Wie wirkt sich das Coronavirus auf die Bildung unserer Kinder aus? Werden Schulen und Unis künftig anders arbeiten? Wir haben unsere Bildungsexpertin gefragt.

Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Aber bleibt das nun so? In unserer Reihe Ändert sich jetzt alles? sprechen wir mit Expertinnen und Experten der Europäischen Investitionsbank über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Bildung, Digitalisierung, städtische Mobilität, Medizin – und auf unser tägliches Leben.

Was das Coronavirus für die Bildung bedeutet, erklärt uns Anna Canato, Leiterin der Abteilung Bildung und öffentliche Forschung bei der Europäischen Investitionsbank, der Bank der EU.


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Verändert das Coronavirus die Zukunft der Bildung?

Es verändert auf jeden Fall jetzt die Bildung. 156 Länder haben ganz oder teilweise ihre Lerneinrichtungen geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Von der Schließung sind 82 Prozent der Lernenden in Schulen und Hochschulen betroffen. Die Antwort ist also: Ja, das Virus verändert derzeit die Bildung weltweit, und es bringt wahrscheinlich auch in Zukunft Veränderungen mit sich.

Warum muss es die Bildung verändern? Die Krankheit scheint Kinder ja kaum zu treffen.

Ich bin keine Ärztin, aber wie wir wissen, sind Schulen wichtige Orte der sozialen Integration – selbst, wenn Kinder nicht so betroffen sind wie ihre Eltern. In Schulen arbeiten viele Lehrkräfte und andere Personen. Außerdem haben die Kinder einen engen Umgang miteinander und kommen anschließend heim zu ihren Eltern. Deshalb gelten die Kontaktbeschränkungen für Schulen wie für andere Orte. Aber das hat natürlich auch einen Preis. Die Kinder lernen langsamer, sie haben weniger Kontakt zueinander und es fällt schwerer, sozial Schwächere mitzunehmen.

Welche neuen Wege müssen wir gehen, um die Situation zu bewältigen? Und welche davon werden wir in Zukunft weitergehen?

Ich denke, dass Schulen und Universitäten weltweit sich gerade gewaltig anstrengen, mit der Situation zurechtzukommen. Die meisten von ihnen haben nicht damit gerechnet, dass von jetzt auf gleich der Direktunterricht für längere Zeit wegfällt. Und sie waren darauf nicht vorbereitet. Viele nutzen jetzt das Internet, in manchen Ländern auch das Fernsehen. Oder sie drucken Materialien aus und schicken E-Mails mit Aufgaben für die Kinder an die Eltern. Die Schulen und die Lehrkräfte tun also, was sie können. Trotzdem waren die Bildungssysteme nicht gut auf eine solche Situation vorbereitet, auch nicht in den Industrieländern. Das muss sich für die Zukunft ändern. Ich glaube – und das sage ich jetzt als Mutter – wir alle sehen viele digitale Anwendungen, die Alternativen für den Unterricht bieten. Natürlich sind sie nicht so gut, wie wenn unsere Kinder zur Schule gehen, und zwar unabhängig von der Klassenstufe. Dennoch müssen sich die Länder, die Regionen und die Schulen überlegen, wie sie sich besser für Fälle wie diesen wappnen können. Die aktuelle Erfahrung zwingt sie dazu, über eine bessere Einbindung von Methoden des Fernunterrichts nachzudenken. Ich glaube nicht, dass wir im Bildungswesen jetzt auf einmal komplett digital werden oder auf Fernunterricht umsteigen. Wir werden auch nicht zu dem Schluss kommen, dass online lernen viel besser ist als der persönliche Unterricht. Ich denke aber, dass Schulen viel besser auf Situationen wie diese vorbereitet sein müssen. Auf allen Bildungsstufen – vor allem in den Hochschulen und in der Erwachsenenbildung – muss überlegt werden, wie sich digitale Methoden besser in den Unterricht integrieren lassen.

Wie wird sich das künftig auf den Alltag von Kindern und Eltern auswirken? Und auch auf die Erwachsenenbildung?

Das ist jetzt noch schwer absehbar. Ich würde mir wünschen, dass sich im täglichen Leben gar nicht viel ändert. Der persönliche Unterricht, der soziale Kontakt, das Miteinander junger Menschen aus allen sozialen Schichten – all das ist ganz wichtig für die Gesellschaft. Hoffentlich können wir sobald wie möglich dahin zurückkehren. Aber ich hoffe auch auf positive Veränderungen – dass etwa die Länder mehr in ihre digitale Infrastruktur investieren, damit alle Schulen und Familien die Vorteile des Fernunterrichts gut nutzen können. Außerdem müssen wir die Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Plattformen schulen, damit sie diese bei Bedarf in den Unterricht einbinden können. Und die Schulbezirke sollten Strategien zur Vorbereitung entwickeln. Sie sollten darauf achten, welche Kinder aus benachteiligten Familien kommen und in dieser Phase mehr Unterstützung brauchen.

Unterstützung auch mit Hardware, wenn etwa Familien mit mehreren Kindern nur einen oder vielleicht gar keinen Computer haben?

Wahrscheinlich. Der Durchschnittshaushalt – auch in Europa – hat vermutlich nicht so viele Computer wie Kinder. Vielleicht ist auch der Internetanschluss nicht so schnell, dass alle gleichzeitig eine gute Verbindung haben.

Welche Rolle spielt die Europäische Investitionsbank bei diesen Veränderungen? Wie können wir dabei helfen?

Wie in den letzten 20 Jahren stehen wir fest an der Seite von Ländern, Regionen, Kommunen und privaten Projektträgern, die in Bildungssysteme investieren und sie zukunftsfähig machen wollen. Seit dem Jahr 2000 finanzieren wir Schulinfrastruktur, einschließlich Beratung und Investitionen in digitale Infrastruktur und die Ausbildung von Lehrkräften im Fernunterricht und im Umgang mit digitalen Hilfsmitteln. Aufgabe der Bank ist es also, zunächst ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig die Bildung bei der Vorbereitung auf Pandemien wie diese ist – wie wichtig also eine Strategie für das Bildungswesen ist. Und dann helfen wir den Bildungsträgern mit unseren Finanzierungen bei Investitionen in Schulen und digitale Infrastruktur.

Eine letzte Frage, Anna: Wie alle bei der Europäischen Investitionsbank arbeiten Sie jetzt von zu Hause aus, weil wir Abstand halten müssen. Sie haben Kinder, die auch daheim sind, weil die Schulen geschlossen sind. Haben Sie Tipps für Eltern, deren Kinder jetzt nicht in die Schule können?

Wir müssen versuchen, so gut es geht damit zurechtzukommen. Ich mache frühmorgens allein Yoga. Da habe ich etwas Zeit für mich selbst und kann mich sammeln. Ich finde es wichtig, sich möglichst an einen Zeitplan zu halten, aber auch die Ruhe zu bewahren, wenn das nicht klappt. Und immer positiv zu bleiben – das Lächeln nicht verlieren, egal was ist. Außerdem rate ich, Ausschau zu halten, welche Möglichkeiten es gibt. Meine Kinder lernen beispielsweise auf Französisch, und wir haben jetzt herausgefunden, dass das öffentliche Fernsehen in Frankreich ein sehr schönes Programm für Kinder im ersten Schuljahr anbietet. Meine Tochter schaut das. Da unterrichten Lehrkräfte an einer Tafel, das hilft ihr. Es ist eine Ergänzung zu dem, was sie mit uns macht, und den Materialien, die sie von ihrer Schule bekommt.

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