KMU erlebten während der Coronakrise einen Nachfrage- und Angebotsschock, der sie angesichts ihrer Fixkosten in Bedrängnis bringt. Wie können sie überleben?

Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Aber bleibt das nun so? In unserer Reihe Ändert sich jetzt alles? wollen wir herausfinden, warum alle über die Folgen für kleine Unternehmen sprechen. Warum sind KMU besonders hart betroffen? Wie kann ihnen geholfen werden?

Wir haben dazu mit Anna Fusari, der Abteilungsleiterin der Europäischen Investitionsbank für Banken und Unternehmen im Adriaraum, gesprochen, um herauszufinden, was Covid-19 für kleine Unternehmen bedeutet. Der Grund, warum wir jemanden fragen, der Darlehen an Banken vergibt, ist einfach: Die Europäische Investitionsbank finanziert kleine Unternehmen über lokale Banken. Außerdem hat Anna Fusari an der Hilfe der EIB für von der Coronakrise betroffene KMU intensiv mitgearbeitet.


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Hat die Coronakrise für kleine Unternehmen alles verändert?

Die Antwort ist ganz einfach: Die Veränderungen für KMU waren plötzlich und dramatisch. Gerade sie sind von den Folgen der anhaltenden Pandemie in hohem Maße betroffen.

Zunächst einmal sind sie personalintensiver als andere Unternehmen und daher stärker von Ausfällen bedroht, vor allem, wenn die Mitarbeitenden – wie es in einigen Ländern der Fall ist – in Quarantäne müssen.

Daneben verfügen sie über geringere Liquiditätsreserven. Ihre finanziellen Alternativen sind begrenzt, da sie hauptsächlich auf die Unterstützung lokaler Banken angewiesen sind. Auch haben sie meist nur wenige Vermögenswerte, die sie veräußern oder als Sicherheit für neue Kredite verwendet könnten.

Deswegen sind sie anfälliger für sogenannte Liquiditätsengpässe.

Im EIB-Umfeld wissen alle, wie wichtig KMU sind, denn sie bilden im Wesentlichen das Rückgrat der europäischen Realwirtschaft. Die Zahlen sprechen für sich: KMU stellen etwa zwei Drittel aller Arbeitsplätze und tragen mehr als 55 Prozent zur gesamten Wertschöpfung der nicht finanziellen gewerblichen Wirtschaft bei. Wenn also die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft abgemildert, Arbeitsplätze erhalten und die Voraussetzungen für künftiges Wachstum nach der Pandemie geschaffen werden sollen, dann geht das in erster Linie durch Unterstützung für KMU.

Sie haben von „Liquiditätsengpass“ gesprochen? Können Sie erklären, was Sie darunter verstehen?

Ganz einfach: Wenn Unternehmen nicht produzieren, können sie ihre Produkte auch nicht verkaufen. Aber die Fixkosten laufen weiter, denn Mieten, Gehälter, Steuern und Lieferanten müssen bezahlt werden.

Wenn Nachfrage und Angebot gleichzeitig betroffen sind, werden KMU nur schwer mit der Krise fertig.

Das Problem ist also nicht nur, dass Mitarbeitende nicht zur Arbeit kommen und keine Produkte oder Leistungen produzieren. Auch Faktoren wie die Nachfrageseite beeinträchtigen das Geschäft?

Das stimmt. Die Schutzmaßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, bremsen die Nachfrage. Die am stärksten von den Maßnahmen betroffenen Sektoren (Tourismus, Verkehr, Automobilindustrie, u. a.) spüren das am deutlichsten.

Welche Hilfe brauchen KMU in dieser sehr ungewöhnlichen Situation?

Zunächst einmal brauchen sie die Unterstützung jetzt sofort. Die beste und einfachste Hilfe ist eine sofortige Entlastung, damit sie liquide bleiben. Das kann beispielsweise durch Kreditstundungen oder längere tilgungsfreie Zeiträume für Kapitalrückzahlungen geschehen. Gleichzeitig müssen sie unbedingt leichter an finanzielle Unterstützung kommen. Denkbar wären hier etwa zusätzliche Betriebsmittelkredite oder Liquidität durch Forderungsankauf sowie Überziehungskredite.

Die kleinen Unternehmen brauchen also Bankkredite, und das ausgerechnet jetzt, wo sie aus Sicht der Banken als nicht sehr gesund gelten, weil sie nicht an der Kapazitätsgrenze produzieren und die Nachfrage nach ihren Produkten gering ist? Das heißt, sie kommen für einen normalen Unternehmenskredit eigentlich nicht infrage?

Das ist richtig. Die Kreditkennzahlen der KMU werden sich in der Tat verschlechtern, also Rentabilität, Umsatzentwicklung und Liquiditätspuffer – allesamt wichtige Kennzahlen für eine normale Kreditrisikobewertung.

Da nur schwer abzuschätzen ist, ob es sich um einen vorübergehenden symmetrischen Schock handelt und wann sich die Lage wieder erholt, ist es sehr wichtig, dass die Banken weiter Kredite vergeben und Finanzierungshilfen bereitstellen. Andernfalls würden wir eine Art Abwärtsspirale erleben mit zunehmenden Zahlungsausfällen.

Um das zu verhindern, haben mehrere EU-Länder Ad-hoc-Maßnahmen eingeführt, etwa Stundungen für bestehende Kredite und öffentliche Garantien, um Banken Anreize zur Unterstützung von KMU zu bieten.

Wie kann die Europäische Investitionsbank zusätzlich zu den Maßnahmen der Mitgliedstaaten diesen Unternehmen helfen?

Wir müssen uns auf Maßnahmen konzentrieren, die rasch im Rahmen der bestehenden Instrumente umgesetzt werden können. So können wir sofort reagieren. Parallel dazu sollten wir weitere Initiativen entwickeln, wie etwa Risikoteilungsinstrumente mit Geschäftsbanken.

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