In Belgien entsteht derzeit die erste künstliche Energie-Insel. Weltweit ein Novum.
45 Kilometer vor der belgischen Küste läuft ein ehrgeiziges Projekt, das Europa bei Offshore-Grünstrom aus der Nordsee einen kräftigen Schub geben wird.
Die neue „Prinzessin-Elisabeth-Insel“ ist beeindruckend und eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. In der niederländischen Hafenstadt Vlissingen werden dafür 60 Meter lange Senkkästen aus Beton gebaut, die anschließend ins offene Meer geschleppt und dort bei einer Wassertiefe von 45 Metern versenkt werden. Anschließend wird der Innenraum mit Sand aufgefüllt. So entsteht eine sechs Hektar große künstliche Insel mit Hafen und Hubschrauber-Landeplatz. Wenn sie Anfang der 2030er-Jahre ihre Zielgröße erreicht, dient sie als Knotenpunkt für zwei oder gar drei neue Offshore-Windparks.
Die Wirkung des Projekts geht weit über Belgien hinaus. Aufgrund der strategischen Lage in der Nordsee könnte die Insel als Knotenpunkt für künftige Stromverbundleitungen zwischen Belgien und anderen europäischen Ländern wie dem Vereinigten Königreich dienen. Solche internationalen Netzverbindungen würden die Energieversorgung sicherer machen und für mehr Wettbewerb sorgen.
„Die neue Energie-Insel zeugt von unserem Engagement für eine nachhaltigere Zukunft in Europa“, sagt EIB-Vizepräsident Robert de Groot. „Sie steht für Innovation, Entschlossenheit und unsere gemeinsame Vision für eine nachhaltige Zukunft.“
Naturverträgliche Insel schützt Meeres-Ökosysteme
Entwickelt wurde das Projekt von der Elia Group, die die Stromnetze in Belgien und im Norden und Osten Deutschlands betreibt. Beim Bau der neuen Insel tut das Unternehmen alles, um die empfindliche Meeresumwelt möglichst wenig zu belasten. Ihre naturverträgliche Gestaltung schützt die Artenvielfalt ober- und unterhalb der Wasseroberfläche.
Auf der Insel sind spezielle Nistplätze für Vögel vorgesehen, und unter Wasser schafft das Projekt ideale Bedingungen für Austernbänke und andere Meeresbewohner. So wird aus einer normalen Offshore-Konstruktion ein künstliches Riff, das das Ökosystem der Nordsee aktiv schützt.
„Europas Meere werden die Kraftwerke der Zukunft“, sagt Marleen Vanhecke, die bei der Elia Group die externe Kommunikation verantwortet. „Elia will bei nachhaltigen Offshore-Infrastrukturen der Zukunft Maßstäbe setzen. Unsere Maßnahmen für die Artenvielfalt sollen andere Entwickler dazu animieren, es uns nachzutun.“
EU-Gelder für grüne Projekte
Die Europäische Union will ihre Wirtschaft bis 2050 dekarbonisieren. Da Elias Projekt wesentlich zu diesem Ziel beiträgt, erhält es von der EU umfangreiche finanzielle Unterstützung. Für die erste Phase – den Bau der Insel – hat die Europäische Investitionsbank einen grünen Kredit über 650 Millionen Euro zugesagt. Insgesamt kostet die Insel schätzungsweise 1,1 Milliarden Euro.
„Mit unserer künstlichen Energie-Insel kann Europa seinen Innovationsvorsprung ausbauen und in der globalen Energiewende wettbewerbsfähiger werden“, sagt Catherin Vandenborre, CFO der Elia Group. „Dieser Kredit bietet uns eine stabile, langfristige Finanzierung – zum Wohl der belgischen Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Das Projekt wird außerdem aus der europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität mit 100 Millionen Euro bezuschusst. Dahinter steht der REPowerEU-Plan, mit dem sich Europa von Öl-, Gas- und Kohleimporten unabhängig machen will.
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Wie es nach 2027 weitergeht
2027 steht die Insel. In Phase II werden dann die Hochspannungsleitungen und weitere Infrastruktur für die Speicherung und Verteilung von Windstrom gebaut. Und in Phase III folgen die Seekabel, die den Offshore-Strom nach Belgien bringen.
Die steigenden Preise für Elektroanlagen, vor allem für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), treiben die Projektkosten in die Höhe. Elia prüft derzeit alle Optionen, wie sich das Projekt finanziell und technisch stemmen lässt. Unterdessen wird weiter an den Fundamenten und den Wechselstrom-Anlagen gebaut. Wenn die Insel fertig ist, können zwei der drei geplanten Offshore-Windparks angeschlossen werden, die etwa 60 Prozent der Prinzessin-Elisabeth-Zone ausmachen.