Den Anblick von Windrädern und Solarmodulen sind wir längst gewöhnt. Aber es gibt noch eine Ökostromquelle, die bisher kaum genutzt wird: Meereswellen. Vor Portugals Küste nutzt das finnische Start-up-Unternehmen AW Energy Wellen für die Stromerzeugung.
Für den finnischen Berufstaucher Rauno Koivusaari war es ein Aha-Erlebnis. 1993 tauchte er vor der Halbinsel Porkkala im Finnischen Meerbusen zu einem Wrack. Da wurde ihm klar, dass die Kraft der Wellen zur Stromerzeugung taugt. Inzwischen hat Koivusaaris Unternehmen AW-Energy den ersten kommerziellen „WaveRoller“ gebaut und das Wellenkraftwerk als Demonstrationsanlage zwei Jahre lang vor der Küste von Peniche (Portugal) erfolgreich getestet. „Es hat lange gedauert, bis wir da waren, wo wir jetzt sind“, erklärt er. „Aber ich bin froh, dass ich die Idee weiterverfolgt habe.“
Der „WaveRoller“ wird in Küstennähe in einer Wassertiefe von 12 bis 14 Metern installiert. Dort sind die Wellen optimal und die Anlage ist vor starken Stürmen geschützt. AW-Energy schätzt, dass ein einziger 350-kW-WaveRoller den Strombedarf von 440 Haushalten in Peniche decken könnte. Inzwischen sind Wellenkraft-Projekte an geeigneten Standorten in Küstennähe in Portugal, Frankreich, Irland und Chile angelaufen, und AW-Energy will in den nächsten vier Jahren mehr als 50 WaveRoller verkaufen. Die Europäische Investitionsbank vergab im Juli ein Darlehen von zehn Millionen Euro, um die Markteinführung der neuen Technologie zu beschleunigen.
Eine unerschlossene Ökostromquelle
Der WaveRoller besteht aus einer 18x10 Meter großen Stahlplatte, die am Meeresboden verankert wird. Die Strömung bewegt diese Platte hin- und her, und in einem angeschlossenen Hydraulikmotor entsteht ein starkes Drehmoment. Der dahinter geschaltete Generator erzeugt daraus elektrische Energie. Dieser Strom wird über ein Seekabel und ein Umspannwerk in das Festlandnetz eingespeist.
Das Potenzial von Meereswellen ist schon lange bekannt, doch die raue See hat die Entwicklung dieser Branche stark gebremst. Die dafür notwendige Technik ist teuer und störanfällig. Das schreckt Investoren ab. „Bis die EIB ins Spiel kam, wollte uns keine Bank Geld geben“, so Mikael Martikainen, der bei AW-Energy für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. „Windkraft und Solarenergie haben gegenüber der Wellenenergiebranche einen Vorsprung von etwa 10 bis 20 Jahren.“
Nach Ansicht von Experten ist die Meereswellenenergie weltweit die größte noch unerschlossene Ökoenergiequelle. Mit solchen Unterwasseranlagen könnte insgesamt mehr Strom erzeugt werden als in allen fossil betriebenen Kraftwerken Europas. „Berechnungen zufolge könnte man mit Meereswellenenergie mindestens ein Zehntel des weltweiten Energiebedarfs decken“, erklärt Martikainen. Da Meereswellen vorhersehbar sind, wären sie eine wertvolle Ergänzung zu anderen Ökostromquellen.
Eine umweltfreundliche und kostengünstige Lösung
Die WaveRoller-Demonstrationsanlage wurde in einem Schutzgebiet errichtet. Nach Ansicht von AW-Energy beweist das, dass diese Technik nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt hat. Der WaveRoller erzeugt keine Emissionen und da er unter Wasser installiert wird, beeinträchtigt er auch kaum das Landschaftsbild. Zudem hat AW-Energy die Sedimentbewegung und den Lärmpegel untersucht, den die Anlage unter Wasser verursacht. „Die Stahlplatte bewegt sich mit dem Wasser und ist daher für Tiere keine Gefahr“, so Martikainen. „Im Gegenteil: In Portugal wurde beobachtet, dass die Anlage eine Art künstliches Riff bildet, das Fische und andere Meereslebewesen anzieht.“
Zertifizierung als wichtiger Meilenstein
Nachdem sich der WaveRoller auch bei mehr als acht Meter hohen Wellen bewährt hat, erhielt er von der Prüfungs- und Zertifizierungsorganisation Lloyd’s Register das erste Technologiezertifikat im Bereich Meeresenergie. „Durch diese Zertifizierung wird es einfacher und auch finanziell leichter, die Projekte zu versichern“, sagt Martikainen. „Wer eine Versicherung hat und eine gute Erfolgsbilanz vorweisen kann, bekommt auch bei Banken Kredite.“
Aus Kostensicht ist die Wartung des WaveRoller relativ einfach. Die Wellenkraftanlagen sind mit großen Ballasttanks ausgestattet. Sie werden erst mit Luft gefüllt, damit die Anlagen schwimmend zu ihrem künftigen Standort gebracht werden können. Zum Absenken werden die Tanks geflutet. Im Betriebszustand bleiben die Anlagen auf dem Meeresboden. Müssen sie zur Wartung an die Wasseroberfläche, werden die Ballasttanks geleert. Für die Wartung sind also keine komplexen, kostenaufwendigen und eventuell gar gefährlichen Tauchoperationen notwendig. Den Taucher, der die Anlage entwickelt hat, freut das ganz besonders.