1. Das Projekt

Bei dem Projekt Lesotho Highlands Water (LHWP) handelt es sich um ein wichtiges länderübergreifendes Vorhaben, das ein System von Dämmen und Stollen umfasst, um Wasser aus dem Einzugsgebiet des Oranje-Flusses im Hochland von Lesotho zu stauen und in das industrielle Herzland Südafrikas, das Gauteng-Gebiet bzw. den Großraum Johannesburg, zu leiten. Zum Projekt gehört außerdem ein Wasserkraftwerk in Muela, dessen Bau sich praktisch als "Nebeneffekt" des Wassertransports anbietet.

Gemäß einem 1986 zwischen Lesotho und Südafrika abgeschlossenen Vertrag wird das Projekt von zwei eigens hierfür errichteten öffentlichen Einrichtungen durchgeführt: der Lesotho Highlands Development Authority (LHDA) in Lesotho und der Trans Caledon Tunnel Authority (TCTA) in Südafrika. Laut Vertrag fallen alle Wassertransportkomponenten in den Zuständigkeitsbereich von Südafrika (insbesondere im Hinblick auf die Projektkosten), während Lesotho für die Stromkomponente zuständig ist.

Da das Projekt sehr umfangreich ist, wird es in Abschnitten durchgeführt: Abschnitt 1A umfasste die Staudämme bei Katse und bei Muela sowie Wassertransportstollen. Dieser Abschnitt wurde zwischen 1990 und 1998 durchgeführt und die entsprechendenden Projektanlagen befinden sich vollständig in Betrieb. Das Wasserkraftwerk von Muela ist nicht Teil dieses Projektabschnitts. Der Abschnitt 1B umfasst im wesentlichen den Mohale-Staudamm, den Mohale-Stollen sowie den Matsoku-Stollen und das Matsoku-Stauwehr. Mit den Arbeiten wurde 1995 begonnen und sie sollen im Jahr 2003 abgeschlossen werden. Weitere Abschnitte sind geplant, aber noch nicht beschlossen und dürften erst in einigen Jahren in Angriff genommen werden.

2. Nutzenelemente für Südafrika und Lesotho

Lesotho ist weiterhin eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt und verfügt - mit Ausnahme von Wasser, wovon es selbst weniger als 6% verbraucht - über keine nennenswerten natürlichen Ressourcen. Daher verfolgte die Regierung die Strategie, den größtmöglichen Nutzen aus dem Verkauf des überschüssigen Wassers zu ziehen. Die Einsparungen, die sich aus der Durchführung des LHWP im Vergleich zur nächstbesten Alternative ergeben, wurden zwischen den beiden Ländern aufgeteilt. 56% wurden Lesotho zugesprochen, wofür Südafrika Gebühren an Lesotho zahlt. Diese Zahlungen dürften durchschnittlich etwa 33 Mio EUR pro Jahr für beide Projektabschnitte betragen. Dies entspricht 4% des BIP und 10% der Staatseinnahmen, und stellt somit eine beträchtliche Einnahmenquelle für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten in Lesotho dar.

Südafrika ist ein wasserarmes Land mit regelmäßigen Dürreperioden und sehr unregelmäßig verteilten Niederschlägen. Die Verfügbarkeit von Wasser verteilt sich zudem sehr ungleichmäßig; ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung verfügt noch nicht über einen sicheren Zugang zu Wasser und eine angemessene Abwasserentsorgung. Vor der Durchführung des Projekts war die chronische Wasserknappheit besonders im Gauteng-Gebiet mit seiner umfangreichen industriellen Tätigkeit und seinen zahlreichen Townships ein akutes Problem. Diese Region, in der mehr als 10 Millionen Menschen leben und die fast 60% des südafrikanischen BIP erwirtschaftet, ist eines der wenigen Ballungsgebiete der Welt, das nicht an einem natürlichen Gewässer liegt. Eine aktive Suche nach zusätzlichen Wasserressourcen war deswegen dringend erforderlich und von vorrangiger Bedeutung. Dabei wurde der Wassertransport über Zwischenspeicher als kostengünstigste Lösung ermittelt, was zu dem umfangreichen Projekt Lesotho Highlands Water führte. Ein Vergleich mehrerer Alternativen wie z.B. Nichtdurchführung des Projekts oder Durchführung eines anderen Projekts ergab, dass die südafrikanischen Wasserverbraucher durch den Abschnitt 1A und 1B des Projektes Lesotho Highlands Water jährlich geschätzte 30 Mio USD einsparen.

3. Projektkosten und Finanzierungsbeitrag der EIB

Die Finanzierungsmittel für beide Abschnitte werden in erster Linie in Form von "Wasseranleihen" auf dem südafrikanischen Kapitalmarkt aufgenommen.

Nachdem zuvor bereits 3,5 Mio EUR für die Vorbereitungsphase bereitgestellt worden waren, genehmigte der Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank 1993 und 1998 Finanzierungsbeiträge von insgesamt 20 Mio EUR für Abschnitt 1A und von 99 Mio EUR für Abschnitt 1B des Vorhabens.

Die Tätigkeit der EIB in Lesotho erfolgt im Rahmen eines von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilten Finanzierungsmandats auf der Grundlage des Zweiten Finanzprotokolls zum Vierten Abkommen von Lome. Der EIB-Finanzierungsbeitrag hat die volle Unterstützung der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten, die in einem Ausschuss von Vertretern der Mitgliedstaaten, die hauptsächlich aus den Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit kommen, einstimmig eine positive Stellungnahme dazu abgegeben haben.

Die Kosten des Abschnitts 1A beliefen sich auf 1,5 Mrd EUR und es wurden dafür Mittel von europäischen Exportkreditagenturen (380 Mio USD), von der Weltbank (69 Mio USD), von der Europäischen Kommission (50 Mio EUR) und von der EIB (23,5 Mio EUR: 3,5 Mio EUR aus Risikokapitalmitteln für die erste Machbarkeitsstudie, 15 Mio EUR aus Risikokapitalmitteln und 5 Mio EUR aus eigenen Mitteln der Bank) bereitgestellt. Abschnitt 1B wird [derzeit] auf 1,1 Mrd EUR veranschlagt. Seine Finanzierungsstruktur ist vergleichbar, wobei die EIB jedoch einen höheren Betrag (99 Mio EUR) bereitstellt.

4. Umwelt- und soziale Aspekte

Die Projektanlagen werden im dünn besiedelten Hochland von Lesotho errichtet. Die Durchführung des Abschnitts 1A hat die Umsiedlung von 357 Haushalten erforderlich gemacht; von Abschnitt 1B werden 450 Haushalte betroffen sein. Die Kenntnisse über die verschiedenen Auswirkungen großer Staudämme und deren Bewältigung konnten in den letzten fünfzehn Jahren beträchtlich erweitert werden, und dabei bildet auch das Projekt Lesotho Highlands Water keine Ausnahme. Für das Projekt wurden spezifische Forschungsarbeiten durchgeführt, deren Ergebnisse in die Planung eingeflossen sind, und während der Projektdurchführung und des Betriebs der Anlagen wurden in enger Zusammenarbeit mit und unter Leitung der Weltbank umfangreiche Anstrengungen unternommen, um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, Verfahren und Maßnahmen zu berücksichtigen.

Die Untersuchungen zur Frage der erforderlichen Restwassermenge sowie die Lehren hinsichtlich der Entschädigungsmaßnahmen, die aus der Durchführung von Abschnitt 1A gezogen wurden und die bei der Verbesserung der entsprechenden Maßnahmen für Abschnitt 1B berücksichtigt wurden, sind gute Beispiele dafür. Die verbesserte Entschädigungspolitik wurde im Nachhinein auch auf Abschnitt 1A angewandt.

Die Entschädigungsmaßnahmen sind umfassend und berücksichtigen unter anderem Folgendes: a) den Verlust von physischem Besitz (Häuser, Krale, Gräber usw.), b) den Verlust von landwirtschaftlichen Ressourcen (Ackerflächen, Bäume, Ernten usw. in Privatbesitz), der durch Ersatzland, jährliche Geldzahlungen, Lieferung von Getreide und Hülsenfrüchten usw. kompensiert wird, sowie c) den Verlust von der Gemeinschaft gehörenden Ressourcen (Schulen, öffentliche Infrastruktur, Wasserversorgung, Kliniken usw.).

Von den Finanzierungsmitteln sind 115 Mio EUR - das sind 10% der Gesamtmittel für Abschnitt 1B - ausschließlich für Umwelt- und Sozialkomponenten bestimmt, was beträchtlich ist.

Die Wassergebühren werden zusammen mit anderen durch das Vorhaben erzielten Einnahmen (z.B. Steuereinnahmen während der Bauzeit) in einen dafür geschaffenen Einnahmenfonds eingezahlt. Dieser Fonds wird regelmäßig einer Prüfung unterzogen und seine Ausgabenpolitik wird von der Weltbank genau überwacht. Bis jetzt wurden Mittel hauptsächlich für von der betroffenen Bevölkerung ausgewählte, arbeitsintensive Infrastrukturvorhaben eingesetzt, so dass die gesamte Bevölkerung von Lesotho und insbesondere die arme Bevölkerung davon profitiert.

Insgesamt vertritt die EIB die Ansicht, dass sich die Lebensqualität der Hochlandbevölkerung - selbst bei einer Umsiedlung - verbessern wird, und zwar aufgrund der von dem Projekt ausgehenden Verbesserung der Infrastruktur, der Umschulung und anderer Maßnahmen in den Bereichen Sozialfürsorge und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie aufgrund der Entschädigungen. Zu all diesen Fragen wurde die Bevölkerung gehört und sie ist an den diesbezüglichen Entscheidungen beteiligt.

5. Vermeintliche Unregelmäßigkeiten und nachfolgende Überprüfungen

Bereits 1994 und auf eigene Initiative ergriffen die Projektbehörden rasch Maßnahmen. Nachdem im Rahmen einer Überprüfung des Managements zunächst vergleichsweise geringfügige Probleme aufgedeckt wurden, wurde der geschäftsführende Direktor vorläufig seines Amtes enthoben.

Es folgten weitere eingehende Untersuchungen, die Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung von Abschnitt 1A ans Licht brachten. Gefunden wurden dabei insbesondere Einzahlungen auf private Bankkonten in Europa und in Südafrika. Diese Entdeckungen zogen eine Reihe von rechtlichen Schritten nach sich, darunter 1999 die Einleitung von Gerichtsverfahren gegen eine Reihe von Unternehmen und Einzelpersonen. Die Verfahren laufen noch und eine Person befindet sich zur Zeit im Gefängnis.

Zusätzlich zu ihren eigenen regelmäßigen Prüfungen hat die EIB im Jahr 2000 auf eigene Initiative hin eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um eventuelle Auswirkungen von unregelmäßigen Praktiken auf die von ihr mitfinanzierten Projektbestandteile im Abschnitt 1A festzustellen (im Abschnitt 1B gab es keine vermeintlichen Unregelmäßigkeiten). Bei dieser Überprüfung, die in enger Koordination mit der Europäischen Kommission und dem OLAF, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, durchgeführt wurde, gelangte man zu folgendem Schluss:

  • Es hat keinen direkten oder spezifischen Missbrauch von EIB-Mitteln gegeben;
  • ein indirekter Missbrauch von EIB-Mitteln konnte nicht nachgewiesen werden: für jeden von der EIB mitfinanzierten Auftrag wurden für das Projekt reale Leistungen erbracht und Waren geliefert.

Um volle Transparenz zu gewährleisten, wurden die Ergebnisse der EIB-Prüfung von Abschnitt 1A dem OLAF und der Anklagebehörde Lesothos zur Verfügung gestellt.

Was den Abschnitt 1B angeht, so beauftragte die EIB Berater mit einer umfassenden Überwachung vor Ort. Diese hat eine ordnungsgemäße Durchführung des Vorhabens ergeben. Die Überwachung dieses Projektabschnitts wird in enger Koordination mit der Weltbank fortgeführt.

Der erst kürzlich überarbeitete Leitfaden für die Auftragsvergabe (der ebenfalls auf dieser Website einzusehen ist) legt Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption während der Auftragsvergabe fest. Artikel 3.5 bezieht sich auf Projekte außerhalb der EU und gibt der Bank - soweit erforderlich und angemessen - zusätzliche Befugnisse. Zu diesen Befugnissen der EIB gehört insbesondere die Ablehnung des von einem Projektträger für eine Auftragsvergabe bevorzugten Bieters, falls die Bank feststellt, dass verbotene Praktiken angewandt wurden, sowie die Möglichkeit, ein Darlehen der Bank ganz oder teilweise zu stornieren, falls bei der Auftragsvergabe und/oder beim Projektmanagement die Anwendung verbotener Praktiken entdeckt wird.