Schwerpunkt: Rückkehr der Flussperlmuschel durch eine bessere Abwasserreinigung 

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Die EIB vergibt 4,5 Millionen Euro an die Société Publique de Gestion de l’Eau (SPGE), das Wasserwirtschaftsunternehmen der belgischen Region Wallonie. Die Mittel sind für Projekte bestimmt, die Flusseinzugsgebiete wieder zu intakten Habitaten machen und so die Biodiversität fördern

Erstmals profitiert damit Belgien von der sogenannten Fazilität für Naturkapital, einer gemeinsamen Initiative der EIB und der Europäischen Kommission

Teil eines Finanzierungsvertrags über 150 Millionen Euro, den die EIB im Frühjahr 2020 mit der SPGE unterzeichnet hat, um deren Programm zur umweltfreundlichen Modernisierung der Abwassersammlungs- und ‑behandlungsanlagen zu unterstützen

Die EIB und die SPGE vereinbaren ein Darlehen über 4,5 Millionen Euro für eine Reihe von Projekten in der wallonischen Region. Ziel ist es, die Biodiversität zu verbessern und die Ökosysteme wiederherzustellen und/oder zu erhalten. Das Darlehen wird der SPGE insbesondere helfen, gemeinsam mit weiteren Akteuren vor Ort (Behörden der Region Wallonie – Natura 2000 usw.) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Flussperlmuschel wieder in den Flüssen und Bächen der Wallonie ansiedeln kann.

Eine erste Serie von Projekten sieht naturbasierte Lösungen für die Abwasserreinigung vor. Ziel ist es, einen sehr guten Zustand der Gewässer zu erreichen und die Rückkehr der Perlmuschel und der Bachmuschel sowie ihrer Wirte, verschiedene Fischarten, zu fördern. Beide Natura 2000-Arten sind derzeit aufgrund der schlechten Wasserqualität bestimmter Flüsse bedroht oder nahezu ausgestorben. Die schlechte Qualität der Fließgewässer ist auf die Einleitung ungeklärter häuslicher Abwässer und den übermäßigen Einsatz von Düngemitteln zurückzuführen (siehe Hinweis am Ende der Seite). Durch Investitionen zur Wiederherstellung ihres Lebensraums und eine bessere Abwasserbewirtschaftung in den vergangenen 20 Jahren soll eine allmähliche Rückkehr dieser empfindlichen Arten erreicht werden.

Eine zweite Serie von Projekten soll die Flusseinzugsgebiete unterhalb der Kläranlagen und somit die Wasserqualität der Flüsse und der entsprechenden Ökosysteme schützen. Es handelt sich dabei um Maßnahmen wie den Schutz der Wasserfassung, um den schädlichen Nitrateintrag zu verringern, ein ökologisches Weidemanagement, die Anlage von besonders artenreichen Wiesen und die Ausdehnung der Uferbereiche durch die Einrichtung natürlicher Becken und Teiche, damit die Flüsse weniger oft über die Ufer treten.

Mit diesen Projekten ihres Investitionsprogramms, das auch von der EIB unterstützt wird, macht die SPGE mehr als nur das, wozu sie gesetzlich verpflichtet ist. Mit ihrem diversifizierten Maßnahmenpaket verbessert die SPGE die Wasserqualität und sorgt für eine intaktere Umwelt in der Wallonie. Der Schutz der lebenswichtigen Ressource Wasser ist essenziell für die Zukunft unseres Planeten.

Dieses auf Biodiversität ausgerichtete Programm erhält somit eine EU-Garantie aus der Fazilität für Naturkapital, einer gemeinsamen Initiative der EIB und der Europäischen Kommission für Projekte, die durch maßgeschneiderte Darlehen und Investitionen dem Naturschutz, der Biodiversität und der Anpassung an den Klimawandel dienen.

Kris Peeters, EIB-Vizepräsident der die Benelux-Länder: „Die SPGE ist das erste Unternehmen in Belgien, das aus der Fazilität für Naturkapital gefördert wird. Ihre Projekte zur Verbesserung der Wasserqualität von Fließgewässern, der Biodiversität und der miteinander und mit der Infrastruktur verflochtenen Ökosysteme sind vorbildlich und vielversprechend. Als Klimabank der EU unterstützen wir innovative sowie klima- und umweltfreundliche Investitionen und setzen uns massiv für ein nachhaltiges Wachstum ein. Dies muss mit einer intelligenten Bewirtschaftung des Naturkapitals einhergehen, da es mit Blick auf die biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme entscheidend für unseren Planeten und seine Bewohner ist.“

Jean-Luc Martin, Vorstandsvorsitzender der SPGE: „Wir finanzieren und koordinieren den Wassersektor in der Wallonie seit mehr als 20 Jahren. Jeden Tag gewährleisten wir die Reinigung der Abwässer in der gesamten Region, indem wir die entsprechende Infrastruktur instand halten und erneuern. In zahlreichen Bereichen sind wir innovativ, wie etwa bei Studien zur Behandlung von Mikroplastik oder bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Wir stehen vor radikalen Veränderungen. Unser Engagement für sauberes Wasser, eine der wichtigsten Ressourcen der Erde, hat oberste Priorität. Angesichts des Klimawandels ist diese Herausforderung enorm. Deswegen müssen wir beim Schutz von Natur und Wasser zusammenarbeiten.“

Das Darlehen der EIB folgt auf eine Finanzierung vom März 2020 mit der SPGE über 150 Millionen Euro für die Modernisierung ihrer Abwassersammlungs‑ und ‑behandlungsanlagen. Die EIB und die wallonische Betreibergesellschaft arbeiten bereits seit 2004 erfolgreich zusammen und hatten von Beginn an den Umweltschutz im Blick. Gestützt wurde die vertrauensvolle Kooperation von EIB und SPGE bei der neuerlichen Finanzierung aus der Fazilität für Naturkapital. 

Weitere Informationen

Die Flussperlmuschel und die Bachmuschel

Die Flussperlmuschel ist in den meisten Flüssen Europas beheimatet. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist ihr Bestand jedoch im Zuge des weltweiten Rückgangs der Artenvielfalt und des Lebens in Süßwasser um mehr als 90 Prozent zurückgegangen.

Das geheime Leben der Flussperlmuschel mutet fast wie eine Science-Fiction-Geschichte an, was für Wissenschaftler schon einiges heißen will. Die Muschel hat einen außergewöhnlichen Lebenszyklus. Das befruchtete Weibchen scheidet bis zu zehn Millionen mikroskopisch kleine Larven in das Fließwasser aus. Aufgrund der schieren Anzahl können sich einige von ihnen in den Kiemen von nur wenigen Fischarten, darunter der Bachforelle, einnisten. Dort verbringen sie neun Monate, bevor sich die winzigen Jungmuscheln ins Flussbett fallen lassen und sich dort für fünf Jahre eingraben.

Die Bachmuschel ist unter verschiedenen Namen bekannt: gemeine Flussmuschel, kleine Flussmuschel – und eben auch Bachmuschel. Sie ist wesentlich kleiner als die Flussperlmuschel und hat auch eine deutlich geringere Lebenserwartung, rund 20 bis 30 Jahre (ein Jahrhundert bei der Flussperlmuschel). Sie ist noch schwerer zu sehen als die Flussperlmuschel, weil sie sich tief in das sandige Bett der Bäche eingräbt, in denen sie lebt. Nur ihre zwei Siphonen sind erkennbar, mit denen sie atmet und Altwasser ablädt (sie ernährt sich durch Filtration).

Beide Spezies dienen sowohl als Bioindikatoren als auch als Schirmarten für den Gewässer- und Artenschutz, weswegen ihre Wiederansiedelung der gesamten Flora und Fauna der Wasserläufe zugutekommt und wesentlich zur natürlichen Reinigung der Wasserressourcen beiträgt. 

Die aus der Fazilität für Naturkapital (Natural Capital Financing Facility – NCFF) finanzierten Projekte dienen im aktuellen Fall dazu, kostengünstige naturbasierte Lösungen zur Reinigung häuslicher Abwässer und der durch das Ausbringen von Düngemitteln verschmutzten Gewässer umzusetzen. So soll in den Flüssen die Wasserqualität erreicht werden, die die Flussperlmuschel und ihre Wirtsart, die Bachforelle, sowie die Bachmuschel für ihre Entwicklung brauchen.

Weitere Informationen enthalten die Merkblätter über die Arten und Lebensräume der Natura 2000-Schutzgebiete der Region Wallonie (Natura 2000-Code: 1029 und 1032).

Hintergrundinformationen

Die Fazilität für Naturkapital

Die Fazilität für Naturkapital (Natural Capital Financing Facility – NCFF) bündelt Mittel der EIB und der Europäischen Kommission im Rahmen von LIFE, dem EU-Finanzierungsinstrument für Umwelt und Klimaschutz.

Die NCFF ist ein mit 125 Millionen Euro ausgestattetes Finanzierungsinstrument, das ins Leben gerufen wurde, um naturbasierte Projekte zur Förderung der Biodiversität und/oder Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Daraus werden Darlehen und Kapitalbeteiligungen der EIB bereitgestellt; außerdem sollen zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 400 Millionen Euro mobilisiert werden. Die NCFF wird aus eigenen Mitteln der EIB finanziert. Daneben kommen ihr eine Garantie in Höhe von 50 Millionen Euro und technische Hilfe von 10 Millionen Euro aus LIFE zugute. Weitere Informationen auf der Website der EIB: Die Fazilität für Naturkapital (NCFF)

Die Société Publique de Gestion de l’Eau

Die Société Publique de Gestion de l’Eau (SPGE), Wasserwirtschaftsunternehmen der belgischen Region Wallonie, koordiniert und finanziert den Wassersektor in der Wallonie, um die öffentliche Gesundheit zu erhalten, die Wasserressourcen und Gewässer wiederherzustellen und gegen Verschmutzungen zu schützen.

Leitfaden: In die Natur investieren – Naturschutz und naturnahe Lösungen