Auf der jährlichen Frühjahrstagung der Weltbankgruppe und des Internationalen Währungsfonds mit Ministern und Zentralbankgouverneuren sagt EIB-Präsident Hoyer: Multilaterale Finanzinstitutionen sind eine wirksame Waffe im Kampf gegen globale Krisen – deshalb müssen sie jetzt gemeinsam Investitionen, Teilhabe und Innovation noch stärker fördern.

Überschattet wird die diesjährige Tagung von drei gewaltigen weltweiten Herausforderungen: Krieg, Klimawandel und Corona.

Putins Angriff auf die Ukraine hat nicht nur Europa in eine Krise gestürzt. Er wirft die internationale Weltordnung um. Russlands Verletzung des Völkerrechts und Putins Menschenverachtung haben das multilaterale System bis ins Mark erschüttert. Die Zukunft unseres Planeten, Frieden, Wohlstand, die Bekämpfung des Klimawandels und der Armut, ja der Zugang zu Nahrung und Energie stehen auf dem Spiel.

Nur wenn Europa, die USA und gleich gesinnte Demokratien zusammenhalten, sind wir alle sicher. Putins Angriff verschärft die Probleme, stellt jede Form der multilateralen Zusammenarbeit und Vertrauensbildung infrage und schwächt Institutionen, die in Krisenzeiten unverzichtbar sind.

Internationale Zusammenarbeit und die Institutionen, auf denen sie aufbaut, sind die Werkzeuge der Wahl, um weltweiten Herausforderungen zu begegnen. Multilaterale Finanzinstitutionen sind seit Jahrzehnten Symbol und greifbares Ergebnis weltumspannender Kooperation. Sie mehren den Wohlstand, verringern Armut und Ungleichheit und packen globale Herkulesaufgaben wie Klimawandel oder Pandemien an. Multilaterale Einrichtungen wie die Europäische Investitionsbank verkörpern Zusammenarbeit, Partnerschaft und gegenseitigen Respekt. Sie beweisen seit Jahren: Wer gemeinsam handelt, bewirkt konkret etwas für das Leben der Menschen.

Wir dürfen vor den Angriffen auf unsere multilateralen Werte und unsere Arbeit nicht zurückweichen, sondern müssen einen Gang zulegen und noch enger mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Und wir müssen es gerade wegen der Attacke auf Leben, Frieden und Multilateralismus tun – nicht zuletzt um der Menschen willen, deren Regierungen die Angriffe anführen.

Wir müssen noch mehr investieren und Gelder mobilisieren. Wir müssen in Lösungen für unsere planetaren Probleme investieren und uns vor allem die Tatkraft und den Einfallsreichtum des privaten Sektors zunutze machen. Angesichts globaler Mammutaufgaben wie Pandemien und Klimawandel ist dieser Kraftakt ohne den Privatsektor nicht zu stemmen. Es gibt einfach nicht genug öffentliche Mittel auf der Welt, und der Finanzierungsdruck bei Sicherheit und Verteidigung wird weiter steigen. Um einen positiven Kreislauf wirksamer und nachhaltiger Investitionen anzustoßen, bedarf es einmal mehr der Partnerschaft und Einbindung des privaten Sektors.

Neue Formen „öffentlich-privater Partnerschaften“, bei denen der Staat begrenzte Finanzierungsrisiken übernimmt, können erfolgreich privates Kapital mobilisieren. Der Vorteil dieser sogenannten „Risikoteilungsinstrumente“: Sie sind marktbasiert und lenken Investitionen in Richtung des Gemeinwohls. Gleichzeitig schöpfen sie aus der Kreativität des privaten Sektors und rufen verglichen mit den angestoßenen Investitionen nur wenig öffentliche Gelder ab.

Wir müssen noch stärker alle einbeziehen. Für die vor uns liegenden schwierigen Entscheidungen brauchen wir den Rückhalt der Öffentlichkeit. Gleichzeitig gilt mehr denn je: Niemand darf zurückbleiben, nicht auf dem Weg aus der Coronakrise und nicht beim Klimawandel. In unserem neuen Geschäftsbereich Entwicklung, der EIB Global, bündeln wir unsere jahrzehntelange Entwicklungserfahrung außerhalb der EU. Die EIB Global vergrößert unsere globale Reichweite und vertieft unsere Zusammenarbeit mit den Benachteiligten in aller Welt.

Ihre Arbeit, vor allem in den fragilsten Volkswirtschaften, ist mehr als nur Hilfe. Sie ist eine strategische Investition in globale öffentliche Güter, die jeder Nation und den Investoren und Begünstigten jedes einzelnen Projekts zugutekommen. Wir müssen die Investitionen in ärmeren Ländern stärker extern bezuschussen, denn damit fördern wir globale öffentliche Güter. Die EU hat über die Kombination von Haushaltsmitteln und Zuschüssen bereits damit begonnen.

Wir müssen noch innovativer sein. Wir müssen unsere Gesellschaften viel schneller als bisher grüner und energieeffizienter machen. Für die Probleme von morgen braucht die Welt mehr als die Technologie, die sie heute hat. Wir müssen in Innovation investieren, und das überall. Durch unsere europäische Verankerung und unseren globalen Aktionsradius sind wir unter den multilateralen Entwicklungsbanken einzigartig aufgestellt. Damit helfen wir anderen Ländern, mit Technologie und Wissen nachhaltiges Wachstum anzukurbeln, und wir bieten ihnen die Chance, in der Entwicklungsleiter Zwischenstufen des industriellen Wachstums zu überspringen und direkt den Übergang zu einer grünen, sauberen Wirtschaft zu schaffen. Auch hier spielt die EIB Global eine Schlüsselrolle.

Trotz der unmittelbaren Probleme darf die Welt im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Anpassung an seine erwartbaren Folgen nicht nachlassen. Wie dringlich dies ist, lässt sich nicht mehr übersehen. Gleiches gilt für Umweltprobleme wie den Verlust von Biodiversität und natürlichen Ökosystemen, denn sie beeinträchtigen die Gesundheit der Menschen, die Ernährungssicherheit, politische Stabilität und, ja, auch den Kampf gegen den Klimawandel.

Und dennoch: Vorrang haben jetzt die Sicherheit unserer Demokratien und unsere autonome Handlungsfähigkeit. Wir dürfen uns nicht von Ländern abhängig machen, auf die kein Verlass ist, die gegen Offenheit und Zusammenarbeit opponieren und mit denen keine gemeinsame Vertrauensbasis besteht. Gleichzeitig bestätigt das den Kurs, den die Europäische Investitionsbank und andere multilaterale Geber bereits eingeschlagen haben: Sie fördern erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Sonnenkraft, weil sie der Einstieg sind in eine emissionsarme Wirtschaft und der Ausstieg aus unserer Abhängigkeit von autokratischen Ländern, die Energie und Rohstoffe als Waffen gegen uns wenden. Diesen Kurs müssen wir zügiger und entschlossener denn je fortsetzen.

Unsere Fähigkeit, autokratischer Aggression und Aktion entgegenzutreten, ist eng verknüpft mit unserem Wohlstand und unserer Wirtschaftskraft. Die Zusammenarbeit zwischen den USA, der Europäischen Union und gleich gesinnten Demokratien muss deshalb einen Quantensprung vollziehen. Wir müssen gemeinsam und gezielt in unsere Fähigkeit investieren, zu handeln und unsere Werte und unseren Wohlstand zu schützen. Bahnbrechende Bereiche wie Erneuerbare-Energien-Technologien, künstliche Intelligenz, Weltraum, Quanteninformatik, digitale Technologien und Bioengineering sind das Fundament zukünftigen wirtschaftlichen Erfolgs im 21. Jahrhundert. Die EU, die USA und gleich gesinnte Demokratien müssen massiv investieren, neue Partner ins Boot holen und ihre Führungsposition in diesen entscheidenden Bereichen beherzt verteidigen.

Zugleich dürfen wir multilaterale Einrichtungen, in denen demokratische und nichtdemokratische Länder zusammenkommen, nicht aufgeben, sondern müssen sie stärken, stabilisieren und reformieren. Sie sind unentbehrlich als Foren, in denen Differenzen ausgefochten und Lösungen für globale Herausforderungen vorangetrieben werden – Lösungen, die letztendlich das Leben aller Menschen verbessern, sei es in Europa oder Asien, Russland oder der Ukraine.

Die Europäische Investitionsbank will mitbauen an einer Welt, in der alle Menschen ihren selbstbestimmten Weg zu Wohlstand verfolgen und dabei ihre Kultur, Religion und Weltanschauung leben können, eingebettet in eine Gesellschaft, die unseren Planeten nicht überfordert. Diese Ziele sind in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und im Vertrag über die Europäische Union verankert.

Entscheidend ist dabei die Arbeit der Vereinten Nationen. Wir schließen uns der Agenda 2030 der UN und der „gemeinsamen Agenda“ ihres Generalsekretärs voll und ganz an. Die Europäische Investitionsbank forciert die Zusammenarbeit zwischen dem System der Vereinten Nationen und den multilateralen Entwicklungsbanken: Diese ist der Schlüssel zu einer schnelleren weltweiten Umsetzung der UN-Entwicklungsziele und Teil der Antwort auf den Ruf nach größerer globaler Solidarität.

In diesen düsteren Zeiten der Spaltung stellt die Europäische Investitionsbank ihre Homogenität – im Sinne einer Gemeinschaft von EU-Ländern – und ihre Handlungskraft in den Dienst unserer Demokratien und ihrer Ziele.