Ingenieur entwickelt Barriere, die in Flüssen Plastikmüll sammelt, damit er nicht im Meer landet

Für seinen schottischen Masterabschluss in Abfallwirtschaft betrieb der italienische Ingenieur Fabio Dalmonte vor acht Jahren Feldforschung an Flüssen in Indonesien.

Der Plastikmüll, der in den Meeren dümpelt, gelangt zu schätzungsweise 80 Prozent über Flüsse dorthin. Damit war für Dalmonte klar: „Die schnellste Lösung wäre, diesen Müll schon in den Flüssen abzufangen, bevor er ins Meer gespült wird.“

Er entwickelte daraufhin seine nachhaltigen, kostengünstigen „Blue Barriers“, die genau das tun.

Den Prototyp testete er 2017 am Fluss Lamone in Italien und ließ ihn ein Jahr später patentieren.

Anschließend gründete er mit Mauro Nardocci – ebenfalls Ingenieur – das Start-up Sea Defence Solutions (SEADS). Gemeinsam wollen sie die „blauen Barrieren“ auch in anderen Flüssen einsetzen.

Eine Barriere aus Recyclingmaterial

Das Besondere an den Blue Barriers von SEADS: Sie sind einfach, kostengünstig und effizient. Jede Barriere ist 20 Meter lang und setzt sich aus kleineren Modulen zusammen. Diese bestehen aus recyceltem und recycelbarem Material – innen Stahl, außen schwimmendes Polyethylen.

Die Barrieren reichen bis 90 Zentimeter unter die Wasseroberfläche, denn das Plastik treibt in den oberen 50 Zentimetern. Durch ihre senkrechte Position kann kein Abfall darunter durchrutschen. Und sie beeinträchtigen weder die Schifffahrt noch das Leben am und im Wasser.

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Durch die senkrechte Position kann kein Abfall unter den „blauen Barrieren“ durchrutschen

Idealerweise werden die Blue Barriers da hergestellt, wo sie anschließend zum Einsatz kommen – in Flussnähe. Das mindert die Auswirkungen des Transports und schafft vor Ort Arbeitsplätze. SEADS arbeitet jetzt an einer Version, die noch einfacher herzustellen ist. Das dürfte dem Produkt kräftigen Auftrieb geben.

Barriere sammelt Plastikmüll zu fast 100 Prozent ein

Plastikmüll in Fließgewässern einzusammeln klingt vielleicht einfach, ist aber überraschend komplex. „Flüsse sind ein Problem. Denn Kunststoffe verhalten sich da ganz eigen“, erklärt Dalmonte.

Strategisch gut platziert können die blauen Barrieren fast 100 Prozent der Kunststoffe im Wasser einsammeln. „Schlängelt sich der Fluss, braucht es eigentlich nur eine Barriere nach einer Windung. Die erwischt da so ziemlich alles.“ Bei einem geraden Flusslauf funktioniert es mit zwei hintereinander versetzten Barrieren.

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Die blauen Barrieren erwischen fast 100 Prozent der im Wasser schwimmenden Kunststoffe

Wird ein Fluss breiter, installiert SEADS so viele Barrieren wie nötig. Bei starkem Wind oder Hochwasser öffnen sie sich automatisch, um Schäden zu vermeiden. Danach müssen sie wieder manuell an ihren Platz geschoben werden.

Nach dem erfolgreichen Test einer Blue Barrier im Tiber in Rom installierte SEADS 2022 seine erste Barriere in einem mittelgroßen Fluss außerhalb der italienischen Hauptstadt.

SEADS gehörte 2022 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Damit zeichnet die Europäische Investitionsbank jedes Jahr Unternehmen für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus.

Wertschöpfung aus Abfällen

In den kommenden fünf Jahren will SEADS seine blaue Barrieren in 30 Flüssen installieren. Dort sollen sie 70 000 Tonnen Plastikmüll einsammeln und würden damit jährlich 14 000 Tonnen CO2-Emissionen einsparen und 7 000 Vögeln und Meeressäugern das Leben retten.

Das Team arbeitet derzeit an drei Projekten, unter anderem südlich von Neapel am Sarno, dem am stärksten verschmutzten Fluss Europas.

Luigi Daniele, Ingenieur bei der für den Sarno zuständigen Verwaltung, erklärt: „Die Blue Barriers sind für uns die branchenweit beste Technologie, die verhindert, dass der Sarno Kunststoffe ins Meer spült. Wir sind zuversichtlich, mit dieser Technologie die Plastikverschmutzung im Golf von Neapel und an unseren Stränden deutlich eindämmen zu können.“

Die Abfälle einzusammeln ist jedoch nur der Anfang. Anschließend müssen sie noch abtransportiert und behandelt werden.

An der Barriere außerhalb von Rom sammeln zweimal pro Woche zwei Leute den Plastikmüll ein und schicken ihn zum Sortieren und Recyceln. Je nach Abfallmenge kann SEADS auch ein automatisches System einrichten, das den Müll per Förderband in einen Container lädt. Diese Anlage ist die einzige Komponente im gesamten Prozess, die Energie von außen braucht. Allerdings kann sie auch mit Solarstrom betrieben werden.

Dalmonte hofft, dass die Einnahmen aus dem recycelten Plastik irgendwann ausreichen, um die Barrieren zu warten, die gesammelten Abfälle zu bewirtschaften und letztlich weitere Barrieren zu installieren. Deshalb sucht SEADS nun gemeinsam mit einer führenden Recyclingfirma nach Lösungen für eine maximale Recyclingqualität.

Mit seinen Blue Barriers will SEADS solange im Geschäft bleiben, bis weltweit alle Flüsse plastikfrei sind. „Hoffentlich dauert das nicht allzu lange. Aber wir bleiben am Ball, bis unsere Barrieren nicht mehr gebraucht werden.“