Städte brauchen Infrastruktur, Investoren langfristig stabile Renditen. Intelligente Stadttechnologie macht beides möglich.

Von Jonathan Woetzel und Dr. Shannon Bouton

Über die Hälfte der Weltbevölkerung wohnt in Städten. Bis 2050 sollen weitere 2,5 Milliarden Menschen dazukommen. Die Umweltbelastung und der Bedarf an Infrastruktur wachsen mit – und die Bewohner wollen mehr Lebensqualität, die sie auch bezahlen können.

Die größte Herausforderung ist natürlich der Klimawandel. Gerade in den Städten wird am dramatischsten um Lösungen gerungen, verbrauchen sie doch mehr als zwei Drittel der gesamten Energie weltweit und erzeugen rund 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen.

Die Corona-Pandemie hat viele andere Prioritäten in den Hintergrund gedrängt und große Löcher in die Staatssäckel gerissen. Umso wichtiger ist privates Kapital, um mehr widerstandsfähige Infrastruktur zu bauen und Städte nachhaltiger zu machen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Verbesserungen am Markt für private Investitionen in die Infrastruktur und die „intelligente Stadt“ als Ökosystem, in dem sich auch private Akteure entfalten können.

Mehr private Investitionen in öffentliche Anlagen

Wenn der Staat Infrastruktur benötigt, zwingen ihn klamme Kassen oft, im Privatsektor nach effizienten Lösungen zu suchen. Institutionelle Investoren halten verzweifelt Ausschau nach langfristig stabilen, inflationsgeschützten Renditen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können. Eigentlich sind beide wie füreinander geschaffen.

Im wirklichen Leben will der Funke aber nicht so richtig überspringen. Die Kapitalmärkte für Infrastrukturanlagen sind nach wie vor komplex, nicht standardisiert und nicht liquid. Ein besonders großer Stolperstein ist offenbar, dass eine robuste und transparente Pipeline gut vorbereiteter bankfähiger Projekte fehlt. Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, die nicht über unbegrenzte Ressourcen, Zeit und Know-how verfügen, tun sich schwer mit der Projektbeurteilung. Wenn für jedes Projekt eine eigene Finanzierungsstruktur gestrickt werden muss, kostet das Zeit und treibt die Transaktionskosten in die Höhe.

Für Städte, die an mehreren Umweltfronten kämpfen, ist eine umfangreiche Pipeline geeigneter Projekte überlebenswichtig: Sie müssen den öffentlichen Verkehr ausbauen, auf saubere Energiequellen umstellen, Ufermauern und Frühwarnsysteme errichten und mehr beständigen und bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Investoren, die auf ein Projekt setzen, binden erhebliche Mittel. Im Gegenzug muss ihnen der Staat langfristige Transparenz bieten und zukünftige Projektpipelines veröffentlichen, damit sie wissen, worauf sie sich einstellen können. Vor Ort müssen Regelungen so ausgestaltet sein, dass streng geprüft wird und dass alle zu Gehör kommen, die sich beeinträchtigt fühlen – ohne aber das Verfahren verschleppen zu können.

Infrastrukturbauten sind oft von Anfang an zum Scheitern verurteilt: Die Herausforderungen sind zu komplex, die Planungszeiten zu lang, das Ergebnis zu ungewiss, kein Wunder, dass selbst dringender Bedarf nie gedeckt wird, eine großartige Idee nie zu einem tragfähigen Konzept führt. Venture-Fonds-Strukturen und Frühkonzept-Entwickler helfen Kommunen durch diese Durststrecke. Entwicklungsbanken stellen Mezzanine-Finanzierung als Erstverlustpuffer oder setzen andere Instrumente der Bonitätsverbesserung ein. Für Investoren lassen sich Transaktionskosten auch durch Bündelung von Projekten (etwa über Fonds, Indexbindung oder Verbriefungsvehikel) reduzieren.

Ohne entsprechende risikobereinigte Renditen stellen Investoren kein Kapital zur Verfügung – und das setzt Regulierungssicherheit und Handlungsspielraum voraus. Sie wollen genau wissen, wie CO2-Emissionen gesenkt werden sollen, wie hoch die Einspeisetarife sind und wann subventionierte Strom- und Wasserpreise in Schwellenländern durch Gutscheine oder andere Unterstützungsformen für arme Familien ersetzt werden. Ändern sich unerwartet Politik oder Regelungsrahmen, geht die grundlegende Machbarkeitsgleichung eines privaten Betreibers schnell nicht mehr auf.

Die „intelligente Stadt“ – ein Ökosystem, in dem privatwirtschaftliche Innovationen wachsen können

Die meisten Städte verfügen nicht über genug Mittel, Personal und Know-how, sie müssen aber auch nicht jede Dienstleistung und jede Infrastruktur anbieten. Viele Smart-City-Innovationen gehen auf gewinnbringende Initiativen privater Unternehmen zurück. So verlegen Telekommunikationsbetreiber das digitale Basisnetz, und Autohersteller bieten den Bürgern direkt Mobilitätslösungen an.

Es ist sinnvoll zu überprüfen, wo sich städtische Behörden zurückziehen und Platz für das Kapital und Know-how anderer Akteure lassen können, also Privatunternehmen, staatliche Versorgungsunternehmen, Universitäten, Stiftungen oder gemeinnützige Organisationen. Das Erdbeben-Frühwarnsystem der Stadt Mexiko zum Beispiel stammt von der gemeinnützigen Einrichtung CIRES Center, und die mobile Warn-App des Start-ups SkyAlert verdient Geld mit Werbung und Abonnements. Aus der Initiative Smart Nation in Singapur gehen viele Pilotprojekte hervor, die auf die Privatwirtschaft übertragen werden oder Nutzergebühren abwerfen sollen.

Private Innovationen senken Emissionen und machen die Umwelt lebenswerter: intelligente Mobilitätslösungen etwa, die den Privatwagen unattraktiver machen und Bummel- und Lieferverkehr reduzieren. Smarte Gebäudemanagement-Systeme, intelligente Zähler und dynamische Strompreise verringern den Energieverbrauch. Apps und Sensoren überwachen die Luftqualität in Echtzeit, drücken den Wasserverbrauch und minimieren Feststoffabfälle. Unsere Untersuchungen zeigen: Städte, die intelligente Lösungen einsetzen, können ihre Treibhausgasemissionen um durchschnittlich 10–15 Prozent verringern.

Für Smart-City-Innovationen privater Unternehmen könnte der Staat das richtige Regelungsumfeld schaffen, das die wichtigsten Akteure zusammenführt, Förderungen bietet oder Kaufentscheidungen positiv beeinflusst. Am Anfang von Innovationen externer Akteure stehen in der Regel quelloffene und leicht zugängliche staatliche Daten. Manche Städte gehen einen Schritt weiter und richten Konsortien, Partnerschaften und sogar physische Räume der Zusammenarbeit ein.

Viele der reichsten Großstädte der Welt gehen im Rennen um die intelligente Stadt von morgen mit handfestem Vorteil an den Start. Dagegen basteln Städte in Entwicklungsländern noch an ihrer digitalen Basisinfrastruktur. Gerade in dieser Situation sind intelligente Lösungen das beste Sprungbrett. Herkömmliche Infrastruktur ist dringend nötig, braucht aber oft Jahre. In der Zwischenzeit treiben intelligente Lösungen Innovationen voran, schließen Lücken und wirken unmittelbar. Technologie ist kein Schnickschnack, auf den Städte in Entwicklungsländern verzichten müssen, sie ist ein mächtiges Werkzeug, das Dienstleistungen aus dem Boden stampft und mit weniger mehr erreicht.

Jonathan Woetzel ist Direktor des McKinsey Global Institute und Senior Partner bei McKinsey & Company. Dr. Shannon Bouton ist Global Executive Director für nachhaltige Gemeinschaften bei McKinsey.org.

Dieser Beitrag wurde erstmals im Blog der Weltbank in einer Reihe über intelligente Stadtentwicklung veröffentlicht.