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    Auch wenn die Coronakrise derzeit alle anderen großen Themen überlagert, wird der Kampf gegen den Klimawandel für die Europäische Union auf viele Jahre hinaus oberste Priorität bleiben. Um ihre langfristige Vision einer gesunden, modernen, wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Wirtschaft zu verwirklichen, setzt die EU unter anderem auf Energieeffizienz.

    In diesem Zusammenhang gilt es, besser zu verstehen, wie und warum Unternehmen in Energieeffizienz investieren. Das hilft, wirksame Anreize zu setzen und das Momentum im Klimaschutz aufrechtzuerhalten.

    Die EIB hat auf der Grundlage ihrer Investitionsumfrage (EIBIS) den Bericht Going Green – Who invests in energy efficiency, and why it matters erstellt. Sie gibt darin einen Überblick über die Investitionen der Unternehmen in Energieeffizienz und zeigt, welche Faktoren dabei eine Rolle gespielt haben.

    In dem Bericht werden die Angaben der Unternehmen zu ihren Investitionen, zur Qualität ihres Gebäudebestands und zu ihren Entscheidungsgründen ausgewertet. Die Angaben werden nach Ländern, Sektoren und Unternehmensgröße verglichen, um Verbesserungspotenziale zu ermitteln und Ziele zu definieren.

    Wer investiert in Energieeffizienz?

    Für Unternehmen aus der Europäischen Union haben Investitionen in die Energieeffizienz geringe Priorität.

    2019 ergriffen mehr als 40 Prozent der EU-Unternehmen Maßnahmen, um ihre Energieeffizienz zu verbessern – dies waren mehr als 2018. In der Slowakei war der Anteil mit 61 Prozent am höchsten, gefolgt von Spanien, Tschechien, Österreich, Slowenien, Portugal und Schweden. In diesen sieben EU-Ländern lag der Anteil der Unternehmen, die in Energieeffizienz investieren, höher als in den USA, wo er 47 Prozent betrug. Am anderen Ende des Spektrums, fast unverändert gegenüber dem Vorjahr, lagen Litauen, Estland, Griechenland, Rumänien und Frankreich.

     

    Share of firms investing in measures to improve energy efficiency (%)

    Der Anteil der Unternehmen, die in Energieeffizienz investieren, korreliert offenbar positiv mit ihrer Energieintensität und ihrer Größe. Am höchsten war der Anteil im verarbeitenden Gewerbe – dem energieintensivsten Sektor (2019: 43 Prozent der Unternehmen). Danach folgten die Sektoren Infrastruktur (37 Prozent) und Dienstleistungen (30 Prozent). Im Baugewerbe war der Anteil mit 25 Prozent am niedrigsten. Große Unternehmen investierten etwa doppelt so häufig in die Energieeffizienz wie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

    Der Anteil der Energieeffizienz-Investitionen der Unternehmen an ihren Gesamtinvestitionen ist auf beiden Seiten des Atlantiks ungefähr gleich.

    2019 entfielen 10 Prozent der Gesamtinvestitionen der europäischen Unternehmen auf Verbesserungen der Energieeffizienz. In den USA lag dieser Anteil bei 12 Prozent (Abbildung 2). Die gute Nachricht: Sowohl der Anteil der EU-Unternehmen, die in Energieeffizienz investiert haben, als auch ihre Ausgaben für solche Projekte sind zwischen 2018 und 2019 gestiegen.

     

    Share of firms’ total investment in measures to improve energy efficiency (%)

    Die Ausgaben für mehr Energieeffizienz sind in energieintensiven Sektoren und bei größeren Unternehmen höher – hier stellt Energie einen erheblichen Kostenfaktor dar. 2019 gaben Unternehmen in den (relativ energieintensiven) Sektoren Infrastruktur und verarbeitendes Gewerbe 13 Prozent bzw. 10 Prozent ihres gesamten Investitionsbudgets für Energiesparmaßnahmen aus. Im Dienstleistungs- und im Bausektor lag der Anteil mit 9 Prozent bzw. 7,5 Prozent dagegen niedriger. Größere Unternehmen gaben dabei für Energieeffizienz mehr aus als kleinere Unternehmen.

    Der Anteil der betrieblichen Energieeffizienz-Investitionen am gesamten Investitionsbudget schwankt in der EU je nach Land erheblich. Unternehmen in Bulgarien gaben 2019 mehr für Energieeffizienzprojekte aus (16 Prozent) als Unternehmen in allen anderen EU-Ländern – vor allem diejenigen im Vereinigten Königreich, die nur 5 Prozent ihres Budgets investierten. Dabei sind die Unterschiede bei den Investitionen in den einzelnen Ländern zwischen den Jahren 2018 und 2019 erheblich. Grund dafür könnte sein, dass es sich bei diesen Projekten um einmalige Investitionen handelt. Generell geben Unternehmen in einigen süd- und osteuropäischen Ländern relativ mehr für Energieeffizienz aus als ihre Pendants in anderen Regionen Europas, insbesondere im Baltikum.

    Warum Investitionen in Energieeffizienz wichtig sind

    Die Investitionsentscheidungen von EU-Unternehmen werden zunehmend von den Energiekosten bestimmt.

    2019 nannte fast ein Drittel der europäischen Unternehmen die Energiekosten als wesentliches Investitionshindernis, gegenüber knapp einem Zehntel in den Vereinigten Staaten. Im Vergleich zu anderen angeführten Hindernissen wie Fachkräftemangel, Zugang zu Finanzierungen und kritischer Infrastruktur (vgl. Abbildung 5) erscheint der Anteil nicht allzu hoch. Dennoch zeigt sich darin eine deutlich veränderte Sichtweise: Seit 2016, als der Anteil noch bei rund einem Fünftel lag, ist er stetig gestiegen. Grund dafür, dass die Energiekosten in den Vereinigten Staaten offenbar kein bedeutendes Investitionshindernis darstellen, könnten die sinkenden Energiepreise im Land aufgrund des amerikanischen Schiefergases sein (vgl. Abbildung 3).

     

    Energy costs as major obstacle to investment (%)

    Die Bedeutung der Energiekosten für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen schwankt in der Europäischen Union je nach Land erheblich. 2019 reichte der Anteil der Unternehmen, für die die Energiekosten ein wesentliches Investitionshindernis darstellten, von 6 Prozent in Dänemark bis 56 Prozent in Lettland. Geografisch ist dieser Anteil in den südlichen Ländern (Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, Zypern) höher als in den skandinavischen Ländern (Dänemark, Finnland, Schweden). Zudem korreliert er positiv mit höheren Energiepreisen (Abbildung 4). Unternehmen im Süden Europas haben trotz der sinkenden Ölpreise höhere Energiekosten. Grund dafür sind höhere Steuern und Abgaben zur Förderung erneuerbarer Energien. Unterschiede zeigen sich auch auf Sektorebene. Unternehmen in energieintensiven Sektoren wie dem verarbeitenden Gewerbe sehen die Energiekosten kritischer als Firmen in weniger energieintensiven Sektoren wie dem Dienstleistungssektor (Abbildung 3).

     

     Energy costs as an obstacle to investment and electricity prices

    Höhere Energiekosten sind gleichzeitig ein wirtschaftlicher Anreiz, um in mehr Energieeffizienz zu investieren. Unabhängig von Unternehmensgröße und Sektor sind die Investitionen in energiesparende Technologien dort höher, wo Energie als wichtiger Kostenfaktor gilt (Abbildung 5). Die betreffenden Unternehmen sind sich des Einsparpotenzials in der Regel eher bewusst und eher geneigt, in kostensparende Technologien zu investieren. Bei den anderen langfristigen Investitionshindernissen (Zugang zu Finanzierungen, Fachkräftemangel, Regulierung und Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft) sind dagegen kaum Unterschiede zwischen Energieeffizienz-Investitionen und anderen Investitionen zu erkennen.

     

    Long term barriers to investment (%)

    Das Einsparpotenzial im Bereich Energie ist nach wie vor hoch, denn die Unternehmen in der Europäischen Union beurteilen die Qualität ihres Gebäudebestands als relativ schlecht.

    2019 gaben die EU-Unternehmen an, dass ein Drittel ihres gewerblichen Gebäudebestands hohe oder höchste Energieeffizienzstandards erfüllt – ein höherer Wert als in den Vereinigten Staaten (Abbildung 6). Seit 2016 hat sich diese Einschätzung allerdings verschlechtert. Dies deutet darauf hin, dass der Gebäudebestand in Europa möglicherweise noch nicht die in der EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie und in der Energieeffizienzrichtlinie festgelegten Anforderungen erfüllt, und dass sich Verbesserungen erst im Zuge der Anpassung an die neuen Standards einstellen werden.

    Die Einschätzungen der Unternehmen zur Qualität ihres Gebäudebestands gehen auf Länder- und regionaler Ebene deutlich auseinander. Unternehmen im Süden Europas – vor allem in Griechenland, Zypern und Spanien – glauben, dass mehr als 50 Prozent ihres Gebäudebestands hohe oder höchste Energieeffizienzstandards erfüllen. Dieser Wert ist fast viermal so hoch wie in Litauen, wo die Unternehmen nur 16 Prozent ihres Gebäudebestands als energieeffizient einstufen. Die Unternehmen in den baltischen Staaten sind im EU-Vergleich am pessimistischsten. Ein Teil der Unterschiede auf Länderebene könnte kulturell bedingt oder auf andere Erwartungen sowie unterschiedliche technische Angaben und Umweltziele zurückzuführen sein. Diese Faktoren beeinflussen die Unternehmen bei ihrer Beurteilung von Wärmekomfort, Luftqualität, Geräuschpegel, Lichtqualität oder Umweltkontrolle der Gebäude.

     

    Building stock of high or highest energy efficiency standards (%)

    Fazit

    Der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ der Europäischen Union und ihre ehrgeizigen Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen erlauben keinen Stillstand.

    Die EIBIS-Umfrage zeigt, dass die Energiekosten die Investitionsentscheidungen der europäischen Unternehmen immer stärker beeinflussen. Dies trifft vor allem auf Unternehmen in Südeuropa zu. Für Firmen in den Vereinigten Staaten ist dieser Punkt weniger kritisch, da die Energiepreise dort dank des amerikanischen Schiefergases sinken. Um die Folgen der höheren Steuern und Abgaben auszugleichen und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen in der EU energieeffizienter werden, d. h. sie müssen weniger Energie pro produzierter Einheit verbrauchen. Die EIBIS-Daten zeigen allerdings, dass lediglich die Hälfte der EU-Unternehmen in ihre Energieeffizienz investiert und dass diese Investitionen auch nur einen geringen Anteil ihres gesamten Investitionsbudgets ausmachen. Zudem erfüllt nach Angaben der Unternehmen im Schnitt nur ein Drittel ihres Gebäudebestands die höchsten Energieeffizienz-Standards – das Potenzial für weitere Energieeinsparungen ist also enorm.

    Die gute Nachricht für Europa ist: Zwischen 2018 und 2019 sind die durchschnittlichen Energieeffizienz-Investitionen der EU-Unternehmen im Verhältnis zu ihren Gesamtinvestitionen leicht gestiegen. 2019 haben Unternehmen in Süd- und Nordwesteuropa sowie Firmen aus energieintensiven Sektoren in ganz Europa offenbar mehr investiert. Es zeigen sich erhebliche Unterschiede zum Vorjahr, möglicherweise, weil Investitionen in die Energieeffizienz einmalige Ausgaben sind. Zurückzuführen sind die meisten Investitionen wahrscheinlich auf das Alter des Gebäudebestands, auf die Bedeutung der Energiekosten für die Güter- und Dienstleistungsproduktion sowie auf die Verfügbarkeit von Informationen über technische Möglichkeiten und die damit verbundenen Kosteneinsparungen. Energieaudits spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie zeigen auf, welches Potenzial Energieeffizienz und neue Managementmethoden bieten, etwa strategische Business-Monitoring-Systeme oder Pay-for-Performance-Modelle. Laut EIBIS-Umfrage haben allerdings weniger als ein Drittel der KMU in den letzten drei Jahren ein Energieaudit durchgeführt. Dies gilt vor allem für das Baltikum, wo die Unternehmen die Qualität ihres Gebäudebestands am negativsten bewerten.

    Die beispiellosen Folgen der Coronakrise gefährden eine positive Entwicklung der Energieeffizienz-Investitionen in der Europäischen Union. Die Covid-19-Pandemie und Klimaschutzinvestitionen sind eng miteinander verknüpft: Durch die schweren wirtschaftlichen Folgen der Krise und die rückläufigen Rohstoff- und Kohlenstoffpreise weltweit sinken die Anreize, in kostensenkende Technologien zu investieren. Die Europäische Union kämpft darum, den Umfang der erwarteten Rezession und die steigende Arbeitslosigkeit einzudämmen, und die Staaten reagieren mit geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen. Große Teile der Wirtschaft hoffen derzeit auf Unterstützung durch den öffentlichen Sektor. Dies ist eine hervorragende Gelegenheit, um den Weg aus dieser akuten Wirtschaftskrise mit Garantien für den Aufbau einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung zu verknüpfen.

    Wenn es Europa ernst mit einer CO2-neutralen Wirtschaft ist, darf es die Hände jetzt nicht in den Schoß legen. Ein Aufschieben führt zu höheren Kosten und Emissionen und einem insgesamt schwächeren oder gar negativen Wirtschaftswachstum. Um für die Unternehmen Energiesparanreize zu schaffen und sie für den wirtschaftlichen Wandel fit zu machen, braucht es weiter klare energiepolitische Signale. Nötig sind außerdem ein passender regulatorischer Rahmen sowie ein besserer Zugang zu Klimafinanzierungen und entsprechenden Informationen. Klare Vorgaben und der Austausch von Best Practices würden es den Unternehmen ermöglichen, Strategien und Investitionspläne in Einklang mit dem Übereinkommen von Paris umzusetzen. Gesetzliche Vorschriften, die höhere Effizienzstandards für Gebäude bewirken und dazu führen, dass umweltschädliche Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen, könnten Investitionen und das individuelle Verhalten indirekt beeinflussen. Auch könnten sie Produktion und Konsum in nachhaltige Bahnen lenken. Schlussendlich würden ein besserer Zugang zu Finanzierungen und günstige Konditionen für Klimainvestitionen helfen, eine gerechte Energiewende zu erreichen, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigt würde.