Mit dem Anstieg der Temperaturen wird Wasser immer knapper. Nicola Beer, Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank, sprach auf der German Water Partnership Conference in Berlin, wo sie mit Experten zusammenkam, um Lösungen für die globale Wasserkrise zu diskutieren.


Es gilt das gesprochene Wort.


>@EIB

Lieber Herr Vorstandsvorsitzender Hannemann, meine Damen und Herren,

Sichere Wasserversorgung ist für die Europäische Investitionsbank seit Jahrzehnten ein zentrales Thema. Deshalb freue ich mich sehr über die Einladung, heute an Ihrer Jahrestagung teilnehmen zu dürfen.

Sie und Ihre Unternehmen stehen für höchstes technologisches Knowhow, weshalb wir die existierenden Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit Ihnen gerne vertiefen möchten - für eine sichere Wasserversorgung in Deutschland, Europa und weltweit.  

Dass Wasser Leben ist, ist eine sehr alte Erkenntnis, die leider manchmal ignoriert wird.  

Die Europäische Investitionsbank ist seit Anfang der 1960er-Jahre einer der größten Geldgeber des globalen Wassersektors. Wir haben seither 1 770 Wasserprojekte mit insgesamt 86 Milliarden Euro weltweit gefördert.

Ging es in den Anfangsjahren vor allem um den Bau und die Modernisierung von Wasser- und Sanitär-Infrastruktur, gehören heute auch Hochwasserschutz, Erosionsprävention, Wassergewinnung (einschließlich Entsalzung), neue Wassertechnologien und die Renaturierung von Wasserläufen zum Portfolio.

  • In Deutschland zum Beispiel haben wir uns über mehr als ein Jahrzehnt an der Renaturierung der Emscher beteiligt. Sie war dereinst berüchtigt als „Kloake des Ruhrgebiets“ und ist heute einer der saubersten Flüsse Europas.

Heute ­zwingt uns der Klimawandel, in den kommenden Jahren noch weitaus mehr als bisher, in unsere Wassersysteme zu investieren.

Die Folgen der Erderwärmung spüren wir jedes Jahr stärker, auch in Europa. Seit 2018 leidet unser Kontinent laut einer Studie der Technischen Universität Graz unter einer starken Dürre, unterbrochen von Starkregen und Überschwemmungen.

Anders als im biblischen Gleichnis von den sieben mageren und sieben fetten Jahren werden nach Dürrejahren nicht fette „normale Jahre wie früher“ folgen: Klimamodelle sagen voraus, dass Dürren noch zunehmen werden – und damit die Risiken für Gesundheit, Landwirtschaft, biologische Vielfalt, aber auch mit Auswirkungen auf die Stromerzeugung, die Schifffahrt und die europäische Industrieproduktion.

Dass diese Auswirkungen das deutsche Bruttoinlandsprodukt schmälern können, wissen wir spätestens seit dem extremen Niedrigwasser des Rheins im Jahr 2018, das die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozentpunkte  schwächte.  

In einem Durchschnittsjahr leiden inzwischen 30 Prozent der Menschen in Europa und 20 Prozent der Regionen unter Wassermangel. Bereits heute verursachen Dürren jährlich einen wirtschaftlichen Schaden von bis zu neun Milliarden Euro.

Nach Einschätzung der Europäischen Umweltagentur wird sich die Situation in weiten Teilen West- und Südeuropas in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Um soziale und wirtschaftliche Verwerfungen zu vermeiden, muss Europa deshalb seine Wasserinfrastruktur und -bewirtschaftung nachhaltiger gestalten.

Wir bei der Europäischen Investitionsbank formulieren dies nicht nur als abstrakte Forderung, sondern wir arbeiten sehr aktiv an Lösungen.

  • Das von hier aus geografisch nächstgelegene Wasserprojekt ist ein Förderkredit von 400 Millionen Euro an die Berliner Wasserbetriebe für den klimagerechten Ausbau der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung in der wachsenden Metropolregion Berlin. Insgesamt investieren die Wasserbetriebe hier 978 Millionen Euro. Es geht auch darum, das Regenwasser besser zu nutzen – Stichwort Schwammstadt -  um künftig nach Starkregen das Überlaufen der Kanalisation mit der Folge regelmäßigen Fischsterbens in der Spree zu verhindern.
  • In Hamburg, lieber Herr Hannemann, investieren wir 160 Millionen Euro in ein Innovationsprojekt der Hamburger Stadtentwässerung. Es geht um den Bau der weltweit ersten Anlage zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm-Asche im industriellen Maßstab.
  • Und bereits seit zwei Jahren sind wir mit 260 Millionen Euro als Mitfinanzierer am mehrjährigen Investitionsprogramm des Zweckverbands Bodensee beteiligt: Es soll die Versorgung von mehr als 300 Gemeinden mit Wasser aus dem Bodensee auch unter veränderten Klimabedingungen sicherstellen.  

In den kommenden Jahren werden wir unser Engagement im Wasserbereich weiter ausbauen.

Meine Damen und Herren,

gerade erst vor zwei Wochen hat unser Board of Governors, unser Aufsichtsgremium, das sich aus den Ministern der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt, grünes Licht gegeben für unseren Strategie-Fahrplan für die Jahre 2024 bis 2027. Schwerpunkt Nummer Eins bleibt der Klimaschutz, gefolgt von Digitalisierung und Innovation, wobei Wasser als Teil unseres Fahrplans nochmals verstärkt wird, gerade mit Blick auf Mittelständler

Die EIB hat sich bereits vor Jahren entschlossen, die Klimabank Europas zu sein. Wir folgen seit 2020 einem Klimafahrplan, der festlegt, dass ab 2025 mindestens die Hälfte unseres jährlichen Investments dem Klimaschutz dienen muss.  Dieses Ziel erfüllen wir schon heute. Im Jahr 2023 betrugen unsere Klimaschutz-Investments 49 Millarden Euro. Dies macht einen Anteil von 60 % an unseren Gesamtinvestitionen in Höhe von 88 Milliarden Euro aus. Auch bei unserem zweiten Ziel, der Mobilisierung von 1 Billion Euro zur Finanzierung grüner Projekte bis 2030, sind wir auf einem guten Weg. Seit 2021 haben wir hier 349 Milliarden Euro an Investitionen ermöglicht.  

Um Ihre Erwartungen an unsere Möglichkeiten zu managen: Die Europäische Investitionsbank ist eine Bank. Wir refinanzieren uns an den Kapitalmärkten, aufgrund unseres Triple A-Ratings zu günstigen Konditionen. Diesen Vorteil geben wir über langlaufende zinsgünstige Kredite an unsere Projektpartner weiter. Aber wir verschenken es nicht. Alle Projekte müssen wirtschaftlich und technologisch belastbar sein. Das zeichnet sie dann aber auch aus.

EIB-Finanzierungen erfordern in der Regel eine Projektgröße ab ca.100 Millionen Euro, bei denen wir dann bis zur Hälfte finanzieren können. Unser Ziel ist es dabei immer, den Privatsektor mit einzubeziehen. Kleinere Projekte finanzieren wir über Multi-Sektor-Darlehen an Stadtwerke und Rahmenkreditprogramme mit öffentlichen und privaten Banken und anderen Investoren. Zudem stellen wir Beratungsdienste für Projektträger bereit, selbstverständlich auch für den Wassersektor.

Dies gelingt uns auch dadurch, dass wir anders als andere Banken neben Finanzexperten auch Ingenieurinnen, Wissenschaftler und Umweltexperten beschäftigen, die gerade auch innovative Projekte inhaltlich beurteilen können: Für Projekte, die von der EIB geprüft wurden, finden dann oft auch andere Investoren den Mut zum Einstieg – ähnlich einem Gütesiegel.

Meine Damen und Herren,

ich vermute, dass wir uns hier im Raum weitgehend einig sind, dass wir mehr in den Bereichen Klimafolgenanpassung und Renaturierung unserer Ökosysteme investieren müssen.

Parallel dazu müssen wir aber auch über unseren Tellerrand hinausschauen und sehen, wie wir von anderen Industriesektoren und auch von anderen Ländern lernen können, um mit den Folgen des Klimawandels besser umzugehen.

Ich möchte dabei vor allem die Themen Innovation und Digitalisierung nennen. Vertreter von Behörden und Unternehmen im Wassersektor könnten noch gezieltere Anstrengungen unternehmen, um den Wassersektor innovativer aufzustellen.

Wir müssen uns überlegen, wie die Digitalisierung von Wasserinfrastruktur, sowie der Einsatz Künstlicher Intelligenz am effizientesten genutzt werden können, um unsere Trinkwasser-Versorgungssysteme, die Abwassernetze, Abwasserreinigungssysteme, Bewässerungssysteme oder Hochwasserschutzanlagen smarter und klimaresilienter zu bauen und zu betreiben.

Ein Beispiel dafür wäre die Nutzung Künstlicher Intelligenz, um den Stauraum von gemischten Abwasserkanal-Systemen effizienter zu managen.

Zudem möchte ich an dieser Stelle das Thema Spurenstoffe und Mikroverunreinigungen erwähnen.  Die derzeit diskutierte Novelle der kommunalen Abwasserrichtline der EU wird weitreichende Konsequenzen für die europäische Wasserwirtschaft haben. Bis Ende 2040 sollen alle größeren Kläranlagen mit einer 4. Reinigungsstufe ausgestattet sein, mit der auch Mikroschadstoffe wie Hormone oder Medikamentenrückstände deutlich reduziert werden können. Mindestens 80 % der Kosten für die 4. Reinigungsstufe sollen von den Herstellern getragen werden. Vermutlich aber werden auch öffentliche Mittel sowie innovative Verfahrenstechnologien benötigt, um diese Herausforderungen zu meistern.

Wissenschaft und Forschung sowie viele innovative klein- und mittelständische Unternehmen und Start-ups haben innovative Lösungen entwickelt, die es gilt, besser in die derzeitige Infrastruktur und in geplante langfristige Investitionen zu integrieren.

In diesem Sinne wird das bereits erwähnte neue Wasserprogramm der EIB vorhandene Ressourcen für Investitionen in Infrastruktur und effiziente Wassermanagement-Technologien bündeln und stärken. Wir verfolgen dabei das Ziel, den Klimaschutz voranzutreiben und die Anpassung der Menschen an Überschwemmungen, Dürren und steigende Meeresspiegel zu erleichtern.

Außerhalb der EU arbeitet die EIB-Gruppe mit anderen multilateralen Finanzierungsinstituten, zum Beispiel der Weltbank oder den Entwicklungsbanken für Afrika und Asien, zusammen.

Gemäß der Strategie der EU und der Mandate, die wir für die EU umsetzen, fokussieren wir die Investitionen auf eine begrenzte Zahl strategischer Infrastrukturprojekte vor allem in Afrika und Zentralasien, um die größte Wirkung bei Trinkwasser, Bewässerung und Sanitärversorgung für Millionen Menschen erreichen zu können.

  • Zum Beispiel hilft die EIB Dschibuti am Horn von Afrika mit einem Kredit von 79 Millionen Euro über 25 Jahre: Geplant sind eine solarbetriebene Entsalzungsanlage und eine Abwasseranlage, die fast die Hälfte der Bevölkerung mit sauberem Wasser versorgen sollen.
  • Oder in Benin: In dem west-afrikanischen Land erodieren seit 40 Jahren die Küsten infolge der Urbanisierung immer schneller. Mit 125 Millionen Euro fördert die EIB in acht Städten den Ausbau und die Sanierung von Regenwassernetzen und Straßen. Dadurch sinkt das Hochwasserrisiko erheblich, es sammelt sich weniger stehendes Wasser, und die davon ausgehende Gesundheitsgefahr wird gemindert. Zudem landet weniger Plastikmüll der an oder nahe der Küste liegenden Städte im Atlantik.

Sie sehen, der Wassersektor ist und bleibt einer der zentralen Schwerpunkte für die EIB, weltweit.

Wir bleiben für Sie ein verlässlicher Partner, wenn es um die Finanzierungen und Investitionen im Wassersektor geht und ich möchte betonen, dass wir unsere Partnerschaft mit Ihnen, den Branchenvertretern im Wassersektor, in Deutschland und ganz Europa für eine effiziente Zusammenarbeit ausbauen möchten. Bitte Sie sehen Sie meine Rede hier als Anfang für eine gern intensivere Zusammenarbeit.

Und nun noch einen spannenden und erfolgreichen Nachmittag im Rahmen der folgenden Break-Out Sessions.

Auf Wiedersehen!