Daten aus den Niederlanden belegen, dass die EIB eher Firmen mit mehr Frauen an der Spitze fördert – weil sie oft besser geführt, innovativer und erfolgreicher sind als ihre Wettbewerber
Am 7. Juni 2022 hat die Europäische Union hat einen großen Schritt in Richtung Genderbalance in der Unternehmensleitung gemacht: Nach jahrelangem Stillstand einigte sie sich auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen.
Laut der neuen Richtlinie sollen spätestens 2026 mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsposten oder 33 Prozent der Vorstands- und Aufsichtsratsposten börsennotierter Gesellschaften mit Frauen besetzt sein. Im Oktober 2021 waren EU-weit nur 30,6 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder Frauen, und in nur 8,5 Prozent der Fälle führten Frauen den Vorsitz – mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den Ländern.
Frauen an der Spitze sind gut fürs Geschäft
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat erkannt: Mehr Frauen in die Führungsetage zu holen, zahlt sich auch geschäftlich aus. Analysen zeigen, dass Unternehmen mit gemischt besetzten Leitungsorganen unter anderem eine höhere Eigenkapitalrendite erzielen und einen geringeren Betriebsaufwand verbuchen.
Firmen mit Frauen im Aufsichtsrat und im oberen Management sind finanziell erfolgreicher und gehen weniger Risiken ein. Hinzu kommt: Weibliche Investoren beteiligen sich doppelt so oft an Start-ups mit mindestens einer Frau im Gründungsteam und dreimal so oft an Unternehmen mit einer Frau an der Spitze.
Die Beweislage ist erdrückend: Genderbalance zahlt sich aus. Und doch sind Frauen im oberen Management weiter stark unterrepräsentiert. Das gilt besonders für die Venture-Capital-Branche, wo nur etwa eine von zehn Führungskräften weiblich ist, wie die EIB jüngst in ihrem Bericht Funding women entrepreneurs: How to empower growth feststellte.
In ihrem Gender-Aktionsplan 2021–2024 hat sich die EIB-Gruppe vorgenommen, mit ihren Finanzierungen EU-weit die Gendergerechtigkeit zu fördern. Die Niederlande zählen zu den Ländern, in denen 2021 Frauen in den Leitungsorganen noch stark unterrepräsentiert waren. Ein Blick in unser Portfolio sollte Aufschluss geben, wie es bei den EIB-geförderten Unternehmen aussieht.
Seit 1. Januar 2022 gilt in den Niederlanden eine verpflichtende Genderquote. Mindestens 33 Prozent der Posten in den Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften müssen an Frauen vergeben werden. Nach dem Gesetz müssen sich Großunternehmen auch ehrgeizige Zielquoten für ihr Management und die oberen Führungsebenen setzen. Bis das Gesetz in Kraft trat, saßen in den Aufsichtsräten niederländischer Unternehmen vor allem Männer. Der Frauenanteil dümpelte bis vor wenigen Jahren im einstelligen Bereich.
Anders bei den Firmen, die 2019–2021 Geld von der EIB bekamen: Im Schnitt waren Frauen dort mit 30 Prozent in den Vorständen vertreten und mit 34 Prozent in den Aufsichtsräten.
Damit liegt der Anteil der Frauen in Führungspositionen im EIB-Portfolio über den Vergleichsdaten für börsennotierte Unternehmen in den Niederlanden insgesamt. 2021 hatten die börsennotierten niederländischen Unternehmen einen Frauenanteil von 14 Prozent in den Vorständen und 33 Prozent in den Aufsichtsräten.
Ein möglicher Grund für den relativ hohen Anteil weiblicher Spitzenkräfte im EIB-Portfolio: Die Bank prüft vor der Finanzierung genau, ob Unternehmen gut geführt, innovativ und erfolgreicher als Wettbewerber sind und ob sie gute Leute gewinnen und halten können. All dies sind Faktoren, die auch mit ausgewogen besetzten Leitungsorganen zusammenhängen.
EIB-Portfolio in den Niederlanden: Fast überall 30 Prozent Frauen an der Spitze
Die Sektoranalyse des EIB-Portfolios in den Niederlanden ergab: In acht von elf Sektoren, in denen sich die Bank engagiert, erreichen die Aufsichtsräte die Frauenquote von 30 Prozent. Das gilt nicht nur für den eher frauenlastigen Bildungs- und Gesundheitssektor, sondern auch für Bereiche, in denen Frauen gemeinhin unterrepräsentiert1 sind, wie etwa den Bau- und Verkehrssektor. Das EIB-Portfolio umfasst also nicht übermäßig viele Unternehmen aus Branchen, die ohnehin besser abschneiden. Da Genderbalance kein eigenes Auswahlkriterium ist, lässt sich sagen: Mit der Auswahl innovativer, gut geführter Unternehmen entscheidet sich die Bank offenkundig für Firmen, die häufiger genderdivers sind als der Markt insgesamt.
Bei den börsennotierten kleinen und mittelgroßen Firmen (mit weniger als 250 Beschäftigten) sowie den Midcap-Unternehmen (mit bis zu 3 000 Beschäftigten) kommen die Niederlande insgesamt auf eine Frauenquote von zehn Prozent im Topmanagement. Die EIB-Kunden dieser Größe verzeichnen demgegenüber im Schnitt einen Anteil von 29 Prozent.
Es sieht also so aus, dass bei unserer Projektauswahl eher Firmen zu Zuge kommen, bei denen überdurchschnittlich viele Frauen mit am Ruder sitzen.
Berichterstattung über Genderbalance kann vieles verbessern
Die Datenlage über die Diversität der Leitungsorgane in den Niederlanden ist noch dürftig. Von den 60 privaten Unternehmen im niederländischen EIB-Portfolio 2019–2021 veröffentlichen 10 (17 Prozent) keine Daten über den Frauen- und Männeranteil im Topmanagement, bei 21 (35 Prozent) gibt es keine öffentlichen Daten zu den Aufsichtsgremien.
Analysen zeigen: Gemischte Führungsteams sind gut für den finanziellen Erfolg und die Risikopolitik von Unternehmen. Und sie haben, wie oben erwähnt, einen positiven Einfluss auf Genderüberlegungen an anderer Stelle – etwa, dass weibliche Investoren sich eher an Start-ups von Frauen und an Unternehmen mit Frauen an der Spitze beteiligen. Deshalb ist eine bessere Berichterstattung über die Genderbalance in der Führung angezeigt. Unternehmen, Geldgeber und Gemeinschaften könnten davon nur profitieren.
Die EIB hat als erste multilaterale Entwicklungsbank offiziell die Kriterien der 2X Challenge angenommen – einen globalen Standard für genderorientierte Investitionen in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen. Die Kriterien bieten auch eine gute Grundlage, auf der die Bank gemeinsam mit ihren Kunden auf Gendergerechtigkeit hinarbeiten kann. Sie helfen ihr, die Vorteile in puncto Führung, Beschäftigung und Unternehmertum zu vermitteln.
Die nächsten Schritte
Die Niederlande zeigen zwar nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtportfolio der Bank, aber sie geben doch einen Eindruck vom Erfolg gendersensibler Finanzierungen. Systematischere Berichte und Analysen auch für andere EU-Länder könnten helfen, die positiven Effekte ausgewogen besetzter Leitungsorgane in der Breite zu bestätigen.
Wichtig ist neben der Berichterstattung über den Frauenanteil in Führungspositionen auch der Austausch darüber, wie sich der Anteil steigern lässt. Hier kommen weitere Elemente der jüngsten EU-Vereinbarung ins Spiel, etwa klare und transparente Verfahren für die Vergabe von Aufsichtsratsposten. Die EIB ist auch Mitglied im Unterausschuss für Gendergerechtigkeit des Beratungsausschusses von InvestEU. Das Gremium soll den Austausch über Best Practices fördern, was Investitionen, Kapazitätsaufbau und die Pilotierung und Ausdifferenzierung entsprechender Genderstudien betrifft.
(1) Hier wurden keine spezifischen Sektordaten für die Niederlande gefunden. Daher verweist die Aussage auf breitere globale Trends.
Nea Prättälä ist Trainee im Social Policy Team der Abteilung für ökologische, klimatische und soziale Aspekte der EIB in Luxemburg. Els Sweeney-Bindels leitet das Amsterdamer Büro der Bank, und Wim Verhagen hat als Trainee dort mitgearbeitet.