In diesem Unternehmen sind Honigbienen jetzt auch Umweltforscher

Von Chris Welsch

Bach Kim Nguyen und Michaël Van Cutsem sehen es so: Ihr Unternehmen BeeOdiversity mit Sitz in Belgien ist mit 12,5 Millionen fleißigen Arbeitsbienen der größte Arbeitgeber der Welt!

Die Bienen verteilen sich auf Hunderte von Stöcken in elf Ländern und sammeln auf großen Landflächen unermüdlich Pollen. Dabei generieren sie unglaublich detaillierte Informationen über die Pflanzen, Schadstoffe und Pestizide rund um ihre Stöcke.

„Jeder Stock beheimatet 50 000 Bienen, die pro Jahr vier Milliarden Proben nehmen“, erzählt Mitgründer Bach Kim Nguyen. Der Wissenschaftler schrieb seine Doktorarbeit über Verluste von Bienenvölkern, die ein weltweites Problem darstellen. „Im Labor analysieren wir die Proben für große Unternehmen oder staatliche Stellen und unterbreiten auf Basis der Daten konkrete Handlungsempfehlungen.“

Der Pollen beinhaltet qualitative und quantitative Indikatoren zu den Umweltbedingungen in dem 700 Hektar großen Gebiet, das rund um jeden Bienenstock von den Bienen angeflogen wird. Auf dieser Grundlage gibt BeeOdiversity Empfehlungen für den bestmöglichen Schutz und die Verbesserung der Umwelt – zum Wohle der Menschen und des Ökosystems.

Kim ging es anfangs darum, den Bienen zu helfen, die durch Pestizide, Krankheiten und den Verlust von Lebensraum zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt sind. So begannen Kim und Mitgründer Michaël zunächst als Honigerzeuger, ehe sie beschlossen, ein wesentlich ambitionierteres Ziel zu verfolgen.

„Wir wollten uns größeren Themen wie der Biodiversität und Umweltverschmutzung zuwenden und auf diese Weise die Bienen retten“, berichtet Kim.

>@BeeOdiversity
© BeeOdiversity

Bach Kim Nguyen

 

BeeOdiversity gewann den mit 20 000 Euro dotierten zweiten Preis in der Sonderkategorie des Wettbewerbs für Soziale Innovation 2020 des EIB-Instituts.

Viele praktische Anwendungen

Michaël, der zuvor Unternehmer und Anwalt für Gesellschaftsrecht war, lernte Kim 2011 bei einem MBA-Programm an der Solvay Business School in Brüssel kennen. Eine einjährige Rucksackreise durch Südamerika gab den Ausschlag dafür, dass Michaël beruflich neue Wege einschlagen wollte.

„Als ich allein in den Bergen unterwegs war, lernte ich Menschen kennen, die sehr unter den Veränderungen der Umwelt zu leiden hatten“, erzählt Michaël. „Dagegen wollte ich nach meiner Rückkehr etwas tun.“

An der Business School begegnete Michaël vielen Menschen mit den üblichen Karriereplänen. Er selbst suchte jedoch nach einer erfüllenden Aufgabe mit einem höheren Sinn. „Als ich Kim traf, der sich einem ganz anderen Projekt widmete, war ich gleich begeistert und wusste: Mit ihm möchte ich arbeiten“, verrät Michaël.

2012 wurde BeeOdiversity gegründet und wächst und verändert sich seither stetig. BeeOdiversity hält eigene Bienenvölker in Belgien und vermietet diese an Unternehmen, die ihre unmittelbare Umgebung analysieren lassen wollen. Mit einem firmeneigenen Verfahren werden Pollenproben genommen, wenn die Bienen zum Stock zurückkehren. Die Menge ist so bemessen, dass sie für das Labor ausreicht, ohne jedoch die Nahrungsversorgung der Bienen zu beeinträchtigen.

Anhand dieses Pollens erstellt BeeOdiversity ein ausführliches Umweltportrait für seine Kunden, zu denen auch De Watergroep zählt – mit 177 betreuten Kommunen der größte Trinkwasserversorger in Flandern.

Wie Simon Six, Water Resources Team Manager bei De Watergroep, erklärt, helfen die von den Bienen gesammelten Informationen dem Unternehmen bei seinem Auftrag, sauberes Trinkwasser bereitzustellen.

„Interessanterweise entspricht der Flugradius der Bienen mehr oder weniger den Schutzzonen rund um die Entnahmestellen“, erklärt Six. „Daher besteht eine direkte Verbindung zwischen den ermittelten Ergebnissen und optimalem Wasserschutz.“ Das Know-how und die Berichte von BeeOdiversity helfen De Watergroep, kluge Entscheidungen zur Landbewirtschaftung zu treffen, so Six weiter.

Als BeeOdiversity seinen Kundenstamm auf andere Länder, einschließlich der USA, ausdehnte, nahm das Unternehmen Kontakt zu örtlichen Bienenzüchtern auf. Zunehmend nutzt es nun auch deren Stöcke und Bienen für die „Datenerhebung“ vor Ort.

Zusammenarbeit mit örtlichen Landwirten

„In 80 Prozent der Fälle findet sich mindestens ein Bienenzüchter in den Unternehmen oder Organisationen, die sich an BeeOdiversity wenden“, erklärt Michaël. „Das ist großartig, weil diese zum Botschafter des Programms werden.“

BeeOdiversity stellt den örtlichen Bienenzüchtern die erforderlichen Geräte und Protokolle zur Datenerfassung zur Verfügung. Oft kann Kim ihnen auch helfen, die Sterblichkeitsrate in ihren Stöcken zu verringern. Die Sterblichkeitsrate bzw. die Zahl der jährlichen Völkerverluste belaufe sich unter den Bienenvölkern von BeeOdiversity in der Regel auf zehn Prozent, während der weltweite Durchschnitt bei rund 30 Prozent liege, sagt Kim.

BeeOdiversity konnte den Pestizideinsatz bereits in vielen Fällen reduzieren, indem es den Landwirten zeigt, wie sie mit einer geringeren Menge schädlicher Chemikalien vergleichbare Ergebnisse erzielen.

„Die Motivation wird durch ein gewisses spielerisches Element gesteigert“, erklärt Michaël. Nach einiger Zeit seien Landwirte und Anwohner stolz darauf, wie sich ihr Handeln auf die Artenvielfalt und die Qualität der Umwelt auswirkt. Wenn die Vielfalt an Blühpflanzen zunimmt, kehren Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge zurück. Das steigert wiederum den Ernteertrag für die Landwirte.

>@BeeOdiversity
© BeeOdiversity

Michaël Van Cutsem

„Pflanzen stehen am unteren Ende der Nahrungskette - von einer gesunden Pflanzengesellschaft profitieren also alle“, sagt Kim.

Michaël weist auf weitere potenzielle Anwendungen des „BeeOmonitoring“ hin: Es hilft Smart Cities bei der Verbesserung der Luftqualität und des Grünflächenmanagements, unterstützt nachhaltige Verfahren in der Lebensmittelindustrie, versetzt die Immobilienbranche und andere Sektoren in die Lage, etwas für die Umwelt zu tun und die Erfolge zu messen, und es schützt Wassereinzugsgebiete.

Als die Datenbank und das Know-how des Unternehmens wuchsen, beschlossen Michaël und Kim, noch einen Schritt weiter zu gehen. In ihrer Bewerbung für den Wettbewerb für soziale Innovation 2020 stellten sie ihr neues Projekt namens BeeOimpact vor.

„Wir wollen das Monitoring weltweit ausdehnen – auf Afrika, Südamerika und möglichst alle Erdteile“, sagt Kim. „Mit all den Daten, die wir jetzt haben, wollen wir Mehrwert schaffen.“

Die Softwareplattform BeeOimpact befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. Sie nutzt kartografische Instrumente und künstliche Intelligenz, um durch einen Abgleich der Daten von BeeOdiversity mit anderen Datenbanken die lokalen Umweltbedingungen zu bewerten – wo immer dies gewünscht wird. Eine kostenlose Version des Dienstes soll allgemein zugänglich gemacht werden, und Unternehmen, Städte und andere Stellen werden einen gebührenpflichtigen Premium-Service abonnieren können.

Im Rahmen einer solchen Bewertung könnten die Schadstoffe und Pestizide in einem bestimmten Gebiet recht genau aufgezeigt, die Artenvielfalt bewertet und gezielte Handlungsempfehlungen unterbreitet werden.

Laut Kim geht es darum, eine möglichst breite Wirkung zu erzielen und den Menschen Informationen an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie wirksame Maßnahmen ergreifen können.

„Jede und jeder kann Teil der Lösung sein und etwas für die Umwelt tun“, so Kim.

Weitere Informationen zum EIB-Institut und dem Wettbewerb für Soziale Innovation.