Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind der Schlüssel im langfristigen Kampf gegen den Klimawandel. Aber auch in der aktuellen Energiekrise führt kein Weg an ihnen vorbei

Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank, André Küüsvek, Präsident der Nordischen Investitionsbank

Eine grüne Wende als Antwort auf Europas Energiekrise

Russlands Überfall auf die Ukraine hat Europa in eine Energiekrise gestürzt. Jetzt heißt es handeln. Europa muss seine Energieresilienz stärken und schneller auf eine emissionsarme Wirtschaft umsteigen.

Was wir brauchen, ist mehr Energieeffizienz in der Industrie und in den Haushalten und mehr erneuerbare Energien. Die Industrie konnte ihren Gasverbrauch schneller senken als erwartet, und in vielen Ländern warten Erneuerbare-Projekte und der Anschluss erneuerbarer Energieträger nur auf den Startschuss. Mehr Investitionen in saubere Energie heute bedeutet weniger Erderwärmung morgen – und weniger Abhängigkeit von teuren Energieimporten unzuverlässiger oder sogar böswilliger Lieferanten.

Wir alle wissen: Erneuerbare Energien sind der Schlüssel im langfristigen Kampf gegen den Klimawandel. Aber auch in der aktuellen Krise führt kein Weg an ihnen vorbei. Wir müssen unsere Energieresilienz nachhaltig ausbauen.

Die russische Invasion hat uns gezeigt, wie wichtig eine gesicherte Energieversorgung ist. Einfach ausgedrückt: Energie ist eine Frage der Sicherheit, Dekarbonisierung eine Frage der strategischen Autonomie.

Die Politik steht klar hinter diesen Zielen. Zahlreiche jüngere Initiativen belegen das, darunter die Erklärung von Versailles zur Verringerung der Energieabhängigkeit, der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission und zuletzt die Erklärung von Marienborg der baltischen Staaten.

Jetzt kommt es darauf an, durchzuhalten – auch wenn die Kosten der aktuellen Energiekrise Unternehmen und Haushalte belasten und Volkswirtschaften in Richtung Rezession treiben. Die augenblickliche Belastung darf die Gesellschaften nicht vom Ziel eines gerechten Übergangs abbringen.

Unabhängigkeit von russischem Gas kostet Geld. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission muss Europa bis 2030 zusätzliche 270 Milliarden Euro für Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Stromnetze in die Hand nehmen.

Internationalen Finanzierungsinstituten wie der Nordischen Investitionsbank und der Europäischen Investitionsbank kommt in Zeiten der Krise eine besondere Rolle zu. Wenn Geschäftsbanken vorsichtiger werden und sich bei Krediten zurückhalten, müssen Institute wie unsere in die Bresche springen. Dank unserer hohen Bonität und stabilen Kapitalausstattung können wir wichtige Projekte langfristig finanzieren. Und wir mobilisieren damit zusätzliche private Investitionen, sogar in schwierigsten Zeiten.

Entscheidend ist, dass nationale, regionale und EU-Einrichtungen zusammenarbeiten. Die EIB und die Nordische Investitionsbank tun dies bei der Finanzierung großer Projekte schon seit Langem. In den letzten fünf Jahren haben wir auf diese Weise Projekte im Umfang von rund zehn Milliarden Euro auf den Weg gebracht – und weitere sind in der Pipeline.

Unsere gemeinsamen Projekte bereichern viele Branchen, von Verkehr und Infrastruktur bis hin zu Schulen und Krankenhäusern. In Lettland förderten wir eine neue Umgehungsstraße, um dicht besiedelte Teile der Stadt Kekava zu entlasten. Das Ergebnis: weniger Umweltverschmutzung und Staus, sicherere Straßen. In Espoo, in Finnland, entstanden mit unserer Hilfe acht neue Schulen und Tagesstätten für 4 000 Kinder und Jugendliche.

Im Energiesektor hatten unsere beiden Banken großen Anteil an vielen Vorzeigeprojekten, darunter Windparks, neue Batterien und Verbundleitungen. In der neuen Batteriefabrik von Northvolt in Nordschweden werden künftig die weltweit umweltfreundlichsten Lithium-Ionen-Batterien produziert – mit minimalem CO2-Fußabdruck. Und die Unterstützung von Vestas Wind Systems in Dänemark ist ein strategischer Schritt in der Energiewende, weg von herkömmlichen Energiequellen hin zu erneuerbarer Energie und Klimaschutz. Solche Projekte stärken nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie Europas, sie bringen dank Forschung und Entwicklung die grüne Wende weltweit voran.

Wir spüren in dieser schweren Zeit, welche Verantwortung wir tragen. Und wir sind bereit, mehr zu tun. Die Europäische Investitionsbank und die Nordische Investitionsbank werden ihre Zusammenarbeit vertiefen, vor allem im Ostseeraum. Das bedeutet saubere und sichere Energie für kleine Unternehmen, für die örtliche Bevölkerung und für Innovation. Und es bedeutet letztlich eine nachhaltigere Zukunft.