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Frauen arbeiten eher im informellen Sektor, ihre Arbeitsplätze sind schneller gefährdet. Bis heute können sie nicht in gleicher Weise und zu gleichen Bedingungen Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen wie Männer. Auch wenn die Statistiken von zunehmender Chancengleichheit und einer leichteren Erreichbarkeit von Bankleistungen für Frauen sprechen, konzentriert sich der klassische Finanzsektor oft auf Männer und formelle Unternehmen. Frauen, die ein immer wichtigeres Element der informellen Wirtschaft bilden, werden ignoriert.

Der Zugang zu grundlegenden Finanzprodukten und -dienstleistungen wie Sparbücher, Kredite, Überweisungen, Versicherungen oder finanzielle Bildung bietet Frauen jedoch eine echte Chance auf soziale und wirtschaftliche Teilhabe. Ein weiterer Punkt ist eine Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter.

Von den 88 Organisationen, die in die engere Wahl gekommen waren, wurde die Banco FIE S.A. mit dem europäischen Mikrofinanz-Preis 2022 ausgezeichnet. Vergeben wird dieser Preis in Höhe von 100 000 Euro von der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten des luxemburgischen Außenministeriums.

Die Großtat der bolivianischen Bank besteht darin, dass sie bei der allgemeinen Konzipierung ihrer Produkte und Dienstleistungen eine Geschlechterperspektive berücksichtigt hat, um ihr Angebot für Frauen leichter zugänglich zu machen. Dabei hat sie sich auf zahlreiche Studien über ihre Kundinnen gestützt. Die Produktpalette reicht von Mikroversicherungen (Lebens- und Krebsversicherungen) über technische Hilfe zur Steigerung der Produktivität von Frauen in der Agroindustrie bis hin zu Anleitungen für digitales Banking. Intern hat die Banco FIE ein innovatives Geschäftsmodell mit der Bezeichnung „Marca Magenta“ entwickelt, um den inklusiven Zugang zu Führungspositionen, die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen, Gewaltprävention und Chancengleichheit zu fördern.

In einer Gesellschaft, in der das soziale und kulturelle Gefüge die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen immer noch stark erschwert, sollte mit dem europäischen Mikrofinanz-Preis dieses Jahr eine Organisation aus einem Entwicklungsland ausgezeichnet werden, die einen konkreten und innovativen strategischen Weg gewählt hat, um auf die Probleme und Wünsche von Frauen zu reagieren – sowohl bei ihrer persönlichen als auch bei ihrer beruflichen Entwicklung.

Der Preis macht auch deutlich, dass die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen unverzichtbar ist, um Armut zu bekämpfen und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen. Die Vorsitzende der Jury, die Großherzogin von Luxemburg: „Das nachhaltige Entwicklungsziel 5 fordert die Geschlechtergleichheit und die Stärkung aller Frauen und Mädchen. Die sehr hohe Zahl der diesjährigen Bewerbungen, die alle sehr interessant und diversifiziert waren, zeigt, dass das Interesse an der Umsetzung dieser Ziele wächst. Und das aus gutem Grund: Frauen sind der Schlüssel dazu, die Welt zu einem besseren Ort zu machen!“

Franz Fayot, Minister für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten des Großherzogtums Luxemburg und ebenfalls Mitglied der Jury, zum selben Thema: „Die finanzielle Teilhabe von Frauen ist besonders wichtig, vor allem in Zeiten der Krise. Wir müssen uns überlegen, welche Rolle der Finanzsektor bei einem gleichberechtigten Zugang zu finanziellen und nicht finanziellen Dienstleistungen spielen sollte. Frauen haben bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ihrer Gemeinschaften eine Katalysatorfunktion, die noch allzu oft unterschätzt wird. Die ganzheitlichen Ansätze der diesjährigen Preiskandidaten zeigen zahlreiche innovative Initiativen auf, die zu einer besseren finanziellen Inklusion von Frauen führen.“ 

Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank, über die Bedeutung eines solchen Preises für den Sektor: „Wir alle wissen, dass die Gleichstellung der Geschlechter eine raschere Wirtschaftsentwicklung fördert und unsere Gesellschaftssysteme stabiler macht. Leider sind die Chancen für Frauen nach wie vor nicht dieselben wie für Männer. Das ist für uns alle von Nachteil. Wir müssen die Gleichstellung von Frau und Mann verbessern. Wir müssen den Wandel durch konzertierte Taten und Investitionen vorantreiben. Wir müssen die Best Practice bündeln und in den Mittelpunkt stellen. Genau das machen wir heute mit dem europäischen Mikrofinanz-Preis für die finanzielle Inklusion von Frauen. Die bemerkenswerten Leistungen der Finalisten aus Kolumbien, Bolivien und Pakistan müssen uns allen als Vorbild dienen.“

Die beiden Finalisten Bancamía aus Kolumbien und Kashf Foundation aus Pakistan erhielten jeweils 10 000 Euro.

Europäischer Mikrofinanz-Preis

Im Oktober 2005 rief die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten des Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten des Großherzogtums Luxemburg den europäischen Mikrofinanz-Preis ins Leben, um innovative Denkansätze in der Mikrofinanz zu fördern. Die in ihrer Art einmalige Auszeichnung ist ein gemeinsames Projekt des Luxemburger Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten (MAEE), der Europäischen Plattform für Mikrofinanzierungen (e-MFP) und des Inclusive Finance Network Luxembourg (InFiNe.lu).