Israelis, Palästinenser und Jordanier wollen ihre Wassernot lindern und das Tote Meer retten.

Alle zwei Wochen dürfen jordanische Familien den Wasserhahn aufdrehen und bis zu vier Kubikmeter Trinkwasser in die Tanks auf ihren Dächern pumpen. Leider ist das nur ein Drittel dessen, was sie benötigen.

„Darunter leiden die Menschen sehr“, erklärt Nabil Zoubi, der eine Frau und drei Kinder hat. „Dabei sind wir hier in Amman noch relativ gut dran, weil die Gegend wasserreicher ist als andere Landesteile.“

Jordanien gehört zu den trockensten Ländern der Erde und kann seine wachsende Bevölkerung und die 1,3 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land nicht ausreichend mit Wasser versorgen. Auch Israel und Palästina leiden unter einer Wassernot, die durch den Klimawandel noch verschärft wird. Ein Großteil des Wassers, das ins Tote Meer fließen sollte, wird auf dem Weg dorthin abgezweigt und verbraucht. So trocknet das Gewässer in der biblischen Landschaft immer mehr aus – und das schafft Umweltprobleme. Aber Zoubi ist Projektleiter eines ehrgeizigen Vorhabens, das nun Fahrt aufnimmt: Wasser aus dem Roten Meer soll den Mangel in der ganzen Region lindern und das Tote Meer wiederbeleben.

Und so soll es funktionieren:

Das salzigste Gewässer der Erde, das Tote Meer, grenzt an Jordanien, Israel und Palästina und liegt mehr als 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Jahr für Jahr sinkt sein Pegel um über einen Meter. Nur wenige hundert Kilometer südlich des Toten Meeres liegt das Rote Meer, ein Nebenmeer des Indischen Ozeans zwischen Afrika und Asien.


In der ersten Phase des Projekts wird Wasser aus dem Roten Meer entnommen. Ein Teil davon wird in einer Entsalzungsanlage in Trinkwasser umgewandelt. Die nach der Entsalzung übrig bleibende Sole und das restliche unbehandelte Meerwasser sollen in das Tote Meer fließen, um sein weiteres Austrocknen zu verhindern.

„Der Pegelrückgang des Toten Meeres wird um fast 30 Prozent reduziert“, meint Oded Fixler, im israelischen Ministerium für regionale Zusammenarbeit für den Wassersektor zuständig.

Zoubi ergänzt: „Jordanien beispielsweise wird dann an drei Tagen in der Woche fließendes Wasser haben – und nicht mehr nur acht Stunden alle zwei Wochen wie jetzt.“

Eine Vision wird Wirklichkeit

In der ersten Projektphase des sogenannten Zweimeereskanals werden 300 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Roten Meer abgeleitet. Rund 65 Millionen Kubikmeter fließen in eine neue Entsalzungsanlage in der Nähe von Akaba. „Die Anlage wird die erste ihrer Art in Jordanien und in der Region sein“, so Zoubi.

Die übrigen 235 Millionen Kubikmeter Sole und Meerwasser fließen in einer 180 Kilometer langen Leitung in das Tote Meer. Da das Tote Meer der niedrigste Punkt der Erde ist, kann das Wasser auf einem Gefälle von 600 Metern auch noch rund 32 Megawatt Strom pro Jahr erzeugen.

Ein so komplexes Vorhaben will gut geplant sein. „Deshalb beteiligen sich viele Einrichtungen und Experten an der Vorbereitung. Das Projekt muss technisch solide, ökologisch nachhaltig und für die Banken akzeptabel sein“, meint Harald Schölzel, Ingenieur bei der Europäischen Investitionsbank.

Die EIB hat für das Projekt technische Hilfe aus EU-Mitteln im Umfang von 1,7 Millionen Euro mobilisiert. Die französische Entwicklungsagentur für nachhaltige Entwicklung Agence Française de Développement (AFD) arbeitet mit der EIB zusammen, um den Erfolg des Projekts zu sichern.

Wasser verbindet

Die Idee zu einer Leitung vom Roten Meer zum Toten Meer stammt aus der Zeit des Friedensvertrags zwischen Israel und Jordanien von 1994. Aber erst 2013 beschlossen Israel, Jordanien und die Palästinenser in Washington den jetzigen Plan. Das Mammutprojekt umfasst den Kanal zwischen dem Roten Meer und dem Toten Meer, die Entnahme von Wasser aus dem israelischen See Genezareth für Jordanien und den Verkauf von Trinkwasser durch Israel an die Palästinenser.

Das Projekt trägt auch zur Umsetzung der Resilienzinitiative der EIB bei. Dies ist ein wichtiges Investitionsförderprogramm für die Region, um die Lebensbedingungen zu verbessern und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.


Unterstützung aus Europa

Internationale Organisationen wollen das Projekt auf seinem Weg weiter unterstützen. Die EIB prüft derzeit einen Kredit von 60 Millionen Euro und würde damit die Mittel der französischen, der italienischen und der spanischen Entwicklungsagentur ergänzen.  „Wir bieten für den Zweimeereskanal unseren ganzen Werkzeugkasten auf: technische Beratung, ein Kredit an den öffentlichen Sektor, kombiniert mit Zuschüssen und einem Kredit an Private, sowie niedrige Zinssätze“, erklärt Francesco Totaro, der bei der EIB mit diesem Vorhaben befasst ist. Die EIB zieht auch ein Darlehen von bis zu 250 Millionen Euro an das Unternehmen in Betracht, das die Projektausschreibung gewinnt. 

Dieses gemeinsame Paket für Jordanien kann noch mit einem Zuschuss von 40 Millionen Euro aus der EU-finanzierten Nachbarschaftsinvestitionsfazilität kombiniert werden. (Die USA haben 100 Millionen US-Dollar und Japan 20 Millionen US-Dollar zugesagt.)

„Die EU unterstützt dieses Großprojekt mit einem integrierten Ansatz: Es gibt EU-Zuschüsse und Mittelzusagen von Italien, Frankreich und Spanien, und das Ganze wird koordiniert von der AFD und der EIB“, erklärt Andrea Fontana, EU-Botschafter in Jordanien.

Botschafter Fontana betont, der Zweimeereskanal bringe Vorteile für die ganze Region und zeige, wie gut Israelis, Jordanier und Palästinenser zusammenarbeiten können. Seine Hoffnung: Durch die verbesserten Beziehungen könnten Israel und Palästina ihre seit 2014 ausgesetzten Verhandlungen bald wieder aufnehmen.