Covid-19 hat die Städte schwer getroffen. Aber der Bürgermeister von Lima sieht in der Pandemie auch eine Chance für eine neue urbane Zukunft.

Von Jorge Muñoz Wells, Bürgermeister von Lima, Peru

Ein aggressives Virus hat unser Leben verändert. Nehmen wir das zum Anlass für ein Umdenken! Sehen wir das Positive in der „neuen Koexistenz“ – so nennen wir die aktuelle Phase in Peru –, zu der uns die Pandemie noch einige Zeit zwingen wird.

Wir stehen vor beispiellosen, ernsten Problemen und vor großen Aufgaben. Menschen, Unternehmen, die öffentliche Verwaltung und die Gesellschaft allgemein müssen sich ständig auf neue Szenarien einstellen, die vor fünf Monaten noch unvorstellbar waren.

Nach Schätzungen der Weltbank wird die Weltwirtschaft im Jahr 2020 um 5,2 Prozent schrumpfen  – trotz des gewaltigen finanziellen Kraftakts der Regierungen. In Städten werden 80 Prozent des weltweiten BIP erwirtschaftet. Sie trifft es also am schlimmsten.

Nicht weniger wichtig in dieser neuen Koexistenz mit dem Virus ist die Qualität der Luft, die wir atmen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind über 80 Prozent der in städtischen Gebieten lebenden Menschen einer schädlichen Luftverschmutzung ausgesetzt. Damit haben sie mutmaßlich ein höheres Risiko, dass sie bei einer Covid-19-Ansteckung schwer erkranken oder sterben.

Städte der Zukunft

In den langen Monaten der Ausgangsbeschränkungen haben wir saubere Luft geatmet. Wir haben Meerestiere und Vögel an der Küste von Lima gesehen, deren Anblick wir schon nicht mehr gewohnt waren. Die Pandemie bietet uns trotz aller Widrigkeiten auch die Chance, uns neue Gedanken über die Städte der Zukunft zu machen.

Wir haben gelernt, wie wir in Zukunft auf Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit reagieren und die Menschen in unseren Städten vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels schützen können. Aus diesem Blickwinkel verstehen wir auch besser, vor welchen Aufgaben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister überall auf der Welt stehen und wie sich unsere Prioritäten im globalen Norden und im globalen Süden unterscheiden.

Führende Wirtschaftsfachleute sind sich einig: Ein kohlenstoffarmer und nachhaltiger Wiederaufbau tut nicht nur dem Klima gut, sondern stärkt auch die Krisenfestigkeit und ist das Beste für die Wirtschaft. Deshalb müssen wir uns jetzt den gigantischen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie entgegenstemmen. Wir müssen verhindern, dass sie die Gesundheit von Familien und Gemeinschaften noch auf Jahre hinaus belasten.

Grüner Wiederaufbau in Städten

 

Durch ein ganzheitliches Handeln in der Klimakrise können Städte jeder Größe es schaffen, eine wirtschaftliche Erholung in ihrem Land anzustoßen. Die nationalen Regierungen müssen in neuen Investitionszeiträumen denken und einen grünen Wiederaufbau in Gang bringen.

In Europa beispielsweise haben viele Städte mehr Platz für Aktivitäten im Freien geschaffen. Das hat den Verkehr und die Luftverschmutzung reduziert. Neue Fahrradspuren auf Straßen ermöglichen ein entspanntes und sicheres Radfahren.

In Peru hat die Pandemie Mängel und Ungleichheiten offengelegt, die es schon seit Jahren oder Jahrzehnten gibt. Sie hat auch strukturelle Probleme aufgedeckt, die endlich angegangen werden müssen, sobald wir das Schlimmste hinter uns gebracht haben.

Dazu gehört der informelle Sektor in all seinen Erscheinungsformen – eines der sichtbarsten Probleme in vielen Gesellschaften. 70 Prozent der Menschen arbeiten in informellen Jobs. Das hat sich in der Pandemie schwer gerächt: Beispielsweise fielen viele Menschen durch das Netz der staatlichen Finanzhilfen.

In der peruanischen Hauptstadt Lima leben etwa zehn Millionen Menschen. Das sind ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes. Wie in anderen Regionen Perus wurden auch in Lima für mehr als vier Monate Ausgangsbeschränkungen verhängt. Im Mai beschloss die Regierung einen Plan, um die Wirtschaft in vier Phasen wieder zu öffnen und in Gang zu bringen. Derzeit befinden wir uns in der vorletzten. Gleichzeitig kämpfen wir weiter gegen das Virus, denn die Pandemie ist noch nicht überwunden.

Auch Lima hat sich nach der Ausrufung des nationalen Notstands an diesem Kampf beteiligt. Wir haben die städtische Grundversorgung garantiert – Nahverkehr, Sicherheit, Müllabfuhr, Reinigung, Desinfektion und Kontrolle – und Seite an Seite mit der nationalen Regierung die Menschen vor dem Risiko einer Ansteckung geschützt. Wir sind an unseren Aufgaben gewachsen und haben sie bislang gut gemeistert.

Eine grüne Vision für Lima

Am grünen Wiederaufbau von Lima sollen auch die schwächsten Gruppen der Gesellschaft teilhaben. Wir wollen eine grüne, florierende und gerechte Stadt – für alle. Was sich die kommunale Verwaltung unter einer nachhaltigen Infrastruktur vorstellt, zeigen etwa die Pläne für 46 Kilometer neue Radwege, auch um die Ausbreitung des Virus zu bremsen.

Fortschritte gibt es bei unserem Ziel, bis 2022 zwei Millionen Bäume zu pflanzen. Mehr Grün für unsere Umwelt und für die Gesundheit unserer Bevölkerung – das haben wir gerade jetzt dringend nötig.

Lima gehört zu den über 10 000 Städten weltweit, die sich im Konvent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zusammengeschlossen haben. Wir stehen bereit, die Wirtschaftskrise und die Klimakrise gemeinsam mit nationalen Regierungen und internationalen Institutionen zu lösen: durch lokale Klimaverpflichtungen, innovative Finanzierungsmodelle und den Fokus auf nachhaltige Infrastruktur. 

Dies ist eine große Chance, Wirtschaftswachstum durch nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Wir wollen die Investitionslücke schließen und klimaintelligente Infrastrukturprojekte finanzieren, die nicht nur gut für das Klima sind, sondern unsere Städte auch krisenfester, lebenswerter und gesünder machen – jetzt und in den kommenden Jahren.

Wir stecken mitten im Kampf gegen die Pandemie. Das hindert uns aber nicht daran, den Blick in die Zukunft zu richten, mit neuer Kraft und fest entschlossen, unsere ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Dieser Beitrag wurde erstmals im Blog der Weltbank in einer Reihe über intelligente Stadtentwicklung veröffentlicht.