Gemäß einer heute vom Centre for European Policy Studies (CEPS) veröffentlichten neuen Studie besteht die Gefahr, dass Europa seinen Forschungsrückstand gegenüber den Vereinigten Staaten niemals wird aufholen können, wenn es nicht in der Lage ist, seine FuE-Investitionen im Dienstleistungssektor zu erhöhen.  

Der Wirtschaftsexperte Kristian Uppenberg von der Europäischen Investitionsbank hat in seiner Studie festgestellt, dass Europa das vom Europäischen Rat in Lissabon festgelegte Ziel, die Investitionen in FuE bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 3% des BIP auszuweiten, aufgrund der geringeren Intensität von Forschung und Entwicklung in einigen Teilen des Unternehmens- und Dienstleistungssektors nicht erreichen wird. Während jedoch den geringeren Ausgaben für Informations- und Kommunikationstechnik in Europa viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, könnten langfristig gesehen die tatsächlichen Herausforderungen im Dienstleistungssektor liegen. „Die Angaben für den Dienstleistungssektor sind keineswegs vollständig. Offenbar kann jedoch Europa seinen FuE-Rückstand im Dienstleistungssektor gegenüber den USA nicht aufholen. Dabei ist eher mit einer Vergrößerung als mit einer Verkleinerung dieses Rückstands zu rechnen, da der Anteil der Dienstleistungen an der gesamten Wertschöpfung wächst", erklärt Uppenberg.

Weiterhin vertritt Uppenberg den Standpunkt, dass Europa bei dem Versuch, den Rückstand aufzuholen, große Unternehmen und Wettbewerbscluster nicht vernachlässigen darf. Seine auf Daten der OECD basierende Studie zeigt, dass der Anteil der Ausgaben der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) für FuE an den Gesamtausgaben der Unternehmen (weniger als ein Fünftel der Gesamtausgaben für FuE) in Ländern mit hohen FuE-Gesamtintensitäten (FuE-Ausgaben als Prozentanteil vom BIP) verhältnismäßig gering ist. Diese Gruppe umfasst die USA, Japan, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien, Schweden und Finnland. Dies legt den Schluss nahe, dass sich das Problem der geringen FuE-Gesamtintensität Europas zu einem großen Teil durch eine Ausweitung der FuE-Ausgaben großer Unternehmen lösen lässt. Öffentliche Unterstützung mit dem Ziel, eine gleichmäßige Verteilung der FuE auf alle europäischen Regionen zu erreichen oder Innovationszentren in Regionen zu schaffen, in denen es bisher keine gab, kann daher unwirtschaftlich sein.

Insgesamt deutet die Zusammensetzung der FuE-Investitionen in Europa auf die Notwendigkeit hin, bei der Formulierung der politischen Maßnahmen die Gegebenheiten der marktorientierten Innovation zu berücksichtigen. Wenn Europa seine FuE-Gesamtintensität erfolgreich auf die in den USA und in Japan verzeichneten Niveaus anheben will, wird es sich damit abfinden müssen, dass große Unternehmen und bestehende Innovationscluster auch dann eine führende Rolle bei dieser Erhöhung spielen, wenn die politischen Vorgaben weiterhin eine Förderung von Innovationen seitens kleiner und mittlerer Unternehmen, die mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben, sowie der Wissensgesellschaft in weniger entwickelten Regionen vorsehen.

Der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Philippe Maystadt, erklärte zu der Studie: „Ich freue mich, dass die Bank noch vor der Tagung des Europäischen Rates im Frühjahr einen Beitrag zur Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit Europas leistet. Zurzeit arbeiten wir verständlicherweise alle an kurzfristigen Maßnahmen zur Steigerung der Gesamtnachfrage und zur Belebung der Konjunktur. Diese Studie erinnert uns jedoch daran, dass die Wachstumsprobleme Europas nicht mit der gegenwärtigen Krise begonnen haben und dass wir die langfristigen Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, nicht aus den Augen verlieren sollten."

Hintergrundinformationen

Die Europäische Investitionsbank wurde 1958 durch den Vertrag von Rom als Institution der Europäischen Union für langfristige Finanzierungen gegründet. Seit dem Jahr 2000 spielt sie eine aktive Rolle bei der Unterstützung der Lissabon-Agenda der EU. Im letzten Jahr gewährte sie Darlehen im Gesamtbetrag von 7,1 Mrd EUR zur Unterstützung von FuE öffentlicher und privater Einrichtungen. Insgesamt beliefen sich ihre Ausleihungen für FuE in der Europäischen Union und in Partnerländern in den vergangenen fünf Jahren auf 31,2 Mrd EUR.

Das Centre for European Policy Studies (CEPS) ist ein unabhängiges Expertengremium mit Sitz in Brüssel. Seine Aufgabe ist die Forschungstätigkeit im Zusammenhang mit politischen Fragestellungen und die Erarbeitung konstruktiver Lösungsansätze für die Herausforderungen, vor denen Europa steht.