Klimafinanzierungen helfen dürregeplagten Hirten in Kenia. Die Kredite werden von der EU besichert, weil sich kenianische Banken kaum in abgelegene Regionen vorwagen

Etwas außerhalb des kleinen Marktorts Kunyao im County West Pokot hütet Alex Losur Angura Ziegen vor seiner Lehmhütte. Sein farbenfrohes Gewand verfängt sich immer wieder in den dornigen Sträuchern, die typisch für dieses trockene Gebiet im Nordwesten Kenias sind.

„Wenn es regnet, regnet es nicht richtig“, erzählt Angura. „Das Gras wächst nicht. Dann müssen wir weg und hinüber nach Uganda. Das ist das größte Problem.“

In der Trockenzeit ziehen Viehhirten wie Angura umher auf der Suche nach Gras. Wegen des Klimawandels gibt es immer häufiger Dürren in der Region. Unterwegs gehen Tiere an Hunger oder Krankheiten ein, oder sie werden von Viehdieben gestohlen. Zwischen den Hirtengemeinschaften brechen Konflikte aus, vor allem, wenn kenianische Hirten auf der Suche nach Wasser und Futter die Grenze ins grünere Uganda überqueren.

„Wenn die Tiere sterben, können wir uns nicht mehr ernähren“, sagt Angura. „Sterben die Tiere, müssen wir hungern, weil wir nur etwas zu essen haben, wenn wir die Tiere verkaufen.“

In Kunyao direkt an Kenias Grenze zu Uganda hat ein neuer Agrarladen eröffnet – für Angura eine große Erleichterung. Der Laden ist die jüngste Filiale des Agrounternehmens Paves Vetagro, das einen Kredit der EIB erhalten hat und Landwirten in abgelegenen Regionen Nordwestkenias Trainings und Agrarprodukte anbietet. In dem Laden finden Bauern und Hirten alles, was sie brauchen: von Tierfutter bis zu Tiermedikamenten inklusive Impfstoffen über Agrarbedarf wie Düngemittel, klimasmartes Saatgut und landwirtschaftliche Geräte.

„Paves Vetagro hat uns wirklich geholfen: Die Tiere werfen jetzt sogar besser und geben eine Menge Milch“, freut sich Angura. Der Hirte kann sich an die Tierärzte des Unternehmens wenden, die zu ihm kommen und sein Vieh impfen. Und er hat gelernt, den Tieren Salz zu geben, damit sie gesund bleiben.

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Die Läden von Paves Vetagro werden durch einen Kredit aus der „Kenya Agriculture Value Chain Facility“ finanziert.

Auch in abgelegenen Regionen vor Ort

Paves Vetagro wurde 1999 von Benson Ririmpoi gegründet. Der Tierarzt kommt selbst aus West Pokot, einer abgelegenen, infrastrukturarmen Region, und setzt sich unermüdlich für die dortigen Viehhirten und Kleinbauern ein.

Mit seiner Firma wollte Ririmpoi so nahe wie möglich am Kunden sein.

„Wir haben uns zunächst als zentraler Dienstleister positioniert und dann Partner gesucht, die in den verschiedenen Gemeinschaften leben“, erklärt Ririmpoi.

>@EIB

Der Tierarzt Benson Ririmpoi, selbst aus der West Pokot, gründete Paves Vetagro 1999.

Am Anfang lief das Geschäft von Kapenguria aus, dem Hauptort West Pokots. Für Kundennähe sorgte die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern vor Ort, die Agrarprodukte führen. 2021 eröffnete das Unternehmen dann zwei Niederlassungen – eine in der Nähe von Anguras Lehmhütte in Kunyao. Finanziert wurden die Läden mit einem Kredit von fast 200 000 Euro, besichert durch ein EU-Finanzierungsinstrument namens „Kenya Agriculture Value Chain Facility“.

Die EIB richtete die „Value Chain Facility“ 2018 ein: Sie soll kenianische Geschäftsbanken ermutigen, mehr Kredite an Agrarfirmen zu vergeben, die Kleinbauern helfen. Tragende Säule der Fazilität ist ein Darlehen der EIB über 50 Millionen Euro an die Equity Bank – einen führenden Finanzierer kleiner Gemeinschaften im Land. Ein EU-Zuschuss von zehn Millionen Euro rundet die Fazilität ab. Die Equity Bank erhält außerdem fachliche Hilfestellung und reicht viele kleinere Kredite an Unternehmen und Entrepreneure wie Paves Vetagro aus.

Im März 2021 vergab die EIB ein weiteres Darlehen an die Equity Bank, diesmal über 100 Millionen Euro und gekoppelt mit einem EU-Zuschuss von 20 Millionen Euro. Es soll Firmen helfen, die unter den Folgen der Coronapandemie leiden, auch in der Landwirtschaft.

„Der Agrarsektor beschäftigt die meisten Menschen in Kenia, und Kleinbauern und Kleinbetriebe sind hier die wichtigsten Akteure“, sagt Nicholas Nzioka, EIB-Kreditreferent in Nairobi. „Die Betriebe und Bauern kommen aber nur schwer an Kredite.“

Finanzielle Unterstützung für Landwirtinnen und Landwirte ist in Kenia besonders willkommen – die Landwirtschaft macht 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Sie gibt fast 54 Prozent der Bevölkerung Lohn und Brot, ihre Entwicklung und Modernisierung wird aber durch den schwierigen Zugang zu Finanzierungen gebremst. Nicht einmal fünf Prozent aller Bankkredite in Kenia gehen an den Agrarsektor, schätzt Nzioka.

Auch für Ririmpoi, den Gründer von Paves Vetagro, war es kein Kinderspiel.

„Ich habe es bei mehreren Finanzpartnern versucht, doch weil ich in den Trocken- und Halbtrockengebieten in Nordwestkenia tätig sein wollte, haben alle abgewunken“, sagt er. „Aber ich habe in der Region gelebt und wusste deshalb, dass es funktionieren kann. Die Leute hier haben nicht viel Geld, doch sie bezahlen gerne, wenn sie etwas dafür bekommen.“

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Für die Tierarzneimittel-Händlerin Evelyne Lopongiro war die neue Paves-Vetagro-Verkaufsstelle in ihrer Nähe ein Segen.

Training für Kleinbäuerinnen und Hirten

Paves Vetagro erhielt auch einen Zuschuss aus dem Finanzierungsinstrument „AgriFI Kenya Challenge Fund“. Mit diesem Fonds will die EU Kleinbäuerinnen und Hirten unter die Arme greifen, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben. Zuschuss und Kredit ergänzen sich: Paves Vetagro baute mit dem Kredit sein Geschäft aus, und mit dem Zuschuss schulte die Firma mehr Menschen in guten Produktionsmethoden und im Umgang mit Tierkrankheiten. Über 7 000 Kleinbauern und Hirten haben Workshops von Veterinären und Agronominnen besucht, die aus dem „AgriFI Kenya Challenge Fund“ bezuschusst wurden.

Paves Vetagro betreibt mittlerweile acht Läden in West Pokot. Das Unternehmen vertreibt Produkte in zwölf Counties in Nordkenia und beschäftigt über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Der Zuschuss und der Kredit waren für unsere Firma wirklich eine große Hilfe“, gesteht Ririmpoi. „Denn wir wollten unsere Dienstleistungen, unsere Produkte und unsere Märkte noch näher zu unseren Viehhirten und Kleinbauern bringen.“