Klima- und Genderfragen müssen zusammen gedacht werden

Klimawandel und wachsende soziale Ungleichheit – diesen zwei großen Aufgaben muss sich die Welt heute stellen. Das geht nur, wenn wir Finanzierungen radikal neu denken. Wir müssen viel mehr Geld für das Klima in die Hand nehmen und dieses Geld auch sozial- und gendergerecht investieren.

Viel zu lange schon treffen die Folgen des Klimawandels besonders Frauen, vor allem in Entwicklungsländern. Denn natürliche Ressourcen bewirtschaften, Nahrung und Wasser für die Familie beschaffen – diese Aufgaben lasten zumeist auf ihren Schultern. Daher kommt es ganz wesentlich auf die Frauen an, wenn Gemeinschaften resilienter werden sollen. Ihre Anpassungsfähigkeit zu stärken, ist deshalb nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine strategische Investition in klimafeste Gemeinschaften.

Der Business Case ist eindeutig: Klimaresilienz braucht Frauen an der Spitze, sei es in der Politik, im Finanzwesen oder in der Wirtschaft. Laut einer Studie der Europäischen Investitionsbank investiert über die Hälfte der europäischen Unternehmen in Klimaschutz und Klimaanpassung. Dabei erzielen frauengeführte Firmen höhere Bewertungen für Umwelt, Soziales und Governance. Wenn wir bis 2030 rund 24 Millionen neue grüne Arbeitsplätze besetzen wollen, benötigen wir auch dafür Frauen mit all ihren Talenten und Fähigkeiten. 

Eine Riesenchance

Aktuell fließen weltweit jährlich etwa 800 Milliarden US-Dollar in den Kampf gegen den Klimawandel und in die Anpassung. Aber schon 2030 dürften jedes Jahr 4 Billionen US-Dollar nötig sein. Darin liegt eine Riesenchance. Wenn es uns gelingt, alle Finanzierungen fürs Klima gendersensibel zu investieren, könnten wir sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich Klimaschutz und Gendergerechtigkeit zugleich voranbringen.

Im Vergleich zu einem Weiter-wie-bisher-Szenario könnte die Umstellung auf eine klimabewusste Wirtschaft bis 2030 Gewinne von 26 Billionen US-Dollar generieren. Frauen entscheiden über 85 Prozent der Konsumausgaben bzw. beeinflussen sie maßgeblich. Diese Zahl verdeutlicht, welches enorme Wachstumspotenzial gendergerechte Strategien bergen. Mit ihrem besonderen Wissen und ihrem innovativen Herangehen können Frauen wesentlich dazu beitragen, den Klimawandel einzudämmen und die Klimaresilienz zu stärken. Wenn in Indien Frauen an Wald- und Energieprojekten beteiligt sind, steigen beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einer Aufforstung und der Verkauf netzunabhängiger Energielösungen um 28 bzw. 30 Prozent.

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Mit dem Klimabank-Fahrplan bestätigt die EIB die enge Verknüpfung zwischen mehr sozialer Teilhabe, weniger Ungleichheit und einer stärkeren Klimaresilienz.  Sie hat zugesagt, ihre Finanzierungen für die Klimaanpassung zu verdreifachen und dabei vor allem Frauen und besonders gefährdeten Regionen weltweit unter die Arme zu greifen.

Gendersmarte Klimafinanzierungen setzt die Bank mit Unternehmerinnen und Fondsmanagerinnen um, die sich Lösungen für Klima und Umwelt verschrieben haben. Im Februar 2023 unterzeichnete die EIB zum Beispiel Investitionsvereinbarungen mit drei tansanischen Banken über insgesamt 270 Millionen Euro. Mit dabei ist die National Microfinance Bank of Tanzania. Sie unterstützt Unternehmerinnen und frauengeführte Firmen in der blauen Wirtschaft, auch mit Fokus auf Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit.

Wir fördern Projekte, die Frauen und Mädchen klimaresilienter machen, etwa mit unserem 350-Millionen-Euro-Kredit für den Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung. Er will Armut abbauen und Menschen für den Klimawandel wappnen. Frauen in ländlichen Gebieten hilft der Fonds, Nahrungsmittel verstärkt nachhaltig und klimasmart anzubauen. Außerdem sorgt er für Bildungschancen, vermittelt Finanzwissen und öffnet Frauen Türen zu Märkten, damit sie mehr verdienen. 

Um Armut zurückzudrängen und die Gesundheits-, Job- und Bildungssituation zu verbessern, müssen Frauen Zugang zu sauberem Strom erhalten. In Brasilien hat die EIB mit einem 200 Millionen Euro schweren Kredit an den Energiekonzern Enel geholfen, in den Favelas von São Paulo mehr Menschen mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen. 65 Prozent der neu angeschlossenen Haushalte werden von Frauen geführt. Das reduziert die weibliche Energiearmut und verbessert ihre soziale und finanzielle Teilhabe.

Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Damit Frauen voll von grünen Jobchancen profitieren, arbeiten wir eng mit Projektträgern zusammen. In Spanien dekarbonisiert Cabify seine Taxiflotte mithilfe der EIB. Und weil Kundinnen immer öfter gezielt eine Fahrerin bestellen, erhöht das Unternehmen gleichzeitig seinen Frauenanteil auf 50 Prozent.

2022 trugen 70 Prozent unserer gendersmarten Projekte auch zu Klimaschutz und ökologischer Nachhaltigkeit bei. Das zeigt: Gender und Klima sind keine konkurrierenden Ziele, sie ergänzen sich vielmehr gegenseitig. Doch während Klimafinanzierungen viel schneller zulegen als zunächst erwartet, fallen Genderaspekte gelegentlich hinten runter. Deshalb müssen wir integrierte Ansätze für Gender und Klima weiter pushen – und der Schlüssel dazu liegt in der Zusammenarbeit.

Wir beteiligen uns an Initiativen wie dem Toolkit für Gender- und Klimafinanzierungen, das gemeinsam mit 2X-Global-Partnern entwickelt wurde, oder der luxemburgischen Gender Finance Task Force, weil wir überzeugt sind, dass Gender und Klima zusammen gedacht werden sollten und müssen.

Nur über Partnerschaften können wir dafür sorgen, dass Frauen und andere marginalisierte Geschlechtergruppen nicht nur gehört, sondern auch aktiv in klimapolitische Projekte und Initiativen für Klimagerechtigkeit und Gleichstellung einbezogen werden.