Polnischer PCR-Test weist Covid-19 mit neuer DNA-Technik besser und schneller nach und spürt auch medikamentenresistente Bakterien auf

Covid-19 ist ein schlaues und heimtückisches Virus. Es verbreitet sich unbemerkt in der Bevölkerung. Das Virus verbirgt sich in Menschen, die keine Symptome zeigen, und kann sich als Erkältung oder leichte Allergie tarnen. Doch wenn wir es früher aufspüren, entfaltet es weniger tödliche Kraft.

Testen und Nachverfolgen sind wichtige Schritte, um das Virus einzudämmen. Das polnische Unternehmen Scope Fluidics will das Testprozedere beschleunigen und hat daher einen Schnelltest für virale Krankheitserreger und Bakterien entwickelt.

Der sogenannte PCR|ONE identifiziert in nur 15 Minuten vollautomatisch bis zu 20 Krankheitserreger und medikamentenresistente Bakterien. Das System basiert auf der Polymerase-Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction, PCR) und ist sehr genau, sodass keine tagelangen Tests bis zur endgültigen Gewissheit mehr nötig sind. Im Idealfall können die Menschen damit häufiger getestet werden.

„Das Beste an unserem Test ist die Geschwindigkeit“, sagt Piotr Garstecki, CEO von Scope Fluidics. „Der Zeitfaktor ist entscheidend. Wir befinden uns im Krieg mit dem Virus.“

Tödlicher als Covid-19

Die neue Technologie von Scope Fluidics nützt aber nicht nur in der Pandemie:

Das Unternehmen hat ein automatisches Kultivierungssystem namens Bacteromic entwickelt, das medikamentenresistente Bakterien identifiziert. Jedes Jahr sterben mehr als eine Million Menschen an Infektionen durch medikamentenresistente Bakterien. Mit Bacteromic könnten die Behandelnden die bestmögliche Kombination von Antibiotika und anderen Medikamenten finden, um diese Killerbakterien zu besiegen.

Die antimikrobielle Resistenz – die Resistenz bestimmter Bakterien gegen Medikamente – war vor dem Ausbruch der Coronapandemie die größte globale Gesundheitsgefahr, sagt Auvo Kaikkonen, Life-Science-Experte bei der Europäischen Investitionsbank. „Uns gehen die Behandlungsmöglichkeiten aus. Ärztinnen und Ärzte gehen nach dem Prinzip ‚Hit or Miss‘ vor und probieren verschiedene Antibiotika aus, die vielleicht wirken, oder auch nicht.“

Als Bank der Europäischen Union unterstützt die EIB Scope Fluidics bei der Entwicklung von PCR|ONE und Bacteromic mit sogenanntem Quasi-Eigenkapital von zehn Millionen Euro. Besichert wird die Investition durch die InnovFin-Fazilität für Projekte zur Erforschung von Infektionskrankheiten, die coronabedingt um 400 Millionen Euro aufgestockt wurde.

Die Pandemie – ein Gamechanger

Auch wenn der offensichtliche Vorteil der Corona-Schnelltests in rasch verfügbaren Ergebnissen liegt, stehen sie im Ruf, ungenau zu sein. Die meisten nutzen keine PCR-Diagnostik, bei der Nasen- und Rachenabstriche auf die RNA-Sequenz des Virus untersucht werden. Stattdessen wird auf bestimmte Proteine oder Antikörper getestet, die unser Körper produziert, um die Infektion zu bekämpfen. Problem: Unser Körper braucht mehrere Tage, um Antikörper zu produzieren. Menschen können das Virus tragen und ansteckend sein, aber noch keine Antikörper haben, vor allem zu Beginn einer Infektion. Mit der PCR-Diagnostik und anderen RNA-Methoden lässt sich das Virus dagegen mit einer Genauigkeit von fast 100 Prozent nachweisen.

 „Die Nachfrage nach solchen Tests ist groß“, bestätigt Anna Stodolkiewicz, Kreditreferentin bei der Europäischen Investitionsbank. „Der PCR-Test ist kompakt und kann nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Flughäfen, Bahnhöfen oder überall dort eingesetzt werden, wo Bedarf besteht.“

Die Tests werden auch dann noch wichtig sein, wenn schon ein Impfstoff auf dem Markt ist. Große Teile der Bevölkerung, etwa jüngere und nicht gefährdete Menschen, werden in einer ersten Impfrunde keine Priorität haben. Daher wird das Coronavirus wahrscheinlich weiter zirkulieren. Marktforscher gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Coronatests erst 2022 ihren Höhepunkt erreicht, obwohl der Impfstoff bereits 2021 breit verfügbar sein dürfte, so Garstecki.

Ein Test für mehrere Infektionen

Das PCR|ONE-System von Scope Fluidics hat den großen Vorteil, dass es mehrere Krankheitserreger nachweisen kann.

Stellen Sie sich vor, jemand kommt mit einer Infektion der oberen Atemwege ins Krankenhaus. Ein Test für den direkten Covid-19-Nachweis ist negativ. Somit tappt das Ärzteteam weiter im Dunkeln. PCR|ONE spürt über molekulare Informationen eine Vielzahl von Krankheitserregern auf, nicht nur Covid-19, auch andere wie das Grippe-Virus.

PCR-Tests gibt es schon seit Jahrzehnten. Die PCR-Diagnostik ist ein fester Bestandteil von Gentests, bei der Millionen oder sogar Milliarden von Kopien einer kleinen DNA-Probe angefertigt werden, durch die DNA-Sequenzen nachweisbar sind und im Detail untersucht werden können. Maschinen unterziehen die DNA-Probe einer Reihe von Temperaturänderungen, wodurch sich die Probe kopieren und vervielfältigen lässt.

Aber: Dieser Prozess kann bis zu anderthalb Stunden oder länger dauern.

Um das Ganze zu beschleunigen, hat Scope Fluidics ein maßgeschneidertes optisches System entwickelt, das kurze Strahlungsimpulse aussendet. Durch die Strahlung kann das PCR|ONE-System Wasser direkt erhitzen, anstatt es durch Kunststoff zu leiten, wodurch sich die DNA-Proben schneller kopieren und vervielfältigen lassen.

Der PCR|ONE nutzt die Mikrofluidik-Technologie, mit der kleine Flüssigkeitsmengen im Labor kontrolliert bearbeitet werden können. Dank dieser Technologie läuft der gesamte Prozess – Isolierung des Genmaterials von Bakterien oder Viren, Abtrennung vom Rest der Probe und Genanalyse – in einer kleinen Einweg-Plastikkartusche ab. Besonderer Bonus der PCR|ONE-Kartusche: Jede einzelne Probe ermöglicht 64 unabhängige Genanalysen.  

Die Uhr tickt

Das 2010 gegründete Unternehmen Scope Fluidics ist aus dem Institut für Physikalische Chemie der Polnischen Akademie der Wissenschaften hervorgegangen. Nachdem Garstecki drei Jahre als Postdoktorand an der Harvard University geforscht hatte, rief er 2005 an der Akademie eine Forschungsgruppe für Mikrofluidik ins Leben.

2010 gründete er Scope Fluidics gemeinsam mit einem Freund, der zuvor in der Pharmaindustrie gearbeitet hatte. Sie arbeiteten als Berater, bevor sie ihre eigenen PCR-Systeme entwickelten.

Das Unternehmen ist mit seinen etwa 50 Beschäftigten noch klein. Laut Auvo Kaikkonen von der EIB sind die Tests von Scope Fluidics jedoch umfassender und fortschrittlicher als viele ähnliche Tests, die aktuell in der Entwicklung oder bereits auf dem Markt sind. „Das gibt ihnen eine Chance“, glaubt er.

Scope Fluidics rechnet damit, dass sein PCR|ONE-System von den europäischen Aufsichtsbehörden noch vor Jahresende und Bacteromic einige Monate später zugelassen wird, so Kaikkonen. 

Die Uhr tickt. Während Europa unter der zweiten Coronawelle ächzt und in den Vereinigten Staaten die Zahl der Infizierten explodiert, kommt es mehr denn je darauf an zu wissen, wer ansteckend ist und wer nicht. Garstecki ist überzeugt: „Selbst Massentests sind aus wirtschaftlicher Sicht besser als ein Lockdown.“