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    >> Die Reihe „Klimalösungen“ ist auch als Podcast und E-Book erhältlich.


    Von Janel Siemplenski Lefort, Arnold Verbeek, Surya Fackelmann und Brendan McDonagh

    Die Ernährung der Menschheit ist schon immer auf Kosten unseres Planeten gegangen. Über Jahrtausende haben wir die Natur zurückgedrängt, um Platz für Nutzpflanzen und Weidetiere zu schaffen.

    In den letzten 5 000 Jahren wurde die Hälfte der Waldflächen auf der Erde gerodet. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gingen in den Tropen jedes Jahr sieben Millionen Hektar Wald verloren, hauptsächlich an die Landwirtschaft.

    Wir müssen 7,6 Milliarden Menschen auf der Welt ernähren – das schädigt Ökosysteme, zehrt an Wasserressourcen und treibt den Klimawandel voran. Die Landwirtschaft trägt mit der Produktion von Lebensmitteln und Erzeugnissen wie Leder mehr als ein Drittel zu den globalen Treibhausgasemissionen bei und ist für rund ein Drittel des globalen Energieverbrauchs verantwortlich. Der Großteil dieser Energie stammt aus nicht erneuerbaren Quellen. Neben der Lebensmittelproduktion hat auch die Rodung von Wäldern einen großen Anteil am CO2-Ausstoß, weil dadurch Kohlenstoffsenken verschwinden. 

    Die Weltbevölkerung soll bis 2100 auf elf Milliarden wachsen. Wenn wir alle diese Menschen ernähren wollen, ohne auch noch unsere letzten natürlichen Ressourcen zu vernichten, muss die Landwirtschaft einen Weg zur Koexistenz mit Mutter Natur finden. Wir müssen die Landwirtschaft durch Innovation effizienter machen, wir müssen aufhören, 30 Prozent unserer Lebensmittel zu verschwenden, und wir müssen überdenken, was und wie wir essen.

    Was wir brauchen, ist eine weniger ressourcenintensive, produktivere und gleichzeitig nachhaltigere Landwirtschaft.

    Innovation: mehr Ertrag mit besseren Methoden

    Vor der industriellen Revolution konnten Bauern sich glücklich schätzen, wenn sie ihre Familie satt bekamen. Später dann machten technische Fortschritte und bessere Maschinen es möglich, dass ein Bauernhof Hunderte von Menschen ernährt. Die industrielle Produktion von Nahrungsmitteln wird oft kritisiert, aber dank ihr können wir eine große Bevölkerung mit relativ geringem Arbeitskräfteeinsatz ernähren.

    Nur haben wir es vielleicht übertrieben.                    

    Wir können heute mehr Nahrung billiger produzieren, setzen dafür aber zu stark auf chemische Dünger und Pestizide und eine industrielle Tierhaltung. Der Preis eines Lebensmittels ist zum wichtigsten Faktor geworden, die Umweltfolgen wurden lange Zeit weitgehend ignoriert. Damit stoßen wir jetzt an die Grenzen. Bis 2050 dürfte der weltweite Bedarf an Nahrungsmitteln um 98 Prozent steigen, während die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen unverändert bleiben. Das geht aus dem aktuellen Bericht der EIB Feeding future generations: How finance can boost innovation in agrifood hervor. Was wir brauchen, ist eine weniger ressourcenintensive, produktivere und gleichzeitig nachhaltigere Landwirtschaft.  

    Wie Technologie helfen kann

    Landwirtschaftliche Betriebe nutzen schon heute Big Data zur Überwachung und Steuerung ihrer Produktion. Mit der GPS-gestützten Bodenprobenahme können sie beispielsweise Bodenfruchtbarkeits-Karten erstellen, die Aufschluss geben über den Nährstoffgehalt, PH-Wert oder andere Merkmale von Feldern. Das hilft bei der Wahl des geeigneten Saatguts und des passenden Düngers. Außerdem können Daten aus anderen Bereichen des Betriebs integriert werden, wie etwa Informationen zum Pflanzen- oder Tierwachstum, Finanzdaten und Lagerbestände oder Wetterprognosen, um nur einige wenige zu nennen. So können die Betriebe in einem komplexen Umfeld schnelle, fundierte Entscheidungen treffen.

    Es geht nicht allein darum, Anbau und Tierhaltung zu überwachen, sondern auch um die Kosten-Nutzen-Analyse der verschiedenen Produktionsbereiche und eine bessere Bestandskontrolle, um eine unnötige Vorratshaltung zu vermeiden. Damit lassen sich wiederum die Rentabilität und die Produktionsleistung steigern.

    Die meisten Betriebe können mit Big-Data-Analysen ihre Produktivität um fünf bis zehn Prozent erhöhen. Dazu muss allerdings der Datenaustausch besser funktionieren, und die verschiedenen Programme für landwirtschaftliche Daten müssen kompatibler werden.

    Zu den landwirtschaftlichen Bereichen, die am stärksten von Big Data auf dem Acker profitieren könnten, zählen:

    • Gartenbau (Treibhaustomaten)
    • Geflügelwirtschaft
    • Milch- und Molkereiwirtschaft
    • Präzisionslandwirtschaft, die für ein besseres Anbaumanagement auf technologische Unterstützung angewiesen ist

    In der Milchwirtschaft beispielsweise liefert der Einsatz von automatischen Melksystemen Unmengen von Daten, die analysiert werden können. Solche Systeme können rund 200 000 Datenpunkte pro Jahr für eine einzige Kuh speichern.

    Mit der Integration von Echtzeitdaten ließe sich die Lieferkette im Agrarlebensmittelsektor effektiv verschlanken.

    Digitalisierung entlang der Lieferkette

    Die Integration der Echtzeitdaten von Bauernhöfen und Lieferantennetzen könnte letztlich Zwischenhändler überflüssig machen, wenn die Höfe ihren Bedarf direkt bei den Großhändlern decken. Ohne den Umweg über Zwischenhändler könnten die Lieferanten außerdem ihre Produktion besser planen, und die landwirtschaftlichen Betriebe müssten weniger Vorräte halten, was ihre Gemeinkosten senkt.

    Ähnliche Effizienzvorteile verspricht der direkte Draht der Agrarbetrieben zum Einzelhandel. Können Einzelhändler die Landwirte über ihren anstehenden Bedarf informieren, so bedeutet dies weniger Unsicherheit bei Entscheidungen über Nutzpflanzen oder ‑tiere, Mengen und Preise. Gleichzeitig können die landwirtschaftlichen Betriebe Händler über Produktionsmengen und deren Qualität informieren und ihnen so bei der Warenhaltung helfen. Mit der Integration von Echtzeitdaten ließe sich die Lieferkette im Agrarlebensmittelsektor effektiv verschlanken.

    Eine weitere Möglichkeit zur Effizienzsteigerung sind Agrarlebensmittel-Plattformen, die Betriebe direkt mit den Verbrauchern zusammenbringen. So kann der Einzelhandel anhand von Nachfrageprognosen die gesamte Lieferkette steuern. Und mit Big-Data-Algorithmen können die Händler ermitteln, welche Mengen sie bei den Bauernhöfen nachbestellen.

    Rückverfolgung von Erzeugnissen mit der Blockchain

    Technologien wie Blockchain-gestützte Smart-Monitoring-Systeme erlauben die Rückverfolgung einzelner Produkte bis zum Erzeuger und erhöhen so die Transparenz von Lieferketten 1Die Blockchain speichert, einfach gesagt, sämtliche Transaktionen in Code-Blöcken, die zu einer einzigen „Blockkette“ zusammengefügt werden. Mit dieser Technologie lassen sich Produkte anhand festgelegter Parameter wie Temperatur, Lieferdauer und Herkunft zurückverfolgen 2.

    Eine solche detaillierte Rückverfolgbarkeit der Produkte stärkt das Konsumentenvertrauen und erhöht die Lebensmittelsicherheit. Beispielsweise lässt sich nachvollziehen, ob Tiefkühlprodukte bei Gefriertemperatur transportiert wurden. Die Blockchain kann auch kostenintensive papiergebundene oder elektronische Berichte ersetzen und das Betrugs-, Korruptions- und Datenmanipulationsrisiko verringern. 

    Allerdings hat die Technologie auch ihre Grenzen. Die Vielzahl der gespeicherten Transaktionen liefert Unmengen an Informationen über ein Produkt, aber dadurch wird die Blockchain mit der Zeit auch immer größer. Die Technologie wird in der Agrarindustrie nur einsetzbar sein, wenn sie größere Datenmengen als jetzt bewältigen kann. Die Blockchain für die Kryptowährung Bitcoin beispielsweise hat derzeit eine Größe von über 165 Gigabyte 3. Da jeder Nutzer eine vollständige Kopie der Blockchain hat, wird es schwierig sein, ihre Größe für die vielen Beteiligten in der Lieferkette überschaubar zu halten.

    Hürden bei der Einführung neuer Technogien

    Bauernhöfe vom Einsatz neuer Technologien zu überzeugen, ist aus mehreren Gründen schwierig:

    • Landwirte sind von Natur aus risikoscheu.
    • Technologien erfordern Investitionen, die für manche nicht finanzierbar sind.
    • Viele Landwirte befürchten, die Kontrolle über ihre Daten zu verlieren.
    • Die meisten Landwirte in Europa sind nicht mehr ganz jung.

    Das Durchschnittsalter in den einzelnen Ländern klafft weit auseinander, EU-weit sind jedoch 56 Prozent der Bäuerinnen und Bauern 55 oder älter, 31 Prozent sind 65 oder älter. Die meisten von ihnen haben ihren Beruf lange vor der Verbreitung digitaler Technologien erlernt. Das bedeutet, dass in der europäischen Landwirtschaft eine Wachablösung ansteht. Die jüngere Generation, die dann übernimmt, ist in der digitalen Welt aufgewachsen und bringt in der Regel ein Grundverständnis für neue Technologien mit.

    Die Sorge vor dem Kontrollverlust über die eigenen Daten ist schwerer auszuräumen. Landwirte und andere Erzeuger befürchten eine Degradierung zu reinen Feldarbeitern, die keine Preise mehr aushandeln können, wenn sie anderen Zugang zu ihren Daten gewähren. Eine Lösung ist die Gründung von Datengenossenschaften, die von Landwirten betrieben werden, wie etwa die Grower Information Service Cooperative. Dort können die angeschlossenen Betriebe ihre Daten sicher speichern und anonyme Benchmark-Daten aus dem landwirtschaftlichen Verbund abfragen. Ähnliche Leistungen bieten das Farmers Business Network und Farmobile an. Sie ermöglichen den Mitgliedern im Netzwerk die anonyme Weitergabe von Daten zu allen möglichen Themen, von der Saatgutleistung bis zu Chemikalienpreisen. Die Daten werden von den Datengenossenschaften gesammelt und anschließend in aggregierter Form allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt.

    Natürliche Grenzen 

    Bauernhöfe sind keine Fabriken. Sie können nicht innerhalb von zwei Wochen einen Prototypen bauen und ihn dann binnen weniger Monate serienreif machen. Ob eine neue digitale Anwendung einen höheren Ernteertrag bringt, sieht man erst, wenn das Getreide wächst – und es wächst nur einmal im Jahr.

    Ebenso ist die Nutzfläche begrenzt. Soll auf einem Feld eine neue Anbaumethode getestet werden, fällt es für die Testphase unter Umständen für die Produktion aus. Das bedeutet weniger Ertrag und geringere Einnahmen.

    Ähnliche Einschränkungen gelten für die Viehwirtschaft. Ein Ferkel braucht im Durchschnitt 170 Tage, bis es sein Schlachtgewicht erreicht. Der Betrieb kann zwar die Aufzuchtbedingungen bestimmen – Auswahl der Ferkel, Futter, Temperatur und andere Faktoren; er hat aber nur wenige Male im Jahr die Möglichkeit, alles richtig zu machen.

    Allein durch eine andere Ernährung könnten wir die Umweltbelastung deutlich reduzieren – wenn wir mehr Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, Nüsse und Saaten essen und bei Fleisch und Milchprodukten darauf achten, dass sie nachhaltig erzeugt wurden.

    Anders essen

    Noch immer gibt es Menschen auf der Welt, die hungern müssen, während die meisten von uns mehr essen als je zuvor – und vor allem mehr Fleisch.

    Seit den 1960er-Jahren ist die weltweite Nahrungsmittelproduktion geradezu explodiert. Laut dem Weltklimarat hat sich die Produktion von Fleisch und Pflanzenöl seit 1961 verdoppelt. Das Pro-Kopf-Angebot an Kalorien ist seither um rund ein Drittel gestiegen.

    Veränderte Essgewohnheiten haben nach Angaben des Weltklimarats dazu geführt, dass rund zwei Milliarden Erwachsene übergewichtig oder fettleibig sind. Gleichzeitig leiden immer noch etwa 821 Millionen Menschen an Unterernährung.

    Das Problem bei Fleisch und Milchprodukten ist, dass die Viehwirtschaft mehr CO2-Emissionen verursacht und mehr Land verbraucht als pflanzliche Eiweißquellen. Allein durch eine andere Ernährung könnten wir die Umweltbelastung deutlich reduzieren – wenn wir mehr Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, Nüsse und Saaten essen und bei Fleisch und Milchprodukten darauf achten, dass sie nachhaltig erzeugt wurden. Bis 2050 könnten wir allein durch die Änderung unserer Essgewohnheiten mehrere Millionen Quadratkilometer Land der Natur zurückgeben und den CO2-Ausstoß radikal reduzieren.

    Der ökologische Fußabdruck von Rindfleisch

    Die Produktion von Rindfleisch, Fisch und Meeresfrüchten, Eiern und Milchprodukten nimmt rund 83 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch und verursacht 56–58 Prozent der Emissionen (CO2, Methan und sonstige), die in der Land- und Meereswirtschaft anfallen. Gleichzeitig decken wir nur 37 Prozent unseres Eiweißbedarfs aus diesen Nahrungsmitteln und nehmen nur 18 Prozent unserer Kalorien daraus auf, wie aus einer im Magazin Science veröffentlichten Studie hervorgeht. Die Emissionen sind bei tierischen Erzeugnissen höher, weil zur Fütterung der Tiere doppelt so viel pflanzliches Eiweiß benötigt wird, wie uns Fleisch an tierischem Eiweiß liefert.

    Aber das ist nicht das einzige Problem: Wenn Wälder gerodet werden, wird CO2 freigesetzt. In Brasilien werden immer wieder Teile des Amazonas-Regenwalds niedergebrannt oder abgeholzt, um Flächen für die Viehhaltung oder den Anbau von Futterpflanzen zu gewinnen. Hinzu kommt, dass Viehfutter zumeist an einem Ort angebaut (Sojabohnen im Amazonasgebiet) und von dort in andere Regionen (Bauernhöfe in Europa) transportiert wird. All dies vergrößert den ökologischen Fußabdruck von Fleisch.

    Die Treibhausgasemissionen je 100 Gramm Protein sind laut der Science-Studie bei der Rindfleischerzeugung zwölfmal so hoch wie in der Milchwirtschaft. Der Flächenverbrauch ist 50 Mal so hoch. Milchkühe wiederum stoßen 36 Mal so viel CO2 aus, wie beim Anbau von Erbsen anfällt, die ein guter Lieferant von pflanzlichem Eiweiß sind. Gleichzeitig verbrauchen die Kühe sechsmal so viel Land.

    Wir könnten uns einfach alle vegan ernähren.  Wenn wir Tierprodukte von unserer Speisekarte streichen, könnten wir laut der Studie den landwirtschaftlichen Flächenverbrauch um rund 76 Prozent senken und den CO2-Ausstoß um 49 Prozent. Durch die Renaturierung von Flächen, die nicht mehr zur Nahrungsmittelerzeugung benötigt werden, könnten der Atmosphäre über die nächsten 100 Jahre jährlich rund acht Milliarden Tonnen CO2 entzogen werden.

    Nur kommt veganes Essen vielen Menschen vermutlich nicht auf den Teller. Aber allein schon wenn wir weniger Tierprodukte essen, können wir den CO2-Ausstoß senken. Laut der Studie lassen sich zehn Milliarden Tonnen CO2 einsparen, wenn wir den weltweiten Konsum tierischer Produkte halbieren. Das entspricht 71 Prozent der Gesamteinsparungen, die durch den Verzicht auf Fleisch möglich sind. Den Flächenverbrauch könnten wir damit um 67 Prozent dessen reduzieren, was bei völligem Fleischverzicht möglich wäre.

    Eine weitere Option wäre, dass wir zurückverfolgen, wo unsere Nahrungsmittel herkommen, um CO2-arm wirtschaftende Erzeuger zu unterstützen. Denn wie aus der Studie hervorgeht, sind wenige CO2-intensiv wirtschaftende Betriebe für den Großteil der Emissionen verantwortlich. Bei Rindfleisch entfallen 56 Prozent der Treibhausgasemissionen und 61 Prozent des Flächenverbrauchs auf die 25 Prozent CO2-intensivsten Betriebe. Wenn wir darauf verzichten, Fleisch von diesen Erzeugern zu kaufen, ist für die Umwelt schon viel gewonnen. 

    Weniger Lebensmittel wegwerfen

    Die Zahlen sind erschütternd: Rund 25–30 Prozent der weltweit erzeugten Lebensmittel landen laut dem Weltklimarat im Müll. Lebensmittelabfälle verursachten in den Jahren 2010–2016 acht bis zehn Prozent der Treibhausgasemissionen (CO2, Methan, Stickstoffoxid und Fluorgase).

    Ein Ende der Lebensmittelverschwendung würde uns bei der Aufgabe, im Jahr 2100 elf Milliarden Menschen zu ernähren, ein gutes Stück voranbringen. Aber dafür müssen wir jeden Produktionsschritt verbessern, von der Erntetechnik über die Lagerung auf dem Bauernhof bis hin zur Infrastruktur, dem Transport, der Verpackung, dem Handel und der Verbraucheraufklärung.

    Einige europäische Länder sind das Problem in den letzten Jahren bereits angegangen. In Frankreich landen jedes Jahr geschätzt zehn Millionen Tonnen, oder zehn Milliarden Kilo, Lebensmittel in der Tonne. Deshalb verabschiedete Frankreich 2016 ein Gesetz, wonach Supermärkte mit einer Fläche von über 400 Quadratmetern keine unverkauften, aber noch verzehrbaren Waren mehr wegwerfen oder vernichten dürfen. Stattdessen müssen sie die Waren an Tafeln oder andere wohltätige Organisationen spenden. Einige Länder sind diesem Beispiel gefolgt und haben ähnliche Gesetze beschlossen, darunter Italien, Finnland, die Tschechische Republik und Peru. Im Jahr 2018 ging Frankreich noch einen Schritt weiter und dehnte die gesetzliche Regelung auf die Agrarlebensmittelindustrie und Großküchen aus.

    Die Deutschen werfen im Durchschnitt 55 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr weg. In Deutschland gibt es bislang kein Gesetz zum Umgang mit Lebensmittelabfällen, aber die Regierung hat sich vorgenommen, die Abfälle bis 2030 zu halbieren. Sie hat dazu eine gemeinsame Initiative gestartet, an der sich Verbraucher, Agrarlebensmittelbetriebe, gemeinnützige Organisationen, Vertreter der Politik und auch die Wissenschaft beteiligen.

    Apps gegen Lebensmittelverschwendung

    In den letzten Jahren sind viele Apps auf den Markt gekommen, die beim Kampf gegen Lebensmittelverschwendung helfen sollen. Manche davon, wie FoodCloud, bringen Restaurants und andere Unternehmen, bei denen Lebensmittel übrigbleiben, in Kontakt mit örtlichen Wohltätigkeitsorganisationen. Andere, wie Karma und OptiMiam, helfen Restaurants, Cafés und Supermärkten, überschüssiges Essen an Privatpersonen zu verkaufen.

    Und einige, wie Too Good To Go, sind regelrechte „Abfallkrieger“. Too Good To Go setzt an vier Stellen an: Haushalte, Unternehmen, Bildung und Politik. Für jeden dieser Bereiche verfolgt das Unternehmen mit seiner App individuelle Kommunikationsziele. Die Idee stammt ursprünglich von einer niederländischen Lebensmittel-App. Too Good To Go stellt Listen mit Lebensmittelangeboten örtlicher Geschäfte und Restaurants online. Privatpersonen können dort bestellen und die Ware zu einer vereinbarten Zeit abholen. Das rasch expandierende Unternehmen hat mittlerweile 350 Beschäftigte und viele offene Stellen in Europa zu besetzen. Too Good To Go ist derzeit in zwölf europäischen Ländern vertreten.

    In der Zukunft wird es nicht allein darum gehen, mehr Nahrung für mehr Menschen zu produzieren. Wir müssen uns auch von unserer nicht nachhaltigen Lebensmittelproduktion verabschieden, die staatlichen Konzepte korrigieren, unseren Lebensstil anpassen und unsere Geschmacksnerven umgewöhnen. Wir müssen eine Landwirtschaft fördern, die nicht im Krieg gegen die Natur steht.

    Wie geht es weiter?

    In der Zukunft wird es nicht allein darum gehen, mehr Nahrung für mehr Menschen zu produzieren. Wir müssen uns auch von unserer nicht nachhaltigen Lebensmittelproduktion verabschieden, die staatlichen Konzepte korrigieren, unseren Lebensstil anpassen und unsere Geschmacksnerven umgewöhnen. Wir müssen eine Landwirtschaft fördern, die nicht im Krieg gegen die Natur steht.

    Die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bieten eine Richtschnur dafür. Wie wir Nahrungsmittel produzieren, ist ein wichtiges Element in vielen der 17 Ziele, von „Kein Hunger“ über „Gesundheit und Wohlergehen“ bis hin zum Schutz der Ökosysteme in „Leben an Land“ und „Leben unter Wasser“. Mit diesen Zielen vor Augen können internationale Organisationen und multilaterale Geldgeber wie die Europäische Investitionsbank ihre Mittel in Projekte lenken, die dem Schutz des Planeten dienen.

    Aber große Worte werden nicht ausreichen, um künftige Generationen zu ernähren. Wir müssen unsere gewaltigen technologischen Möglichkeiten nutzen, um zu einer weniger invasiven und gleichzeitig produktiveren Landwirtschaft zu kommen. Und wir müssen den Ländern helfen, die bei technischen Neuerungen hinterherhinken, damit sie aufschließen. Das erfordert Geld und neuartige Finanzierungsmöglichkeiten für innovative Betriebe, wie etwa Crowdlending-Plattformen, Minibonds und Risikoteilungsinstrumente.

    Dies alles wird jedoch nur etwas bringen, wenn wir auch als Gesellschaft begreifen, was wir mit unseren tagtäglichen Essensentscheidungen bewirken, und dann handeln – also weniger verschwenden und anders essen. Die Politik wiederum darf die Landwirtschaft nicht nur als Wirtschaftszweig betrachten, sondern muss auch die Umwelt sehen. Dann kann sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen und Anreize setzen.

    Ein altes Sprichwort lautet: „Man ist, was man isst.“ Wie künftige Generationen satt werden, wird stark davon abhängen, was wir heute essen und wie wir es produzieren.

    Klimalösungen: Wie wir zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft beitragen können, als ...

    Entscheider: Einen Katalog von Umweltindikatoren – ergänzend zu bestehenden Gütesiegeln – beschließen und Agrarunternehmen dazu anhalten, diese Indikatoren zu messen und zu veröffentlichen. Bei schwer rückverfolgbaren Erzeugnissen wie Massenprodukten wird es auf die Offenlegung durch die Produzenten selbst ankommen. Für Tierprodukte gibt es bereits strenge Vorschriften, die eine Rückverfolgung bis zum Erzeuger ermöglichen. Im nächsten Schritt sollten sie die Verbraucher über den ökologischen Fußabdruck von Tierprodukten aufklären.

    Bürgerinnen und Bürger: Eine der vielen hilfreichen Apps nutzen, um weniger Essen zu verschwenden, und auch anderweitig Abfall vermeiden. Darauf achten, wo Lebensmittel herkommen und welche Umweltwirkung sie haben. Umweltschädigende Produkte wie Palmöl nur aus nachhaltiger Produktion beziehen. Weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren oder nach Möglichkeit zumindest darauf achten, dass sie aus nachhaltiger Erzeugung kommen.

    Finanzinstitute: Erkennen, wie wichtig der Sektor ist, um die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. An die Europäische Investitionsbank wenden, die technische und finanzielle Beratung zur Förderung von Innovationen im Agrarlebensmittelsektor bietet. Kompetenz aufbauen im Hinblick auf die besonderen Chancen und Risiken in diesem Sektor und geduldiges Kapital bereitstellen. Innovative Finanzierungskonzepte anbieten und eng mit dem Sektor zusammenarbeiten.

    Arnold Verbeek ist Senior Adviser, Surya Fackelmann ist Analystin im Bereich Beratung für Innovationsfinanzierungen der Europäischen Investitionsbank. Brendan McDonagh ist Berater bei der Europäischen Plattform für Investitionsberatung. Sein Beitrag gründet auf seiner vorherigen Tätigkeit bei Innovation Finance.


    >> Die Reihe „Klimalösungen“ ist auch als Podcast und E-Book erhältlich.


    1. Kritikos, 2017

    2. Blockchain: Eine Blockchain erfasst Daten in einem Peer-to-Peer-Netzwerk. Alle Mitglieder des Netzwerks können die Daten sehen und anhand von Konsensalgorithmen bestätigen oder ablehnen. Bestätigte Daten werden als eine Sammlung von „Blöcken“ im Hauptbuch erfasst und in einer unveränderlichen chronologischen „Kette“ gespeichert (SAP, 2018).

    3. Blockchain, 2018