Von München bis Monopoli: Innovative Finanzierungen ermöglichen geringere Emissionen, kürzere Pendlerzeiten und High-Tech-Wartung in Deutschland und Italien

Wie zwei Drittel aller Pendlerinnen und Pendler in Bayern fährt Christine oft mit der Münchner S-Bahn. Die Fahrt von ihrem Wohnort Pasing bis zum nur zehn Kilometer entfernten Marienplatz im Stadtzentrum verläuft jedoch nicht immer nach Plan. „Die Züge sind überfüllt und oft verspätet“, sagt sie. „Normalerweise braucht die Bahn nur 20 bis 25 Minuten, aber manchmal auch eine Stunde.“

Und so geht es nicht nur Christine. Deutschlandweit kam 2022 fast jeder dritte Bahnreisende mit mehr als 15 Minuten Verspätung am Ziel an. Die Münchner S-Bahn ist besonders anfällig für Verspätungen. Denn jede Bahn, die in die Stadt einfährt oder sie verlässt, muss die bislang einzige Stammstrecke passieren, eine der verkehrsreichsten in Europa. Dadurch kommt es oft zu Engstellen und Verzögerungen. Eine zweite Stammstrecke ist bereits im Bau. Bis sie fertig ist, wird es aber noch ein paar Jahre dauern. Solange versprechen die kürzlich bestellten Züge der neuen Generation schnelle Verbesserungen.

Die neuen 200-Meter-Züge in InterCity-Länge werden die längsten Regionalzüge Deutschlands sein. Für ihre Finanzierung stellen die Europäische Investitionsbank und die UniCredit zwei Milliarden Euro über ein innovatives Leasing-Konstrukt bereit, das der Freistaat Bayern garantiert. Geliefert werden die hochenergieeffizienten 90 Elektrozüge von Siemens Mobility. Sie verfügen über extrabreite Türen für einen einfachen und schnellen Ein- und Ausstieg sowie außen über ein leuchtendes LED-Informationsband in Zuglänge. Displays informieren die Fahrgäste über die Auslastung jedes Waggons und das Platzangebot im Zug. Die innovativen Züge wurden speziell für den Münchner Personennahverkehr entwickelt.

„Wir hoffen, dass diese komfortableren und zuverlässigeren Züge die Pendlerinnen und Pendler davon überzeugen, ihre Autos stehen zu lassen und den Zug zu nehmen“, sagt Alexander Gerum, Projektmanager bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die den bayerischen Personennahverkehr plant, finanziert und steuert.

Das Projekt in Bayern ist Teil der Bemühungen der deutschen Bundesregierung, mit einem effizienteren und CO2-ärmeren Schienennetz mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Im September 2023 kündigte die Bundesregierung an, bis 2027 bis zu 40 Milliarden Euro in die Modernisierung des Schienenverkehrs zu stecken.

Innovative Finanzierungslösungen für Italiens Bahnnetz

Auch andere Länder in Europa betrachten den Schienenverkehr als wichtige Säule der Abkehr von fossiler Energie.

Im März 2023 unterzeichnete die Europäische Investitionsbank ein innovatives Finanzierungspaket über 3,4 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bahnstrecke Palermo–Catania in Sizilien; sie soll die aktuelle Fahrzeit zwischen den beiden Städten um ein Drittel verkürzen.

Das Besondere daran ist eine „50-prozentige Rückgarantie“ von 1,3 Milliarden Euro, die durch das InvestEU-Programm besichert ist. Damit werden die sogenannten Anzahlungs- und Erfüllungsgarantien besichert, die Auftragnehmer von Banken benötigen, um die Projektträger gegen einen Ausfall abzusichern.

„Unternehmen, die den Zuschlag für große Infrastrukturaufträge wie diesen erhalten, müssen den öffentlichen Auftraggebern in der Regel Anzahlungs- und Erfüllungsgarantien vorlegen“, erklärt Giovanni Inglisa, Kreditreferent bei der Europäischen Investitionsbank. „Das Problem: Es gibt nur relativ wenige Unternehmen, die solche Aufträge überhaupt gewinnen können. Deshalb sind die meisten Banken gegenüber diesen Firmen bereits sehr exponiert und können nicht noch weitere Beträge garantieren. Indem wir den Banken eine Rückgarantie anbieten, teilen wir das Risiko, und die Banken können wieder neue Garantien stellen.“

„Es ist das erste Mal, dass wir Rückgarantien dieser Art übernommen haben. Wir wollen das nun auch bei anderen Projekten und in anderen Ländern tun“, betont Inglisa.

Die innovative Finanzierungslösung wurde gemeinsam mit der staatlichen italienischen Eisenbahnholding Ferrovie dello Stato Italiane entwickelt. Durch die Rückgarantie können andere Finanzinstitute weitere Garantien von insgesamt 2,6 Milliarden Euro stellen.

Zusammen mit dem EIB-Kredit von 800 Millionen Euro an das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium stehen somit insgesamt 3,4 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bahnstrecke Palermo–Catania bereit.



Digitalisierung der italienischen Zugtechnik

Die EIB finanziert aber nicht nur neue Züge und modernere Schienennetze, um den Bahnsektor und die EU-Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität voranzubringen, die bis 2050 den Schienengüterverkehr verdoppeln und den Hochgeschwindigkeits-Bahnverkehr verdreifachen will. Zwischen 2012 und 2022 stellte die EU-Bank weltweit Kredite von 43,8 Milliarden Euro für den Eisenbahnsektor zur Verfügung, den Großteil in der EU. Während die größten Kredite eher in Infrastruktur und neues Rollmaterial fließen, fördert die Bank auch Forschung und Entwicklung, die für die Digitalisierung und Dekarbonisierung des Sektors enorm wichtig sind.

Im September 2023 unterzeichnete die EIB einen Kredit über 20 Millionen Euro für die Forschung und Entwicklung von MERMEC (weitere 10 Millionen Euro sind genehmigt und werden in den kommenden Monaten unterzeichnet). Das italienische Unternehmen ist auf Spitzentechnologie im Schienenverkehr (Signaltechnik, Messfahrzeuge und -systeme, elektrische Traktion und Telekommunikation), städtische Elektromobilität und industrielle Anwendungen spezialisiert.

„Die Digitalisierung des Eisenbahnsektors ist unerlässlich für mehr Effizienz und Sicherheit“, sagt Matteo Fusari, Ingenieur bei der Europäischen Investitionsbank. „Dabei geht es nicht nur darum, Daten über Fernsensoren zu erfassen. Es bedeutet, die Daten schnell zu verarbeiten und Erkenntnisse zu gewinnen, die sofort umgesetzt werden können.

Eine der vielversprechendsten Technologien von MERMEC ist ein Inspektionswagen, der bei hoher Geschwindigkeit defekte Schienenabschnitte lokalisiert und meldet. Sie nutzt eine Kombination aus visuellen und Magnetresonanz-Bildgebungsverfahren. Die Daten werden im Waggon aufgezeichnet und verarbeitet und an die Personen weitergeleitet, die das Schienennetz fernüberwachen.

Mit dem Kredit fördert die EIB die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens in Monopoli, einer weniger entwickelten Region Apuliens, die Mittel aus dem EU-Kohäsionsfonds erhält. Der Kredit sichert qualifizierte Arbeitsplätze im FuE-Bereich – jährlich etwa 280 Vollzeitstellen während der vierjährigen Projektlaufzeit. Zudem dürften durch die finanzierten Programme 400 neue Dauerarbeitsplätze entstehen.