Um Klima- und Gewinnziele zu erreichen, braucht es mehr Frauen an der Spitze

Von Barbara Balke und Thomas Östros

Wie lassen sich die globalen Klimaziele erreichen? Erst einmal sollten wir mehr Frauen die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen. Dann hätten wir viel bessere Chancen, nicht nur die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, sondern gleichzeitig mehr Wohlstand zu erreichen.

Neue Forschungsergebnisse belegen, dass es ökonomisch sinnvoll ist, Klimaprojekte durch die Genderbrille zu betrachten, und dass dies auch der Entwicklung dient. Und sie zeigen, wie wichtig Frauen für den Klimaschutz sind. Laut einem neuen Bericht des Europäischen Investitionsfonds schneiden frauengeführte Firmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance besser ab als andere Unternehmen. Auch bei der Einführung umweltfreundlicher Verfahren sind Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen erfolgreicher.

Frauen in Führungsrollen investieren zudem eher in erneuerbare Energien, was zu geringeren Treibhausgasemissionen und besseren Umweltergebnissen führt. Unternehmerinnen setzen eher auf höhere Energieeffizienz und Recycling, und frauengeführte Banken vergeben weniger Kredite an große Umweltsünder.



Frauen investieren mit Gewinn in den Klimaschutz

In der Arbeitswelt stehen Frauen in Führungspositionen für mehr Transparenz bei der Umweltbilanz von Unternehmen. Wo mehr Frauen im Vorstand sitzen, werden auch die Treibhausgasemissionen häufiger ordnungsgemäß veröffentlicht. Eine kritische Masse von Frauen im Vorstand führt nicht nur zu einer besseren Klimabilanz, sondern auch zu mehr Innovation. Angesichts dieser Erkenntnisse überrascht es nicht, dass in den nachhaltigsten Städten der Welt meist eine Frau an der Spitze steht.

Doch obwohl sich mehr als ein Fünftel der Großunternehmen verpflichtet hat, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, versuchen nur wenige, Frauen aktiv in ihre Klimaschutzpläne und Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Täten sie das, hätten sie viel bessere Chancen, ihre Ziele zu erreichen.

Mehr Frauen in die Führungsetagen von Unternehmen zu bringen, ist nicht nur eine Frage der Gleichberechtigung. Weibliche Führungskräfte und von Frauen geführte Unternehmen sind auch wichtig für wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen – mit positiven Folgen für Gesellschaft, Umwelt und Klima. Dennoch sind die wirtschaftlichen und sozialen Hürden für Frauen, die ein Unternehmen gründen oder ausbauen wollen, nach wie vor höher als für Männer. Zwar steigt die Zahl der Unternehmerinnen weltweit, allerdings gibt es immer noch dreimal mehr männliche als weibliche Unternehmer.

Jüngsten Studien der Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen der EIB zufolge sind nur 36 Prozent aller Unternehmer in der EU Frauen. Einer der Gründe: Sie haben größere Schwierigkeiten als Männer, eine Finanzierung zu bekommen. Von Frauen gegründete Unternehmen erhalten zwar eine gewisse öffentliche Unterstützung, meist in Form von Gründungszuschüssen, aber der Zugang zu einer breiteren Palette von Wachstumsfinanzierungen ist nach wie vor begrenzt. In Europa gehen nur zwei Prozent des investierten Kapitals an rein weibliche Gründerteams und nur fünf Prozent an gemischte Teams. Reine Männerteams erhalten dagegen stolze 93 Prozent.

Frauen gründen und investieren grün

Das hat weitreichende Konsequenzen. Unternehmerinnen stellen eher Frauen ein, halten sie länger im Unternehmen und investieren mehr in die Fortbildung. Die EIB hat festgestellt, dass 47 Prozent der Unternehmen in Frauenhand mehr als 50 Prozent Frauen beschäftigen. Von den Unternehmen in Männerhand schaffen das nur 26 Prozent.

Der Übergang zu einer grüneren und stärker digitalisierten Wirtschaft eröffnet mehr Chancen für Frauen, denn Unternehmen, die diese Ziele verfolgen, wachsen dynamischer. Das schafft mehr Jobs, und es entsteht auch eher ein Umfeld, das die Gleichstellung der Geschlechter fördert. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass grüne Start-ups häufiger von Frauen gegründet werden.

Wir müssen mehr Frauen in die Führungsetagen von Unternehmen bringen – aber auch in Spitzenpositionen in anderen Bereichen der Wirtschaft. Investorinnen etwa werden immer wichtiger, weil sie bei ihren Investitionen mehr Wert auf Umwelt, Soziales und Governance legen. Wenn wir Frauen als Investorinnen, Fondsmanagerinnen und Unternehmerinnen unterstützen, haben wir bessere Chancen, klimafreundliche Lösungen voranzubringen, die oft große Investitionen erfordern.

Gender und Klimainvestitionen

Die 2X Collaborative zeigt in ihrem Leitfaden zur geschlechtergerechten Klimafinanzierung viele Wege auf, um sicherzustellen, dass Frauen eine größere Rolle spielen: von mehr Frauen an der Spitze von Finanzdienstleistern über Hilfe für Investorinnen bis hin zur Unterstützung von Kundinnen beim Wechsel zu umweltfreundlicheren Produkten. Frauen achten auf Nachhaltigkeit. Sie sind diejenigen, die die Vermarkter klimafreundlicher Produkte erreichen müssen, da sie häufig die „Chefeinkäufer“ in der Familie sind. Die Financial Alliance for Women, ein globales Netzwerk von 90 führenden Finanzinstituten, untersucht daher, wie das Angebot für Kundinnen durch eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen klimafreundlicher gestaltet werden kann.

In eine ähnliche Richtung geht das neue Engagement für Gender Finance der Luxemburger Börse. Sie kennzeichnet nachhaltige Anleihen, die entweder die Gleichstellung der Geschlechter zum Ziel haben oder Projekte finanzieren, die die Gleichstellung oder die Stärkung von Frauen in der Wirtschaft fördern. Mit einfachen Maßnahmen wie diesen kann es den Anlegern erleichtert werden, Investitionen mit Gender-Fokus zu erkennen.

Politik und Wirtschaft müssen allerdings auch bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Frauen stärker am grünen Wandel beteiligen können. Dazu braucht es unter anderem bezahlbare und erstklassige Kinderbetreuung für Eltern, mehr Unterstützung für Unternehmerinnen, bessere Finanzierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für Unternehmen von und mit Frauen und weitere Maßnahmen, damit endlich mehr Frauen in technischen Bereichen arbeiten.

Wir müssen die wirtschaftlichen Hindernisse für Frauen beseitigen und ihnen gleichzeitig die Mittel und die Unterstützung geben, die sie für ihren beruflichen Erfolg brauchen. Mit mehr Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft können wir eine gerechtere Welt für alle schaffen – und der Menschheit eine größere Überlebenschance geben.



Barbara Balke ist die Generalsekretärin der Europäischen Investitionsbank. Thomas Östros ist Vizepräsident der EU-Bank mit Aufsicht über Gender-Fragen.