Rumänien stemmt sich gegen die Küstenerosion, um seine Tourismusbranche, die Biodiversität im Meer und Feuchtgebiete an der Küste zu schützen

Waren Sie schon mal an einem Strand und haben sich gefragt, wohin all der Sand verschwunden ist?

Küstenerosion wird in Europa mehr und mehr zum Problem. Durch Wind, Wasser und menschliches Zutun werden immer mehr Sand und Erde abgetragen. Die Folge: Viele Küstengebiete in Europa sind Überschwemmungen und Extremfluten schutzlos ausgeliefert, mit Gefahr für die Menschen und das Leben im Meer.

Küstenerosion ist ein natürlicher Prozess, aber Infrastruktur wie Häfen und Schutzwälle kann sie beschleunigen. In Rumänien sind die Strände und Küstenstriche im Süden akut gefährdet, durch den Bau von Häfen und Dämmen entlang der Donau zum Schwarzen Meer. Sie erschweren den Sedimenttransport – die natürliche Bewegung von Sand und Gestein. Ein gewaltiges Umweltrisiko, weil sich dadurch die Küstenstruktur am Schwarzen Meer massiv verändert. Klimabedingt häufigere Überschwemmungen und Sturmfluten verschärfen die Lage zusätzlich.

„Die Küstenerosion im Kreis Constanța ist nicht über Nacht gekommen“, sagt Aimilia Pistrika, die als Wasseringenieurin bei der Europäischen Investitionsbank arbeitet. Mit einem Kredit über 97 Millionen Euro finanziert die Bank ein Projekt zum Schutz der rumänischen Schwarzmeerküste, an dem sich auch die Europäische Kommission beteiligt. „Indem wir die Strände wiederherstellen, stärken wir die Küste in ihrer natürlichen Fähigkeit, Flutwellen und Stürmen standzuhalten“, so Pistrika.

>@ABAD-L
© ABAD-L

Häfen und Dämme beschleunigen die Erosion

Rund um Constanța behindern Häfen die natürliche Sandbewegung entlang der Küste und machen sie hochgradig anfällig für Erosion und Überschwemmungen. Wenn Strände verschwinden, hat dies auch Folgen für Immobilien und die Infrastruktur vor Ort. Es schadet dem Tourismus und bedroht das Leben im Meer. Mit der fortschreitenden Erosion wandeln sich an Land und im Meer die natürlichen Lebensräume von Pflanzen, Algen, kleinen Fischen und Schalentieren. Die veränderten Sandablagerungen können Arten begraben oder verdrängen.

Um das zu verhindern, setzt die Küstenbehörde in Dobrudscha nach 2017 jetzt die zweite Phase eines Projekts um, das die Erosion bremsen und die Küste vor Überschwemmungen schützen soll. Neuer Sand für die Strände, Stützmaßnahmen für die Klippen und die Sanierung von Infrastruktur sollen Feuchtgebiete auf einer Fläche von über 17 000 Hektar schützen, die Teil des Natura-2000-Netzes sind. Hinzu kommen künstliche Riffe und andere Biostrukturen für marine Ökosysteme sowie Buhnen und Molen, die die Wucht der Wellen brechen.

>@ABAD-L
© ABAD-L

„Manche Strände in Rumänien haben nur 10 bis 20 Meter Sand“, erklärt Nicusor Buzgaru, der das Projekt bei der Küstenbehörde in Dobrudscha leitet. „Das Projekt ist gut für die Menschen und ihr Geschäft hier, aber es schützt auf eine ganz neue Weise auch das Leben im Meer.“



Richtig handeln gegen Küstenerosion

Ein paar Tonnen Sand allein bringen die Strände nicht zurück.

Die Küstenbehörde hat in der weiteren Umgebung um Constanța Wellenmuster und die Wellenstärke gemessen. Dadurch kann sie Prognosen über die Klimafolgen für das Gebiet stellen und die richtige Korngröße des Sandes bestimmen, mit der sich die Erosion stoppen oder verlangsamen lässt.

„Feiner Sand gefällt den Touristen, aber damit kommen wir nicht verlässlich gegen die Erosion an. Der Sand wird zu leicht von Wind und Wellen abgetragen“, so Buzgaru. „Bei unseren Erhebungen am Schwarzen Meer fanden wir heraus, dass der Sand in der richtigen Korngröße 25 Meter tief unter dem Meer lagert. Jetzt müssen wir ihn nur noch an Land bringen. Klingt leicht, oder?“

>@ABAD-L
© ABAD-L

Spülschiffe saugen Sand vom Meeresboden auf und pumpen ihn durch eine zwei Kilometer lange Pipeline an Land. Alle vier Stunden landen so rund 18 000 Tonnen nasser Sand am Strand. Bulldozer und andere Maschinen verteilen ihn dann, bis der Strand in der vorgesehenen Höhe aufgeschüttet ist.

>@ABAD-L
© ABAD-L


Die Küste und das Leben im Meer schützen

Von der 70 Kilometer langen Küste von Constanța sind 40 Kilometer für den Tourismus zugänglich. In der weiteren Region der geschützten Küstengebiete leben rund 400 000 Menschen, zu denen jährlich über 1,3 Millionen Besucher hinzukommen. Mit der Arbeit an den Stränden spart das Land jährlich 17 Millionen Euro, die andernfalls für die Beseitigung von Schäden durch Überschwemmungen und andere Vorfälle anfallen.

„Das Aufschütten der Strände hat sofort den Geschäften und dem Tourismus vor Ort geholfen“, sagt Buzgaru.

Aber in der zweiten Phase geht es jetzt noch mehr darum, Schäden an den Ökosystemen im Meer und an der Küste vorzubeugen – durch den Bau künstlicher Riffe und andere Maßnahmen, die die Biodiversität schützen und zurückbringen.

„Wir haben gelernt, die richtige Balance zu finden zwischen Küsten- und Umweltschutz“, so Buzgaru. „Mit künstlichen Riffen und Biostrukturen, die die Biodiversität fördern. Wir wollen einheimische Fische, Muscheln und Pflanzen zurückbringen, die beinahe weg waren, und neue Ökosysteme schaffen. Denn damit retten wir letztlich unsere Betriebe und die Natur.“