Die Niederlande verteidigen ihr ausgeklügeltes Netz aus Deichen, Wehren und Sielen gegen den Klimawandel.

Wenn alte Deiche verstärkt werden müssen, bauen die Ingenieure sie höher und breiter. In der Kleinstadt Nieuw-Beijerland stießen sie dabei jedoch auf ein Problem: Auf dem dortigen Deich stehen kleine historische Häuser. Deswegen brachten die Deichbauer 17 Meter lange Metallplatten in die Deichmitte ein und nahmen einige Änderungen an den Gebäuden vor.

Diese Arbeiten sind Teil des Investitionsprogramms der niederländischen Wasserbehörde Waterschap Hollandse Delta, die auf einer Länge von 66 Kilometern Primärdeiche zwischen der einstigen Meeresbucht Haringvliet und dem Fluss Maas im Südwesten der Provinz Südholland verstärken will. Für dieses und andere Wasser- und Abwasservorhaben vergab die Europäische Investitionsbank im Juli 2016 ein Darlehen von 120 Millionen Euro.

Wenn das Wasser steigt, steht das Erdgeschoss des Restaurants Het Wapen unter Wasser. Aber das Fundament des Restaurants ist in den Deich eingebettet und gehört somit zum Wasserabwehrsystem, das die ganze Stadt schützt. Besitzer Jan van den Berg nimmt das gern in Kauf. „Jetzt, wo der Deich verstärkt wurde, fühle ich mich sicherer“, sagt er.


Wichtige Deiche

Primärdeiche sind wichtig, da sie das Land vor überlaufenden Flüssen und Kanälen und dem steigenden Meeresspiegel schützen. „Es wird regelmäßig überprüft, ob sie den aktuellen Standards für den Hochwasserschutz entsprechen. Deichabschnitte, die sie nicht erfüllen, werden modernisiert oder verstärkt“, erklärt Aimilia Pistrika, Ingenieurin bei der EIB, die das Projekt von Waterschap Hollandse Delta überwacht.

Die Deichverstärkung in Nieuw-Beijerland, das zum Ballungsraum Rotterdam gehört und einer der tiefsten Punkte der Niederlande ist, stabilisiert das Bauwerk gegen den Wasserdruck und verhindert, dass Wasser unten durchsickert. Um eine Verbreiterung des Fundaments durch Erdarbeiten zu umgehen, werden auf der ganzen Länge Metallplatten in die Deichmitte eingebracht. Stahl ist flexibel, leicht und recycelbar.

Solche Lösungen und Sicherheitsvorkehrungen hätten am 1. Februar 1953 Leben retten können. Damals starben 1 800 Menschen bei verheerenden Überschwemmungen. Daraufhin riefen die Niederlande den umfangreichen Deltaplan ins Leben, um ihren Hochwasserschutz zu verbessern.   Durch den Klimawandel ist der Meeresspiegel mittlerweile angestiegen. Hinzu kommen teilweise extreme Wetterbedingungen, wie starke Regenfälle.

Nieuw-Beijerland liegt im Herzen eines Deltagebiets, wo die Nordsee und die Flüsse Maas, Rhein und Waal ineinander münden. Der steigende Meeresspiegel im Westen und zunehmende Abflüsse aus Flüssen im Osten erhöhen das Überschwemmungsrisiko enorm. „Wenn das Meer übertritt und der Fluss nicht abfließen kann, haben wir ein Problem“, so Roeland van Woerkom, der bei Waterboard Holandse Delta für den Hochwasserschutz verantwortlich ist.

Die Wasserbehörde prüft die Deiche der Region alle sechs Jahre auf die Einhaltung der Standards für den Hochwasserschutz und führt falls notwendig Modernisierungsmaßnahmen durch. „Ein Risiko besteht immer, deswegen müssen wir mit unseren Sicherheits- und Instandhaltungsmaßnahmen immer einen Schritt voraus sein. Nur so können wir die Menschen schützen“, sagt van Woerkom.


Das Wasser kann kommen

Beim Hochwasserschutz geht es darum, mit einem akzeptablen Risiko fertig zu werden.  Der Klimawandel hat dieses Risiko erhöht – Wasserbewirtschafter müssen heute mit einer größeren Unsicherheit umgehen als zuvor.

Die Waterschap Hollandse Delta ist eine der größten Wasserbehörden der Niederlande und für rund 870 000 Einwohner in einem Gebiet von rund 1 000 Quadratkilometern zuständig. Die niederländischen Wasserbehörden, deren Ursprung bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, sind die ältesten, aber auch modernsten Verwaltungsorgane des Landes. Die ehemals 3 500 Behörden wurden mittlerweile in 22 Behörden im ganzen Land zusammengelegt.

Seitdem der Plan im Jahr 2007 gefasst wurde, hat die Waterschap Hollandse Delta die Primärdeiche fast vollständig auf der Gesamtlänge von 66 Kilometern verstärkt. Auf diese Maßnahmen, die auch die Instandhaltung und die Verbesserung von Kanälen, Gräben, Sielen und Schleusen beinhalten, entfallen 70 Prozent der Investitionen (180 Millionen Euro), die von der EIB mitfinanziert werden. „Wir haben die Anwohner über mögliche Lösungen für die Verstärkung des Deichs informiert und mit ihnen besprochen, wie sie die Beeinträchtigung so gering wie möglich halten können“, so van Woerkom.

Die restlichen Investitionen (rund 90 Millionen Euro) betreffen Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten an der Sluisjesdijk-Kläranlage und der Dokhaven-Abwasserbehandlungsanlage, einschließlich Rohren und Pumpanlagen, die auf den Inseln Voorne und Goeree-Overflakkee die Frischwasserversorgung sicherstellen sollen.

All diese Maßnahmen fallen unter das nationale Deltaprogramm, mit dem sich die niederländischen Städte auf die Zukunft vorbereiten. Für Nieuw-Beijerland ist der Klimawandel eine Chance, die Stadt besser gegen Überflutungen zu schützen. Die Einwohner der Stadt können darauf vertrauen, dass die verstärkten Deiche bis mindestens 2050 halten.