Web Summit 2018: Was ich auf Europas größter Technologiekonferenz gelernt habe

Was würde mich auf meinem ersten Web Summit erwarten? Tolle Vorträge und jede Menge Gleichgesinnte, hatte man mir erzählt. Der Mega-Event war aber noch viel größer und vielfältiger, als ich gedacht hatte.

Hier eine Zusammenfassung meiner acht wichtigsten Erkenntnisse von den drei Konferenztagen.

1. Technologie ist allgegenwärtig

Den meisten war es vielleicht klar, aber ich war doch erstaunt, wie vielfältig die Themen und wie unterschiedlich die Firmen und Rednerinnen und Redner auf dem Gipfel waren. Was an den Ständen und in den Veranstaltungen präsentiert wurde, war schier unglaublich – von Lösungen für Obdachlose bis hin zu verblüffenden Neuheiten in der Modebranche.

Bei einer Podiumsdiskussion mit einem UN-Kommissar ging es um digitale Menschenrechte. Auf einer anderen Veranstaltung befragte ein Tech-Journalist einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer, wie er sich auf seine Kämpfe vorbereitet und wofür er Instagram braucht.

Ohne die praktische Web Summit-App wäre ich völlig überfordert gewesen. Aber so bekam ich einen Überblick über alle Veranstaltungen, Personen und Firmen, gut abgestimmt auf meine Interessen.

>@Eóin Noonan/Web Summit via Sportsfile
© Eóin Noonan/Web Summit via Sportsfile

Tim Berners-Lee, Web Foundation, interviewed by Laurie Segall, CNN, on the Centre Stage at the Web Summit 2018

2. Gipfel macht Schlagzeilen

Leider habe ich es nicht geschafft, zu den Veranstaltungen und Diskussionsrunden mit den echten Koryphäen zu gehen. An meinen News-Feeds konnte ich jedoch schnell sehen, wie viele Schlagzeilen die Konferenz machte.

Da wurde über einen globalen Gesellschaftsvertrag für den digitalen Raum diskutiert, es gab Reaktionen auf die US-Wahlen, und es ging darum, wie man die Radikalisierung eindämmen kann – der Gipfel war einfach überall in den Medien.

Eine beunruhigende Meldung ist mir im Gedächtnis geblieben: Laut dem Begründer des World Wide Web Tim Berners-Lee dürfte 2019 die Hälfte der Weltbevölkerung einen Internetanschluss haben, aber das Interesse, online zu gehen, nimmt zum Teil ab. Dadurch wird die „digitale Kluft“ wieder größer.

>@Stephen McCarthy/Web Summit via Sportsfile
© Stephen McCarthy/Web Summit via Sportsfile

Mmantsetsa Marope, Director of the International Bureau of Education, UNESCO, on the Forum Rostra Stage

3. Frauen in der Tech-Welt

Die jüngsten Arbeitsniederlegungen bei Google zeigen, dass dieses Thema in der Tech-Branche angekommen ist. Zu lange wurde Frauen in der Tech-Welt nur eine Nebenrolle zugestanden. Die Verantwortlichen des Web Summit scheinen das verstanden zu haben.

Ohne Frauen finden wir nicht die Antworten, die wir brauchen

  • meinte Lisa Jackson, die für Umweltschutz zuständige Vizepräsidentin von Apple.

Auf allen Veranstaltungen, die ich besucht habe, waren Frauen als Teilnehmerinnen oder Moderatorinnen vertreten. Im Vergleich zu anderen Technologiekonferenzen war das ein Lichtblick.

4. Welche neue Technologie setzt sich durch?

>@EIB

Ambarish Mitra, CEO of Blippar, demonstrates Augmented Reality

So manche neue Technologie wird erst jahrelang diskutiert und erprobt, bis sie sich im Alltag durchsetzt.

Zum Beispiel Sprachtechnologie. Firmen versuchen immer noch, sie in Produkte oder Dienstleistungen zu integrieren.

Jetzt könnte die erweiterte Realität (auch Augmented Reality oder AR) im Kommen sein. Diese Technologie, mit der zum Beispiel auf dem Smartphone zusätzliche Informationen eingeblendet werden, scheint immer populärer zu werden.

Vielleicht dauert es aber auch noch fünf bis sieben Jahre, bis sie sich durchsetzt. Das meint zumindest Ambarish Mitra, CEO der britischen AR-Firma Blippar.

Die AR-Technologie hat großes Potenzial, sofern sich eines Tages mit den eingeblendeten Informationen Geld verdienen lässt, etwa mit virtuellen Reklameflächen auf echten Gebäuden. Bislang halten sich die Technologiefirmen zurück. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

>@Stephen McCarthy/Web Summit via Sportsfile
© Stephen McCarthy/Web Summit via Sportsfile

Paddy Cosgrave, CEO, Web Summit, backstage on Centre Stage during the Web Summit 2018 Opening Ceremony

5. Renommierte Firmen ziehen viele Zuhörer an, brillieren aber nicht unbedingt mit ihren Rednern

Bei diesem Web Summit habe ich gelernt, dass Vorsicht geboten ist, wenn ein renommierter Technologiekonzern seinen „Produktleiter“ oder „Marketingchef“ (oder welchen Titel er oder sie auch immer trägt) aufs Podium schickt.

Wenn es um ihre Produkte geht, werfen diese Leute souverän mit Schlagwörtern wie „Flexibilität“, „revolutionär“ oder „Innovation“ um sich. Sie protzen auf der Bühne gerne mit den Nutzermetriken und globalen Erfolgen ihrer Firma.

Wertvolle Informationen habe ich dabei nicht bekommen. Wer meinte, von führenden Branchenvertretern etwas lernen zu können, wurde herb enttäuscht. Das nächste Mal mache ich einen großen Bogen um solche Präsentationen.

6. Marken sind für Produkte gedacht, nicht für Menschen

>@EIB

Debbie Millman, CEO, Design Matters Media, speaking with Eric Schurenberg, CEO & Editor-in-Chief, Inc and Fast Company

Auf Konferenzen wie dem Web Summit präsentieren sich auch unweigerlich die mit ihrer Marke verschmolzenen Profis. Auf der Visitenkarte steht ihr Name in Form eines Logos. Alles in ihrer Selbstdarstellung ist auf „innovativ“ getrimmt. Sie werfen wortgewandt mit Floskeln um sich, die sich gut twittern lassen.

Laut Debbie Millman, Gründerin und Moderatorin des Podcasts Design Matters, sind Marken aber „nur ein mentales Konstrukt“. Menschen sollten also nicht versuchen, Marken sein zu wollen.

Wenn wir eine Marke sein wollen, wollen wir ein mentales Konstrukt sein

  • meint Debbie Millman
  • 23 Februar 2019

Marken sind erst dann wirklich erfolgreich, wenn wir eine bestimmte, konstruierte Bedeutung mit ihnen verbinden. Wir Menschen jedoch sind komplex, verändern uns ständig. Laut Millman sperren wir uns selbst in einen Käfig, wenn wir aus uns eine Marke machen wollen. Es war wohltuend, das zu hören – und ich werde garantiert daran denken, falls ich meine Visitenkarte irgendwann neu gestalte.

7. Lissabon hat’s drauf

Die Web Summit-Veranstalter haben mit Lissabon einen Vertrag für die nächsten zehn Jahre abgeschlossen, was mich überhaupt nicht überrascht.

Immer wenn ich in der Konferenzwoche in der Stadt unterwegs war, war der Web Summit allgegenwärtig: vom Anmeldungszelt am Flughafen über die Hinweisschilder in der U-Bahn bis hin zu den freiwilligen Helfern, die einem gern den Weg erklärten und alle Fragen beantworteten. Sogar die Polizei freute sich, wenn sie weiterhelfen konnte. Alles lief beeindruckend reibungslos ab.

>@Sam Barnes/Web Summit via Sportsfile
© Sam Barnes/Web Summit via Sportsfile

Attendees make their way to the main stage for the Web Summit 2018

8. Innovation ist prima, Innovationsförderung ist aber genauso wichtig

Die Unternehmerinnen und Unternehmer und Start-up-Profis, mit denen ich mich auf dem Web Summit unterhielt, beeindruckten mich mit ihrem technischen Können, ihrer Kreativität und ihrem Tatendrang.

Alle hatten Ideen, mit denen sich wirkliche Probleme lösen lassen. Sie stellten auf der Konferenz ihre Produkte oder Dienstleistungen vor, die zum Teil schon nach kurzer Entwicklungszeit auf den Markt gekommen sind.

>@EIB

Marijn Tax and Jorrin Wristers, UX designer and Business Development Project Manager, Koek

Was nicht heißt, dass es damit schon getan ist: Sie müssen Nutzer gewinnen, komplexe Konzepte verständlich machen, geeignete Talente anwerben, ihr Unternehmen weiterentwickeln, die richtigen Leute treffen ...

Jorrin Wristers, Business Development Manager bei Koek, drückte es so aus: Viele sind auf der Suche nach den richtigen Kontakten, weil sie Rat, Unterstützung und Anleitung brauchen.

Oft wird dabei auf das Silicon Valley verwiesen, weil es Start-ups unterstützt und versteht, die richtigen Leute zusammenzubringen. Innovationen können nur erfolgreich sein, wenn sie auch gefördert werden.

Näheres dazu, wie die Bank und der Europäische Investitionsfonds Start-ups fördern, finden Sie unter http://accesstofinance.eu. Informieren Sie sich auch über unseren Beitrag zum Web Summit.