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    Windräder sind monströse Stahlstrukturen, die Hunderte von Tonnen wiegen. An Land ragen sie wie Riesen aus der Landschaft heraus. Und auf dem Wasser? Stellen Sie sich einmal vor, solche Ungetüme in normalen Häfen zusammenzubauen, die 100 Meter langen Türme und die 90-Meter-Rotorblätter auf eine schwimmende Plattform zu verladen und dann behutsam aufs offene Meer zu schleppen.

    Das geht nur in Häfen, die darauf ausgelegt sind. Die Kais müssen stabil genug für die massiven Kräne sein, die die Windradteile bewegen, es muss ausreichend Lagerfläche für die Bauteile vorhanden sein, und das Hafenbecken muss breit und tief genug für die Schwimmkörper sein.

    Das alles soll Port-la-Nouvelle künftig bieten. In dem südfranzösischen Hafen nahe Montpellier wurden bisher Getreide und andere Agrarerzeugnisse nach Nordafrika verschifft. Jetzt investiert die Region Okzitanien 340 Millionen Euro in den Umbau der Häfen von Sète und Port-la-Nouvelle. 150 Millionen Euro davon kommen von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Port-la-Nouvelle soll zu einem Hub für den Bau und die logistische Versorgung schwimmender Windparks im Mittelmeer ausgebaut werden. Und irgendwann soll mit der sauberen Energie von den Windparks auch grüner Wasserstoff produziert werden.

    „Dieses Projekt erfordert eine völlig andere Infrastruktur und andere Abläufe als bisher“, erklärt Didier Codorniou, Direktor für maritime Angelegenheiten der Region Okzitanien.



    Platz für Giganten

    Der Umbau von Port-la-Nouvelle ist Teil der ehrgeizigen Energiestrategie der Region Okzitanien, deren Arbeitslosenquote zu den höchsten in Frankreich zählt. Die Region hofft, von der Entwicklung zweier schwimmender Offshore-Windparks zu profitieren, die im Mittelmeer Energie für 400 000 Menschen erzeugen sollen. Mit den erneuerbaren Energien will man hier frischen Wind in die Wirtschaft bringen, die von Landwirtschaft, Tourismus und weiter im Landesinneren von Luft- und Raumfahrttechnik geprägt ist.

    „Die neue Infrastruktur macht die Hafenwirtschaft und die Energieerzeugung grüner. Damit kommen wir dem Ziel der Klimaneutralität auf europäischer Ebene einen weiteren Schritt näher“, sagt Shirley Moussavou, die bei der EIB den Kredit für Port-la-Nouvelle betreut. „Außerdem sind schwimmende Offshore-Windparks ein Kernelement der Energiewende in Frankreich.“

    Die EIB unterstützt neben Port-la-Nouvelle auch die Pilot-Windparks selbst: einen Park des Betreibers Les Éoliennes Flottantes du Golfe du Lion vor der Küste von Leucate-Le Barcarès und einen weiteren nahe Gruissan, den EolMed betreibt.  Im April unterzeichnete sie einen Kredit von 85 Millionen Euro für EolMed, im Mai 75 Millionen Euro für Les Éoliennes Flottantes. Beide Kredite sind durch eine Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen besichert. Einen dritten Offshore-Park, der 40 Kilometer westlich von Marseille geplant ist, unterstützt die Bank mit weiteren 50 Millionen Euro.  

    Port-la-Nouvelle liegt weniger als 20 Kilometer von den Windparks von Les Éoliennes Flottantes und EolMed entfernt. Aus logistischer Sicht ist das sehr praktisch – gerade bei schwimmenden Anlagen. Denn durch die relativ kurze Entfernung zwischen Hafen und Windpark ist der Transport der Riesenräder weniger riskant.

    Ein Windrad auf einem Schwimmkörper hat einen extrem hohen Schwerpunkt: Rund 600 Tonnen Stahl schaukeln 100 Meter über der Wasseroberfläche. Das ist so, als stellte man eine voll beladene 747 auf ihre Nase. Damit das Windrad nicht umfällt, muss man es langsam und vorsichtig transportieren, weiß Julien Ciglar, Projektmanager für marine erneuerbare Energien der Agentur für Wirtschaftsentwicklung der Region Okzitanien. Dafür braucht man gutes Wetter und eine ruhige See.

    Die Region Okzitanien, die das Gebiet um Toulouse bis nach Montpellier und hinunter nach Spanien umfasst, ist für ihr gutes Wetter bekannt. Aber auch für Wind, den berüchtigten Mistral. Der kräftige Nordwestwind weht aus dem Süden Frankreichs in den Golf von Lyon, wo die Windräder stehen werden. Und das teilweise so stark wie auf der Nordsee, erklärt Ciglar.

    Viel Wind ist natürlich gut für die Stromerzeugung. Für die Stabilität eines 600-Tonnen-Kolosses auf einem 90 mal 90 Meter großen Schwimmkörper allerdings weniger. Um das Windrad auf den Schwimmer zu montieren, braucht man ein Hafenbecken, das vor hohen Wellen geschützt ist und ausreichend Platz bietet. Außerdem braucht es große Ladedocks, um die Teile für die Windräder, die Rotorblätter und die Schwimmkörper zu lagern. „Die Lagerfläche ist im Grunde das Entscheidende“, sagt Ciglar.

    Große Pläne für erneuerbare Energien

    Bevor die Planung der Pilot-Windparks bekannt wurde, hatte Port-la-Nouvelle kein klares Profil. Die Aufträge bröckelten, und das Hauptgeschäft des Hafens, der Getreideexport, lief schlecht. Außerdem fehlte die nötige Infrastruktur für größere Schiffe, die Kohlenwasserstoffe wie fossile Brennstoffe und Chemikalien transportieren.

    Das Departement Östliche Pyrenäen, in dem der Hafen liegt, hat kaum Industrie, dafür eine Arbeitslosenquote von knapp zehn Prozent. Die Ausrichtung des Hafens auf erneuerbare Energien bot daher die Möglichkeit, „die Wirtschaft hier neu zu beleben“, erklärt Codorniou. „Das war die Chance, unser Geschäftsmodell auf die Zukunft und auf weniger Emissionen umzustellen – und gleichzeitig neue Jobs in der Region zu schaffen.“

    Allein durch das Pilotprojekt sollen rund 300 Vollzeitjobs entstehen. Doch dabei soll es nicht bleiben. Die französische Regierung hat große Pläne im Bereich Offshore-Windkraft. Zunächst sind die beiden Pilot-Windparks mit je drei Windrädern geplant. Bis 2030 sollen sie zu einem schwimmenden Windpark mit 250 Megawatt Leistung ausgebaut werden. Mitten im Golf von Lyon soll dann Energie für mehr als 400 000 Menschen erzeugt werden. Ein ähnlich großer Windpark ist vor der Küste von Marseille geplant.

    „Die Region will Port-la-Nouvelle zum Hafen der Energiewende machen, nicht nur für Frankreich, sondern für das ganze Mittelmeer“, so Ciglar.

    Schwenk in Richtung grüner Wasserstoff

    Die neue Infrastruktur und die Windparks sind Teil einer größeren regionalen Strategie: Port-la-Nouvelle soll zu einem Umschlagplatz für erneuerbare Energien werden. Deshalb wurde das Konsortium Wind’Occ aus 170 Unternehmen und 25 akademischen Einrichtungen und Labors aus der Region gegründet. Es soll die aufstrebende Windkraftbranche unterstützen. 

    Ein weiterer Schwerpunkt ist der grüne Wasserstoff. 2019 beschloss die Region einen 150 Millionen Euro schweren Wasserstoffplan. Er sieht den Aufbau der nötigen Infrastruktur zur Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff vor – und seine Nutzung für die Busse und Züge der Region. Damit verbunden ist das Projekt Corridor H2, ein geplanter Wasserstoff-Transportkorridor in Okzitanien, auf der Nord-Süd-Achse zwischen Mittelmeer und Nordsee. Die EIB unterstützt das Projekt mit 40 Millionen Euro.

    „Die Region könnte anderen Gegenden in Frankreich zeigen, wie man diese Projekte entwickelt“, sagt José Rino, Experte für Luft- und Seeverkehr und innovative Verkehrskonzepte bei der EIB.

    Die EIB ist ein wichtiger Geldgeber für die Offshore-Windenergie. Zehn Milliarden Euro stellt sie für 33 Projekte in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Portugal und im Vereinigten Königreich bereit. Außerdem finanziert die Bank innovative schwimmende Windkraftanlagen, die für tiefere Gewässer geeignet sind, wo der Wind kräftiger und zuverlässiger weht. So wie den neuen Windpark vor der Küste Portugals.

     Mit dem Projekt in Port-la-Nouvelle setzt die Region voll auf schwimmende Windkraftanlagen. Codorniou sieht in dieser Technologie „die Zukunft der Windkraft“. Allerdings brauchen die Parks auch erhebliche Unterstützung. „Wir sind froh über unsere Entscheidung“, sagt er. „Denn eine passende Hafeninfrastruktur für diese Windparks wird heute überall nachgefragt, auch vom französischen Staat.“