Mehr als Nullen und Einsen: Finnisches Unternehmen will mit Quantencomputern wissenschaftliche Durchbrüche beschleunigen und unser Leben verbessern

Bei dem Begriff „Quantencomputer“ denken Sie wahrscheinlich an Science-Fiction-Filme made in Hollywood, in denen diese Technologie Zeit krümmt und futuristische Städte am Laufen hält. Doch Quantencomputer sind Realität. Fachleute glauben, dass sie die Welt verändern, Zukunftstechnologien schaffen und Science-Fiction-Träume wahr machen könnten.

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Das finnische Unternehmen IQM Quantum Computers ist Teil der frühen Ära der Quanteninformatik. „Wir sind das erste europäische Unternehmen, das auf die Herstellung von Quantencomputern spezialisiert ist“, sagt Juha Vartiainen, Mitbegründer und Chief Operating Officer von IQM. „Unsere Quantenprozessoren und -computer könnten viele Bereiche revolutionieren, von der Arzneimittel- und Impfstoffentwicklung bis hin zur Cybersicherheit und Klimatechnologie.“

Die Quanteninformatik gilt als das nächste „große Ding“ in der Tech-Branche. Fachleute prognostizieren bis 2025 ein Marktvolumen von 770 Millionen US-Dollar. Deshalb erhielt IQM im Februar 2022 einen Kredit von 35 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank. Die Finanzierung fiel unter den Europäischen Garantiefonds, der europäischen Firmen helfen soll, die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie in den Griff zu bekommen.



Was sind Quantencomputer?

Im Jahr 1981 behauptete der visionäre Physiker Richard Feynman, dass ein Quantencomputer – im Gegensatz zu klassischen Computern – in der Lage wäre, Simulationen physikalischer Systeme durchzuführen. Leider wusste damals niemand, wie man einen solchen Computer bauen könnte.

Siebzehn Jahre später schafften das Isaac L. Chuang, Neil Gershenfeld und Mark Kubinec mit der Herstellung des ersten Zwei-Qubit-Quantencomputers. Dieser Durchbruch ebnete den Weg für die Entwicklung eines voll ausgewachsenen Quantencomputers, die noch lange nicht abgeschlossen ist.

Ein herkömmlicher Computer rechnet mit digitalen Bits mit den Werten null und eins. Quantencomputer hingegen nutzen Quantenbits oder Qubits als Recheneinheiten, die die Werte null oder eins, null und eins oder unendlich viele Werte dazwischen speichern können. Ihre Rechenkapazität ist enorm.

Ein Quantencomputer könnte daher etwa jedes der heute üblichen Sicherheitssysteme in Sekundenschnelle knacken. Die besten heutigen Supercomputer bräuchten dafür Millionen Jahre.

Quantencomputer werden im Wesentlichen die gleichen Aufgaben erledigen wie unsere heutigen Computer – nur viel schneller. Doch es gibt noch viele weitere Einsatzgebiete.

„Mit Quantencomputern könnten wir chemische Reaktionen simulieren, was die Entwicklung von Arzneimitteln und die Herstellung verschiedener Materialien erleichtern würde“, erklärt Vartiainen. „Vom Finanzwesen über die Energiewirtschaft, Medizin, Materialwissenschaften, Logistik bis hin zu fortschrittlichen Industrien – die Quanteninformatik beschleunigt Innovationen und Durchbrüche, die das Leben aller verbessern.

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Venture Debt erleichtert Quantenforschung

Europa hat eine starke Tradition in der Quantenforschung. Viele weltweit führende Zentren sind hier angesiedelt. Doch China und die USA übernehmen allmählich die Führung im Quantenrennen.

Die EIB will mit dem Europäischen Garantiefonds Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie Unternehmen unterstützt, die unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie leiden. Viele von ihnen sind Tech-Firmen, die keine Kapitalrücklagen haben, aber Geld für die Expansion benötigen. Gerade im Technologiesektor ist das kritisch, denn es besteht die Gefahr, dass sie sich ihre Finanzierungen in den USA oder China suchen.

„Über den Fonds können wir langfristige Venture-Debt-Lösungen anbieten und den besonderen Finanzierungsbedarf schnell wachsender innovativer Unternehmen in Sektoren decken, die für die Zukunft Europas wichtig sind“, betont Cristian Antoci, der bei der EIB für Venture Debt und Kapitalbeteiligungen zuständig ist.

Mit der Europäischen Investitionsbank im Rücken kann IQM weiterhin Pionierarbeit in der Quantenforschung leisten – in Europa und weltweit. „Das Geld von der EIB fließt in die Entwicklung und den Ausbau unseres europäischen Geschäfts“, sagt Pia-Johanna Lemmetty, Finanzchefin von IQM. „Damit können wir unser Produkt weiterentwickeln und unser äußerst talentiertes Expertenteam erweitern.“



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IQM will bis 2024 ein 50-Qubit-Gerät bauen. Der Computer soll im nationalen Zentrum für Forschungsinfrastruktur Micronova gebaut werden, das vom Forschungszentrum VTT und der Aalto-Universität in Espoo, einem Vorort von Helsinki, betrieben wird

Quantenlösungen für moderne Probleme

IQM will seine Innovation für den Klimaschutz einsetzen.

„Die Quanteninformatik könnte wesentlich zur Lösung der Klimakrise beitragen“, unterstreicht Vartiainen. „Wir könnten damit den Verbrennungsmotor durch effizientere Batterien ersetzen, die Technologien zur Wettermodellierung verbessern oder das Energienetz optimieren, um CO2-Emissionen in Städten zu senken.“

IQM hilft in Europa auch beim Aufbau des Quantenökosystems der nächsten Generation.

Im Dezember 2021 eröffnete das Unternehmen im finnischen Espoo eine eigene Produktionsstätte. Die neue Einrichtung wird Hightech-Jobs schaffen und durch Zusammenarbeit mit internationalen Forschungszentren und Universitäten die Forschung weltweit ankurbeln.