Rede von EIB-Präsident Werner Hoyer am 3. März 2022 auf dem 9. Europäischen Gipfeltreffen der Regionen und Städte


Es gilt das gesprochene Wort


 

>@EIB

Meine Damen und Herren,

vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben, heute Morgen zu Ihnen zu sprechen! Ich hätte mir andere Umstände gewünscht. Denn eigentlich hatte ich ein ganz anderes Thema geplant. Aber nun steht leider dieser schreckliche Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt.

Es sind wirklich düstere Zeiten – für die Ukraine und ganz Europa. Gemeinsam mit den EU-Organen, den Menschen in Europa und allen Ländern der freien Welt verurteilt die Europäische Investitionsbank den militärischen Überfall russischer Truppen auf die Ukraine aufs Schärfste.

Als Bank der EU solidarisiert sich die EIB mit dem ukrainischen Volk. Wir halten unbeirrt an unserem Engagement fest, eine unabhängige Ukraine und bessere Lebensbedingungen für ihre Bevölkerung zu fördern.

Wir verfolgen aufmerksam, wie sich die Lage entwickelt, und halten den Kontakt zu den betreffenden EU-Organen und internationalen Finanzinstitutionen. Gemeinsam sind wir bereit, alles zu tun, um die Ukraine in dieser schweren Zeit zu unterstützen.

Die EIB wird beim Wiederaufbau helfen, sobald das Land wieder frei und unabhängig ist.

Wir stehen bereit, im Rahmen einer koordinierten Reaktion der EU und der internationalen Gemeinschaft auf diese beispiellose Krise umgehend weitere finanzielle Unterstützung für das Land zu mobilisieren.

Meine Damen und Herren,

als Zeichen unserer Solidarität mit der Ukraine haben wir ein Soforthilfepaket geschnürt, das der Verwaltungsrat der EIB am Freitag in einer außerordentlichen Sitzung genehmigen soll. Möglich wurde diese Initiative durch die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, für die ich sehr dankbar bin.

Das Soforthilfepaket hat drei Komponenten.

Erstens wollen wir dem ukrainischen Staat unverzüglich Liquidität zur Verfügung stellen. Dafür zahlen wir fast 700 Millionen Euro aus. Dazu werden bereits vergebene Kredite umgewidmet.

...Sobald wir am Freitag grünes Licht bekommen, beginnen wir mit der Auszahlung, und trotz der aktuellen Kriegsverhältnisse wird das Geld innerhalb von drei Tagen auf den Konten der ukrainischen Regierung eingehen. Ich wiederhole: drei Tage!

Zweitens werden wir 1,3 Milliarden Euro umwidmen, die für Infrastrukturprojekte zugesagt waren. Sie fließen in den unmittelbaren Wiederaufbau von Verkehrs- und Energieinfrastruktur und in die Stadtentwicklung und Digitalisierung. Das Geld steht zur Verfügung, sobald die ukrainischen Stellen die betreffenden Vertragsänderungen unterzeichnet haben.

Drittens werden wir beim Wiederaufbau kritischer wirtschaftlicher und sozialer Infrastruktur helfen, die die russische Armee zerstört hat.

Aber damit ist es noch nicht getan.

... Geplant ist auch ein größeres Paket für humanitäre, soziale und wirtschaftliche Hilfe, um den Nachbarländern der Ukraine bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen. Dabei werden wir rasch und entschlossen handeln. Ich unterbreite schon bald einen konkreten Vorschlag.

Wir haben viel aus unserem Programm für den raschen Wiederaufbau der Ukraine nach dem Konflikt von 2014 gelernt. Damals haben wir 246 Projekte finanziert, hauptsächlich in Donezk und in Luhansk. Und wir lassen uns auch von den erneuten Verwüstungen nicht entmutigen.

Neben der unmittelbaren Hilfe für die Ukraine und ihre Nachbarländer müssen wir zudem die wirtschaftlichen Folgen des Krieges innerhalb und außerhalb der EU im Auge haben. Uns muss klar sein, dass die Regionen und Länder unterschiedlich stark betroffen sein werden.

Möglicherweise wird die Wirtschaft in der EU doppelt erschüttert – zum einen durch die Energiepreise und zu anderen durch die massive Unsicherheit infolge des Krieges und der verhängten Sanktionen.

Das könnte dazu führen, a) dass die Konjunktur einbricht und b) die Preise steigen.

Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir besonders betroffenen Regionen in der EU unter die Arme greifen können. Andernfalls riskieren wir eine wirtschaftliche Schere, die die Zentralbanken eventuell nicht schließen können, weil sonst das Inflationsrisiko steigt.

Während wir also der Ukraine helfen, die dringendsten Probleme zu lösen, dürfen wir auch die Folgen dieses schrecklichen Krieges für die Nachbarländer und die EU nicht aus den Augen verlieren.

Auch wenn die Zukunft ungewiss ist: Wir müssen auf das Beste hoffen, zugleich aber leider auf das Schlimmste vorbereitet sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!