Europäische Klimapolitik ebnet Weg für revolutionäre Energieinvestitionen

In Wirtschaftskrisen bleiben zuerst die Investitionen auf der Strecke. Unternehmen blicken besorgt in die Zukunft und legen ihre Ausgaben auf Eis. Aber wenn wir in schwierigen Zeiten nicht investieren, riskieren wir, dass vorausschauende Finanzierungen zur Bewältigung langfristiger Probleme ausbleiben. Gerade jetzt könnten unsere Klima- und Nachhaltigkeitsziele in weite Ferne rücken. Wir dürfen diese Ziele aber nicht aus den Augen verlieren.

Laut europäischem Klimagesetz müssen die Mitgliedstaaten die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken und die EU bis 2050 klimaneutral sein. Diese beiden Zeitpunkte sind schneller erreicht als gedacht. Deshalb müssen wir die erforderlichen Klimaprojekte lange vorher in Angriff nehmen. Investitionen in diese Ziele müssen jetzt Priorität haben.

Die kurzfristigen Investitionsaussichten sind besorgniserregend. Der Krieg in der Ukraine scheint nicht enden zu wollen, und die Angst vor einer Rezession hängt in der Luft. Immer mehr Unternehmen verzichten auf Investitionen in Wachstum oder Innovation.



Auf Energieinvestitionen kommt es an

Untätigkeit und Fehler bei Themen wie dem Klimawandel können verheerende Folgen haben. Die Reaktionen und Maßnahmen von Politik, Wirtschaft und Finanzinstituten auf diese wirtschaftlichen und politischen Krisen werden unsere Zukunft auf irreversible Weise prägen. Vor diesem Hintergrund fand vom 27. bis 28. Februar das erste Forum der EIB-Gruppe statt, auf dem sich Fachleute aus Politik und Wirtschaft zu Themen wie Dekarbonisierung, Klimawandel, Digitalisierung, Ungleichheit, Geldpolitik und Umgang mit zunehmend autoritären Staaten austauschten. In die Gespräche flossen die neuesten Erkenntnisse des jährlichen Investitionsberichts der Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB ein.

Energie ist der Sektor, der in den nächsten Jahrzehnten die größte Aufmerksamkeit benötigt. Wir wissen schon lange, dass Europa zu stark von Öl- und Gaslieferanten außerhalb der EU abhängig ist. Die Energiekrise und die explodierenden Gaspreise machen deutlich, dass wir dieses Problem jetzt angehen müssen.

Um bis Mitte dieses Jahrhunderts grün und sauber zu werden, müssen wir allein in Europa jährlich zusätzlich mehrere hundert Milliarden Euro in Energie investieren. Und müssen wir das Geld in die richtigen Hände geben – an Ingenieure, Forschende, Innovatoren, Risikokapitalgeber und Gründerinnen revolutionärer Start-ups. Wir brauchen bessere Biokraftstoffe für Pkw, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge, mehr grünen Wasserstoff, fortgeschrittene Batteriespeichertechnologien und mehr Möglichkeiten zur Speicherung von Kohlendioxid. Wir brauchen leistungsfähigere Solarmodule und mehr Solaranlagen auf Gebäuden. Und wir brauchen Tausende neuer Windparks und effizientere Elektroautos.



REPowerEU fördert Energieinvestitionen und Klimaschutz

Aber das ist alles nicht billig. Deshalb schafft die EU eine finanzielle Grundlage für diese Revolution.

Ihr neuer REPowerEU-Plan soll für mehr Energieunabhängigkeit sorgen und verfolgt primär zwei Ziele: die Loslösung aus der Abhängigkeit von russischen Brennstoffen und eine moderne, bezahlbare Energieversorgung. Russland ist seit Jahrzehnten der Hauptlieferant Europas für Öl, Gas und Kohle. 2021 kamen rund 45 Prozent der gesamten EU-Gasimporte aus dem Land. Nach dem Überfall auf die Ukraine dürfte sicher allen klar sein, dass dies nicht so weitergehen kann.

Schätzungen zufolge müssen wir unter REPowerEU bis 2027 weitere 210 Milliarden Euro investieren, um die Einfuhr von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden. Die EIB-Gruppe wird REPowerEU in den nächsten fünf Jahren mit 30 Milliarden Euro unterstützen – zusätzlich zu unseren üblichen, umfangreichen Energiefinanzierungen. Damit dürften neue Energieinvestitionen im Volumen von 115 Milliarden Euro mobilisiert werden.

Um uns aus der langjährigen Abhängigkeit von Russland zu lösen, ist eine massive Elektrifizierung der Wärme- und Brennstoffversorgung in der Industrie sowie in Gebäuden und im Verkehrssektor unumgänglich. Auch Wohnungen und Gebäude müssen energieeffizienter werden. Schließlich entfallen auf sie etwa 30 Prozent des weltweiten Gas- und Stromverbrauchs, was jedoch meist durch hohe Energieverluste bedingt ist.

Energieinvestitionen verlagern sich auf Wasserstoff

Für energieintensive Branchen wie die Stahl- und Zementindustrie bietet grüner Wasserstoff viele Vorteile. Er wird mit Strom aus Wasserkraft oder Solarstrom hergestellt. Bis 2030 dürften rund 30 Prozent des europäischen Stahls mit grünem Wasserstoff produziert werden. Doch die Umstellung auf Wasserstoff ist teuer: Hunderte Milliarden Euro werden benötigt, um die Infrastruktur für seinen Transport und seine nachhaltige Herstellung aufzubauen. In den kommenden Jahrzehnten wird die EIB massiv in diesen Sektor investieren.

In vielen Ländern sinkt der Energieverbrauch. Im November 2022 ging die Erdgasnachfrage in Europa um fast 25 Prozent zurück. Das ist zum Großteil auf Energieeinsparungen der Haushalte zurückzuführen, in geringerem Maße auch auf Investitionen der Industrie in grüne Technologien, die weniger Gas oder Strom verbrauchen.

Die Energiekrise ist für alle ein Schock. Aber sie bietet auch die großartige Chance, einen neuen Kurs in eine klimaneutrale Zukunft einzuschlagen. Wir dürfen nur nicht stillstehen.