 Prozent bei Kommunikation und Aussprache; in 90 Prozent der Fälle bessere Haltung zu Inklusion und in 67 Prozent Umstellung der Lehrkräfte auf inklusiveren Unterricht.

“EKUI ist keine Milliarden-Dollar-Gelddruckmaschine, aber vielleicht eine Milliarden-Dollar-Geldsparmaschine“, sagt Macedo. „Wir alle verdienen, dass wir dazu gehören. Mit einer hochwertigen Bildung für alle lässt sich so viel Geld sparen – für den Staat, für Familien, für uns alle.“