Die niederländische Firma Rocsys will mit Laderobotern die E-Mobilität attraktiver machen und setzt auf adaptierte Medizintechnik für mehr Tempo bei der grünen Wende

Jahrelang wunderte sich Crijn Bouman, warum Unternehmen so viel Zeit in Elektroautos stecken, den Ladevorgang aber vernachlässigen? Als passionierter E-Fahrer beschloss er, das zu ändern.

„Die Elektromobilität setzt sich immer mehr durch“, so Bouman. „Alle sollen jetzt auf erneuerbare Energie umstellen.“

Um neuartige Ladesysteme ins Spiel zu bringen, gründete Bouman 2019 zusammen mit zwei Robotikexperten die Firma Rocsys. Das Unternehmen im niederländischen Rijswijk entwickelt Geräte mit Roboterarmen, die das Ladekabel mit dem Fahrzeug verbinden. Dank ihrer Tastsensoren können die Roboter menschliche Bewegungen nachahmen. ROC-1, das Gerät der ersten Generation, wird bereits in Häfen, in der Logistik und im Flottenbetrieb eingesetzt.

Die Technologie könnte viele, die heute noch zögern, zum Abschied vom Verbrenner bewegen – Probleme beim Laden werden oft als Gründe genannt, die vom Wechsel abhalten. Rocsys will mit seinen Robotern das Laden so einfach und bequem machen, dass sich mehr Leute für E-Autos entscheiden. Für das Klima würde das viel bringen. Schließlich steigen die CO2-Emissionen im Verkehr weltweit, obwohl sie sinken müssten.

Deshalb erhielt Rocsys für die Weiterentwicklung seiner Technologie im Juli 2023 einen Kredit über 18 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank. Die Finanzierung fällt unter das Programm InvestEU, mit dem die Europäische Kommission Investitionen in Innovation, soziale Teilhabe und Beschäftigung fördert.



Medizintechnik als Vorbild 

Bouman war schon vor Rocsys als Unternehmer in Sachen Ladegeräte unterwegs: Ab 2005 entwickelte er mit seiner ersten Firma Epyon Schnelllader für E-Autos. Damals gab es weder genug Ladestationen noch branchenweite Standards. Da wollte er ansetzen, um die Elektromobilität voranzubringen. 

„Als ich mit Epyon an den Start ging, hieß es, E-Autos würden sich nicht durchsetzen“, erzählt er. „Niemand wolle sie kaufen.“

Aber Bouman war sich sicher: Die Leute würden ihre Meinung ändern, wenn die Technik besser würde. Rocsys, seine neue Firma, stand zunächst vor dem Problem, dass Roboter sehr teuer sind. Mit dem Erstprodukt ROC-1 fand er aber eine kostengünstige Lösung. Inspirieren ließ er sich dabei von tragbaren Robotern in der Medizin, den sogenannten Exoskeletten. Das sind motorgetriebene Geräte, die am menschlichen Körper befestigt werden und Bewegungen unterstützen.

>@Rocsys
© Rocsys

Tastsensoren helfen dem mechanischen Arm des ROC-1 bei der Navigation am Ladesystem und verhindern so Verletzungen durch Körperkontakt. So arbeitet das Gerät sicherer als herkömmliche Roboter, die oftmals starr sind, was gefährlich werden kann.

Neue Modelle bei Laderobotern in Sicht

Mit dem Kredit der Europäischen Investitionsbank entwickelt Rocsys nun eine neue Generation des ROC, kleiner und kostengünstiger im Betrieb.

Das Unternehmen sieht eine Nachfrage nach sicheren, leicht zu bedienenden und bezahlbaren Ladesystemen. Die neuen Modelle sollen 2026 bereitstehen. Dann will die Firma sie Autobauern, Ladefirmen und Betreibern autonomer Fahrzeuge anbieten. Läuft alles wie geplant, wird man sein Auto bald ohne auszusteigen an einer Station laden können.

Das System von Rocsys lässt sich auch in eine bestehende Ladeinfrastruktur integrieren.

„Ein großer Vorteil ist, dass die jetzigen Ladestationen zu automatisierten Systemen nachgerüstet werden können“, so Bouman. „Damit sind all die Milliarden, die schon investiert wurden, nicht für die Tonne. Wir können die Geräte fit machen für die nächsten 10 bis 15 Jahre, für Elektro- und autonome Fahrzeuge.“

>@Rocsys
© Rocsys

Entwicklung von Branchenstandards

Rocsys ist in Gesprächen mit europäischen Autoherstellern, um seine Produkte in der Breite verfügbar zu machen.

Außerdem arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit den Herstellern an Branchenstandards für Ladesysteme. Bislang gibt es nur wenige Normen und Standards dafür, und Rocsys will mit die Grundlagen schaffen, die das Laden von E-Fahrzeugen erleichtern.



Mit Europa in eine emissionsfreie Zukunft

Rocsys will Europa bei der Ladeinfrastruktur an die Spitze bringen. 

„Das wäre schon ein großes Risiko für Europa, wenn wir bei solchen technologischen Fortschritten nicht mit dabei sind“, sagt Bouman. „Dann könnten wir wirklich weit zurückfallen. Ich bin zuversichtlich für die Zukunft, aber ich hoffe, wir sind nicht zu spät dran.“

Im Moment liegt China gemessen an den E-Fahrzeugen auf der Straße weit vorne. Bouman sieht aber im Übergang zur Klimaneutralität eine Chance für Europa, in Schlüsselsektoren die Führung zu übernehmen.

„Für uns ist die EIB-Finanzierung ein wichtiges Gütesiegel“, sagt er. „Und es ist definitiv die Art von Investition, die uns die nötige Stabilität gibt, denn der Markt ist sehr dynamisch. Wir brauchen eine stabile Grundlage, damit wir innovativ sein können und nicht Getriebene des Marktes werden.“