Dank technischer Hilfe der EU kann der palästinensische Mikrofinanzierer Faten acht Millionen US-Dollar an kleine Unternehmen weitergeben

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© Shua’a Yassin

Shua’a Yassin dans son laboratoire à Ramallah.

Shua’a Yassin will eigentlich nur eins: in seinem Labor im westjordanischen Ramallah schnellere und bessere Spezialtests für Patienten anbieten. Als medizinischer Labortechniker für Hämatologie hängte Yassin 2014 seinen Job im palästinensischen Gesundheitsministerium an den Nagel und gründete Lab Tech.

„Am Anfang waren wir ein reines Routinelabor“, erzählt er. „Später haben wir uns dann auf Hämatologie und Molekulartests spezialisiert.“ In seinem Labor arbeiten inzwischen neun Frauen und Männer.

Um mehr Tests anbieten zu können, musste Yassin modernere Geräte anschaffen. Dabei half ihm ein Kredit von Palestine for Credit and Development – Faten. Das in Ramallah ansässige Mikrofinanzinstitut bekam dieses Jahr von der Europäischen Investitionsbank (EIB) den zweiten Teil eines Darlehens über zehn Millionen US-Dollar.



Geld für palästinensische Kleinstunternehmen

Das gemeinnützige Mikrofinanzinstitut Faten wurde 1999 gegründet, um Kleinstunternehmerinnen zu unterstützen. „Im Laufe der Zeit haben wir expandiert und bieten unsere Mikrokredite nun einem breiten Kreis an“, erklärt Lubna Aboudi, Direktorin der Abteilung Investment and Treasury.

Hamza Ghannam, der die Kreditabteilung von Faten leitet, beziffert das ausstehende Portfolio des inzwischen größten Mikrofinanzinstituts im Westjordanland/Gazastreifen auf fast 157 Millionen US-Dollar bei 26 400 aktiven Begünstigten. Auch heute sind noch mehr als 30 Prozent der Kunden Frauen.

„Wir haben 35 Filialen in den Palästinensischen Gebieten, davon acht im Gazastreifen“, so Ghannam. „Außerdem gibt es eine virtuelle Filiale. Seit der Coronapandemie haben wir unsere Prozesse stärker digitalisiert.“

Einheitliche Kreditklauseln

2019 unterzeichnete die EIB mit Faten einen Kreditvertrag über zehn Millionen US-Dollar. Die ersten zwei Millionen wurden 2020 ausgezahlt. Aber dann trafen mehrere unglückliche Umstände zusammen, von Corona bis zu neuen Spannungen zwischen Israel und den Palästinensischen Gebieten*, und das Institut hatte Mühe, die Kreditbedingungen zu erfüllen. Dadurch verzögerte sich die Auszahlung der anderen acht Millionen US-Dollar.

Hinzu kam, dass Faten fast 50 unterschiedliche Finanzklauseln mit 17 verschiedenen Kreditgebern – darunter die EIB – vereinbart hatte. Das Institut drohte den Überblick zu verlieren.

Um Abhilfe zu schaffen und die übrigen acht Millionen US-Dollar auszahlen zu können, bot die EIB technische Hilfe an, finanziert aus einem Programm für finanzielle Teilhabe in der südlichen Nachbarschaft. Die Mittel stammen aus der Risikokapitalfazilität für die Länder der südlichen Nachbarschaft, die von der EIB und der Europäischen Kommission eingerichtet wurde, um Unternehmen in der Region besser mit Kapital zu versorgen.

„Das Programm für technische Hilfe richtet sich an eine Reihe von Ländern – Marokko, Tunesien, Jordanien, Algerien, Ägypten, Libanon, Jordanien und die Palästinensischen Gebiete“, erklärt Emma-Jayne Paul, Expertin für technische Hilfe und Mikrofinanz bei der EIB Global, dem Geschäftsbereich der EIB für Projekte außerhalb der Europäischen Union.

„Das Programm sollte zunächst drei Jahre laufen, war dann aber so erfolgreich, dass es noch um zwei Jahre bis Ende Januar 2025 verlängert wird“, berichtet sie. Die Beratung hilft Mikrofinanzinstituten und ihren Kunden in der südlichen Nachbarschaft, Finanzwissen und Managementkompetenz aufzubauen.

Weniger Vertragsklauseln

Faten nahm die Hilfe dankend an. Das Mikrofinanzinstitut hatte 49 unterschiedliche Finanzklauseln mit 17 verschiedenen Kreditgebern vereinbart. Daraus war ein kompliziertes Wirrwarr entstanden, weil sich die Klauseln oft nur minimal unterschieden. Ein Beispiel: Um seine Eigenkapitalquote zu berechnen – ein Indikator für die Finanzkraft –, durfte das Institut bei manchen Kreditgebern nur bestimmte Assets berücksichtigen. Bei anderen war der Rahmen dafür breiter.

Faten überprüfte alle Klauseln und sortierte aus. Übrig blieben sechs. Anschließend wurde in langen, komplexen Verhandlungen mit jedem Kreditgeber um die neuen Klauseln gerungen.

Das Ganze sollte eigentlich nur ein paar Monate dauern, zog sich dann aber fast über ein Jahr hin. Denn jeder Kreditgeber musste die Vorschläge mit seinem Risikoausschuss abklären und eventuelle Änderungen an Faten weitergeben. Faten baute sie ein und leitete die geänderten Klauseln an die anderen 16 Kreditgeber weiter, die sie dann ihrerseits wieder überprüften.

Krisensichere Konditionen

Die politische Lage im Westjordanland und im Gazastreifen ist kompliziert, immer wieder brechen Krisen aus. „Wir kontrollieren unsere Grenzen nicht, weder die Grenze zwischen Jordanien und den Palästinensischen Gebieten noch die Seegrenzen oder die Grenzen zu Nachbarn wie Libanon und Syrien“, sagt Ghannam. „Das behindert den Export und Import mit anderen Ländern.“

Faten vergibt Kredite an kleinste und kleine Unternehmen, die möglicherweise finanziell nicht in der Lage sind, Währungsschwankungen abzufedern, bis ihre Exporte abgewickelt sind. „Das Ganze ist für sie sehr zeitaufwendig“, sagt Ghannam.

Als es darum ging, die Klauseln neu auszuhandeln, musste den Kreditgebern auch klar sein, warum das Geschäft von Faten zwangsläufig instabil ist.

Letztendlich gingen alle 17 Kreditgeber Kompromisse ein und einigten sich auf sechs Klauseln. Danach konnte die EIB die restlichen acht Millionen US-Dollar freigeben. Seit der Auszahlung im Juli hat Faten drei weitere Kreditgeber gefunden, die den sechs Klauseln ebenfalls zugestimmt haben.

Nun hofft das Team für technische Hilfe der EIB, das Gleiche auch für andere Mikrofinanzinstitute in krisengebeutelten Ländern durchzusetzen.



Lab Tech auf Zukunftskurs

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© Shua’a Yassin

Dank der Kredite von Faten konnte Lab Tech viele Speziallaborgeräte für Hormon- und Molekulartests kaufen. Mit den jüngsten 30 000 US-Dollar schaffte Shua’a Yassin im Februar Echtzeit-PCR-Testgeräte an.

„Jetzt suchen wir nach Geräten, die es in unserer Region noch nicht gibt, etwa Next-Generation Sequencing und Spezialinstrumente für die Analyse menschlicher DNA. Dafür brauchen wir wieder einen Kredit.“

Derzeit müssen Tests für die genetische Sequenzierung nach Israel, Jordanien oder Europa geschickt werden. „Die Ergebnisse liegen dann erst nach 20 oder 30 Tagen vor“, erläutert Yassin. „Mit eigenen Geräten ginge das schneller.“

* Diese Bezeichnung ist nicht als Anerkennung eines Staates Palästina auszulegen und lässt die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten zu dieser Frage unberührt.