Der Women’s Solutions Reporting Award geht an Journalisten und Dokumentarfilmerinnen, die über inspirierende Frauen im globalen Süden berichten

Vor fünf Jahren stieß der indische Journalist Sanket Jain auf WhatsApp auf die Posts einiger Gesundheitsaktivistinnen (sogenannter ASHAs), die ihn sofort in ihren Bann zogen. Im Status standen Dinge wie „Sag uns, dass Du schwanger bist“ oder „Wende Dich an medizinisches Personal“. Bald erkannte er, dass die ASHAs mit ihren Posts Frauen helfen und gegen Mythen kämpfen wollten, die im ländlichen Indien noch sehr verbreitet sind.

Und diese tief verwurzelten Mythen richten einigen Schaden an. So denken Frauen in den Dörfern etwa, dass sie in den ersten drei bis vier Monaten niemandem von ihrer Schwangerschaft erzählen dürfen. Oder dass sie ein dunkelhäutiges Kind bekommen, wenn sie dunkle Nahrung essen. Einige glauben, Schwangere sollten neun Monate zu Hause bleiben, was sie davon abhält, zum Arzt zu gehen.

Nachdem Sanket das Vertrauen von einigen Frauen gewonnen hatte, denen die ASHAs geholfen hatten, veröffentlichte er eine Story über sie in der MIT Technology Review: How Indian health-care workers use WhatsApp to save pregnant women. Das führte den ASHAs erstmals vor Augen, wie wichtig ihr Job ist und spornte sie noch mehr an. Und diesen Ansporn braucht es auch. Auf 1 000 Menschen kommt nur eine einzige ASHA, die über 70 Aufgaben zu erledigen hat – oft ohne Bezahlung.

Sankets Geschichte wurde von 20 Medienagenturen abgelehnt, ehe der Technology Review einer Veröffentlichung zustimmte. Doch seine Beharrlichkeit inspirierte andere Initiativen, so etwa auch eine Chatbox, mit der Gesundheitskräfte auf dem Land gegen Falschinformationen ankämpfen. Der frühere Kommunikationsdirektor von WhatsApp India bot Sanket sogar an, einen Workshop mit ASHAs zur besseren Nutzung von WhatsApp zu veranstalten.

Sanket Jain ist der Gewinner des Women’s Solutions Reporting Award, der im Rahmen der One World Media Awards vergeben wird, die die Berichterstattung über den globalen Süden auszeichnen. Gesponsert wird der Women’s Solutions Reporting Award von der Europäischen Investitionsbank und Plan International. Mit dem Preis werden Beiträge über Frauen und Mädchen prämiert, die erfolgreich Hürden überwinden – beim Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung oder auch im Umgang mit Klimafolgen und Umweltschutz.

>@Farhana Haider
© Farhana Haider

Ideen für ein besseres Leben

In ihrem „People Fixing the World“-Podcast stellte die BBC-Journalistin Farhana Haider in der Folge Jobs for Girls Jamila Mayanja vor, die das Projekt „Girls with Tools“ in Uganda ins Leben gerufen hat. Das Projekt hilft, Mädchen in Berufen auszubilden, die traditionell von Männern ausgeübt werden – etwa als Maschinenbauerin und Schweißerin bis hin zur Schreinerin und Bauarbeiterin. Sie erzählte auch vom Barefoot College in Indien, wo die Journalistin Chhavi Sachdev mit Ausbildenden sprach, die Frauen mit niedrigem Einkommen aus der ganzen Welt in Solartechnologie schulen.

„In meinen Storys will ich zeigen, dass Frauen Probleme nicht nur erkennen, sondern auch innovative Lösungen finden“, meint Farhana. „In den Nachrichten wird oft vor allem über Katastrophen, Konflikte, andere tragische Ereignisse und politische Unruhen berichtet.  Wir wechseln die Perspektive und schauen uns an, wie die Menschen auf solche Herausforderungen reagieren. Wir stellen die Lösungen und Ideen für ein besseres Leben in den Mittelpunkt.“

In Uganda werden 34 Prozent der Mädchen verheiratet, bevor sie 18 sind, 7 Prozent bevor sie 15 sind. Farhana interviewte Teenagerinnen, deren Leben sich durch einen Beruf und finanzielle Unabhängigkeit veränderte.

Sie sind fest entschlossen, andere Frauen einzustellen und ihnen so ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Mädchen waren sich sehr bewusst, dass ein eigenes Einkommen Unabhängigkeit und mehr Freiheit bedeutet.

Nach der Podcastfolge erreichten Jamila viele interessierte Rückfragen. Eine Frau aus Neuseeland spendete sogar 10 000 Dollar für mehr Kurse in Uganda.

„Frauen werden überall, aber vor allem im globalen Süden, Steine in den Weg gelegt. Und das nur wegen ihres Geschlechts“, meint Farhana. „Die außergewöhnlichen Frauen von Smart Girls Uganda und von Solar Mamas überwinden Hürden, bieten Lösungen und wollen die Welt zu einem gerechteren Ort machen. Ihnen eine Plattform zu geben, um in eigenen Worten ihre Geschichte zu erzählen, war mir eine echte Freude.“

>@Carmina Balaguer
© Carmina Balaguer

Lehrende und Kulturschaffende in den Bergen

Carmina Balaguer arbeitete sechs Jahre freiberuflich in Argentinien für den National Geographic und andere Medien. Drei Jahre lang war sie Lateinamerika-Korrespondentin für das US-Format „The Daily Brief“. Sie lebte ein Jahr in Quebrada de Humahuaca, einem Ort in der Provinz Jujuy, der zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, und schrieb Geschichten über Frauen. Dort traf sie ein Team, das mit einem Van das Kino in ländliche Schulen in hochgelegenen Gegenden brachte. Carmina filmte das Team auf einem 20-stündigen beschwerlichen Fußmarsch zu den abgelegensten Schulen.

„Ich war begeistert von dem Projekt und begleitete sie deshalb sechs Monate“, sagt Carmina. „Dann machte ich darüber einen Film. Sein Titel: La pantalla andina.“

Sie verfasste ein Drehbuch und suchte nach einer Hauptfigur. Den Film produzierte sie ohne Produktionsfirma. Carmina stellte ihr eigenes Filmteam zusammen und trotzte den Strapazen in 4 500 Metern Höhe. Als nächstes brauchte sie nur noch eine gute Vertriebsstrategie.

Der Dokumentarfilm wurde 2022 und 2023 auf 30 Festivals gezeigt und gewann sechs Preise. Er wurde außerdem im spanischen Fernsehen ausgestrahlt.

Nach dem Dreh installierte eine argentinische Stiftung in der abgelegenen Yaquispampa-Kommune WLAN. Und mit Genehmigung des Gouverneurs der Provinz wurde ein Kühlschrank per Hubschrauber hinauf gebracht.

Der Dokumentarfilm wurde beim 8. Festival Internacional de Cine de las Alturas de Jujuy vorgeführt. Nachdem „La pantalla andina“ das Festival eröffnet hatte, fand noch eine zweite Vorführung statt, an der viele pensionierte Lehrerinnen und ihre Kinder teilnahmen. Einige Kinder verstanden erst durch den Film, was ihre Mütter auf sich genommen hatten, um in den abgelegenen Dörfern zu unterrichten.

„Geschichten wie diese sind nie zu Ende erzählt“, meint Carmina. „Und es ist wichtig, diese Geschichten zu erzählen. Der Women’s Solutions Reporting Award passt zur Mission des Dokumentarfilms – Unterhaltung zu bieten, aber auch vor Ort eine breite Wirkung zu entfalten. Der Preis ist nicht nur eine Hommage an die im Film porträtierten Frauen, sondern an alle Frauen, die ähnliche Arbeit verrichten.“

Carmina veröffentlichte eine Reportage im National Geographic España, in der sie Erfahrungen aus ihrer Forschung für „La pantalla andina“ teilte. Außerdem arbeitet sie an einem Buch über sechs indigene Führungspersönlichkeiten aus Jujuy, das von Libros del K.O. veröffentlicht wird.