Deutsches Verkehrsunternehmen will Stadtbusflotten mit flüssigem Biomethan betreiben

Von Chris Welsch

Bereits vor zehn Jahren erkannte Hans Friedmann – damals Vizepräsident des deutschen Fachverbands Biogas – die Zeichen der Zeit.

Mit dem Auslaufen der staatlichen Subventionen für Biomethan würden andere Formen erneuerbarer Energien, etwa Strom aus Wind- und Solarkraft, allmählich günstiger werden. Hans hatte den Großteil seines Berufslebens in der Biomethan-Branche verbracht und wollte nicht, dass das Potenzial dieses Sektors ungenutzt blieb.

Er ist überzeugt: „Deutschland hat 100 Milliarden Euro in Biogas investiert, Europa sogar noch mehr. Deshalb sollten wir dieses Potenzial nutzen und sogar noch ausbauen. Biogas ist eine regionale Energiequelle, von der die Landwirtschaft profitiert. Es macht Europa in seiner Energieversorgung unabhängiger und hilft, die Nachhaltigkeits- und Emissionsziele zu erreichen.“

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Als Verfahrensingenieur mit Schwerpunkt Biotechnologie wollte Hans einen Weg finden, diese Energie praktisch, effizient und gewinnbringend zu nutzen.

Seine Idee: Biogas in flüssigen Kraftstoff umwandeln und damit umgerüstete Stadtbusse und Müllwagen antreiben. Die Busse würden mit einem Hybridsystem ausgestattet, das mit Biogas Strom für einen Elektromotor erzeugt. Ein Teil des Stroms für den Busbetrieb würde aus der Energie gewonnen, die bei den häufigen Bremsmanövern dieser schweren Fahrzeuge freigesetzt wird. Das Verfahren würde nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft funktionieren, Nachfrage nach Biogas schaffen und gleichzeitig ein weiteres Problem lösen. Denn laute, die Luft verschmutzende Dieselbusse würden in leise, emissionsarme Fahrzeuge umgerüstet.

Deutsches Biogas macht alte Busse effizienter

„Mit dem gesamten derzeit produzierten Biogas könnten wir 20 Prozent des deutschen Dieselmarktes ersetzen. Und mit nur fünf Prozent des Biogases ließen sich alle Stadtbusse betreiben“, weiß Hans.

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Bildunterschrift: Biomethan wird aus organischen Abfällen hergestellt, die u. a. von Viehzucht- oder von Lebensmittelverarbeitungsbetrieben stammen.

Das Start-up CM Fluids mit Sitz in Rohrbach nahm 2015 den Betrieb auf. Seitdem hat das Unternehmen mehrere Preise gewonnen. 2020 gehörte es u. a. zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation, bei dem das EIB-Institut Unternehmen auszeichnet, die Lösungen für gesellschaftliche oder ökologische Probleme anbieten.

Letzten Sommer rüstete das Unternehmen seinen ersten Bus um. Dieser Bus befördert Passagiere am Flughafen München, der bis 2030 klimaneutral werden will.

 „Vor Kurzem haben wir Testfahrten mit fünf Fahrern am Münchner Flughafen durchgeführt. Sie waren alle begeistert, weil der Bus gut beschleunigt und ruhig und leise fährt. Ein tolles Feedback", freut sich Lena Friedmann, die Tochter von Hans. Sie ist studierte Physikerin und leitet das Projekt.

Für Lena liegt einer der Hauptvorteile des neuen Antriebs darin, dass gebrauchte europäische Dieselbusse weitergenutzt werden anstatt in einkommensschwächere Länder verkauft zu werden, wo sie weiterhin Emissionen und Lärm verursachen.

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© CM Fluids

Nach Ansicht von Hans Friedmann und seiner Tochter Lena sollten wir darüber nachdenken, wo wir Gas aus organischen Abfällen noch verwenden können.

„Auf diese Weise werden wir das Problem nur los, aber nicht lösen“, erklärt sie.

Hans ist fest entschlossen, eine bessere Lösung für die Umwelt zu finden. „Was wir jetzt tun, ist absolut verrückt“, sagt er. „Die an einkommensschwache Länder verkauften Busse verschmutzen die Luft noch weitere 30 oder 40 Jahre. Das schadet der Umwelt, den dort lebenden Menschen und dem Klima. Dies ist ein neuer Kolonialismus, für den wir das Geld der Steuerzahler ausgeben.“

Höhere Reichweite mit sauberem Kraftstoff

Der Prototyp, der aktuell in München im Einsatz ist, ist ein 20 Jahre alter Mercedes-Bus. CM Fluid hat den Dieselmotor und den Antriebsstrang durch einen kleinen, mit flüssigem Biomethan betriebenen Verbrennungsmotor ersetzt. Der Motor lädt eine Pufferbatterie, die die Bremsenergie des Busses speichert – eine wichtige Energiequelle in einem schweren Fahrzeug, das häufig anhält. Die Batterie speist das elektrische Achssystem, das den Bus antreibt. Ein mit dem CM-Fluids-System ausgerüsteter Bus kostet in etwa so viel wie ein neuer Dieselbus, so Hans. Damit ist er viel billiger als die Elektro- und Wasserstoffbusse, die in einigen Städten verkehren.

Ein Bus mit diesem Antriebssystem kann mit einer Tankfüllung bis zu 800 Kilometer zurücklegen. Ein herkömmlicher Elektrobus kommt dagegen nur rund 280 Kilometer weit. Zudem stoßen die Busse von CM Fluids 90 Prozent weniger Feinstaub und mindestens 60 zrozent weniger Stickoxide aus.

Das Unternehmen hat eine Biogasanlage gekauft und errichtet dort ein Werk zur Verflüssigung von Biomethan. Wenn seine Flotte wächst, will CM Fluids bestehende Flüssiggas-Zapfsäulen in Stadtbusdepots nutzen.

Hans ist sich sicher: „Wenn wir das Klima schützen wollen – und das lieber heute als morgen – dann müssen wir jede Chance ergreifen, die sich uns bietet. Dazu müssen wir alle vorhandenen Ressourcen und Instrumente möglichst effizient nutzen.“

Weitere Informationen über den Wettbewerb für Soziale Innovation des EIB-Instituts.