Smart-City-Vorhaben müssen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa stärker gefördert werden als im Rest der EU, doch mancherorts hat man schon viel dazu gelernt.

Von Miroslav Kollar, Rocco Bubbico und Nicolas Arsalides

In Mittel-, Ost- und Südosteuropa wird deutlich weniger in eine „intelligente Entwicklung“ investiert als im Rest der EU. Das zeigt sich besonders in den Bereichen Innovation und Barrierefreiheit sowie in der Qualität der öffentlichen Verwaltung und den Lebensbedingungen. 

Unsere Studie Intelligente Städte und intelligente Investitionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa legt dar, mit welchen Infrastruktur-, Produktivitäts- und Innovationslücken und -hemmnissen sowie demografischen Herausforderungen die Städte in diesen Regionen konfrontiert werden. Intelligente Städte setzen auf Digitalisierung, saubere Energie und innovative Verkehrstechnologien, um den üblichen Herausforderungen zu trotzen. Sie bieten ihrer Bevölkerung umweltfreundlichere Optionen und fördern nachhaltiges Wachstum und Innovation. Gleichzeitig steigt die Qualität ihrer Dienstleistungen.

Die Hauptstadtregionen der einzelnen mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder hinken in Sachen intelligente Entwicklung dem EU-Durchschnitt hinterher. Besonders gravierend sind die Unterschiede in der öffentlichen Verwaltung und bei der Lebensqualität. Bei gesellschaftlichen Faktoren, bei der Technologienutzung und beim Entwicklungsstand von Unternehmen schneiden Hauptstadtregionen dagegen deutlich besser ab als mittlere und sonstige Regionen. In Mittel-, Ost- und Südosteuropa sind diese regionalen Unterschiede innerhalb der einzelnen Länder viel stärker ausgeprägt als in anderen EU-Ländern.

Höhere Investitionen sind sicherlich ein Muss, reichen alleine aber nicht aus. Mit der Planung von Infrastrukturinvestitionen tun sich nahezu alle EU-Länder schwer. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt haben mittel-, ost- und südosteuropäische Kommunen mehr Schwierigkeiten, ihre Investitionsvorhaben mit benachbarten Kommunen, mit ihrer Region und mit kommunalen Netzwerken zu koordinieren. Dies führt zu einer ineffizienten Planung und Durchführung der Vorhaben.

Daher ist es enorm wichtig, zu ergründen, wo – verglichen mit den wirtschaftlich besser gestellten europäischen Regionen und den Hauptstädten Mittel-, Ost- und Südosteuropas – konkrete Lücken und Verbesserungsbedarf bestehen. Diese Erkenntnisse sind für die Stadtentwicklungspolitik und vor allem für die digital ausgerichtete Entwicklung intelligenter Städte von zentraler Bedeutung. Im Einzelnen fanden wir Folgendes heraus:

Infrastrukturlücken

Laut Investitionsumfrage der EIB1 verzeichnen immer noch 40 Prozent der mittel-, ost- und südosteuropäischen Städte2 Lücken in der Basisinfrastruktur. Ein Großteil der Städte gab an, in den vergangenen fünf Jahren zu wenig investiert zu haben – vor allem in die Verkehrs- und Wohnungsinfrastruktur, die die größten Defizite aufweisen.

Regionale Wirtschaftsdaten belegen, dass die meisten mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder bei der Produktivität und der Innovation immer noch unter dem EU-28-Durchschnitt liegen und zudem demografische Herausforderungen bewältigen müssen. In den vergangenen 15 Jahren haben die Hauptstädte dieser Länder in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht stark aufgeholt. Sie sind stärker gewachsen als andere Regionen in ihren jeweiligen Ländern. So erreichten sie rasch das durchschnittliche EU-Pro-Kopf-Einkommen. Einige von ihnen entwickelten sich sogar zu wirtschaftlichen Drehscheiben Europas.

Abbildung 1: Ranking der intelligenten Regionen (in Mittel-, Ost- und Südosteuropa)

>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB

Ungleichheit, Verschmutzung und Verkehrsüberlastung stellen die Städte vor große Herausforderungen und beeinträchtigen die Lebensqualität, die Gesundheit und den sozialen Zusammenhalt ihrer Bevölkerung. Digitale Technologien können Städte beim Wandel unterstützen und gleichzeitig Kosten senken oder diese völlig vermeiden:

  • Sie bieten den lokalen Akteuren viele verschiedene Möglichkeiten, ihre Dienstleistungen in zahlreichen Bereichen – ob Verkehr, Energie oder Umwelt – effizienter zu erbringen
  • Sie bieten der Bevölkerung umweltfreundlichere Optionen und unterstützen das Wachstum lokaler Wirtschaftsakteure
  • Sie verbessern erheblich das Dienstleistungsangebot, da für fehlende städtische Dienstleistungen neuartige und effizientere Lösungen gefunden werden und neue Investitionen kostengünstiger, zukunftsfähiger und auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten werden

Säulen für Investitionen in intelligente Regionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa

Wir haben einen Intelligente-Regionen-Index entwickelt, um die Unterschiede in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zu untersuchen. Wir legten die sechs wichtigsten Säulen für intelligente Investitionen fest, um die Unterschiede in den Regionen im Vergleich zur restlichen EU zu ermitteln. Dies erlaubt uns, die ursächlichen Faktoren und Indikatoren zu ermitteln.

Die sechs Säulen sind:

  • wirtschaftliche Dynamik und Innovation (intelligente Wirtschaft)
  • ökologische Nachhaltigkeit (intelligente Umwelt)
  • Verwaltungsqualität (intelligente Governance)
  • Barrierefreiheit (intelligente Mobilität)
  • Humankapital (intelligente Gesellschaft)
  • Lebensqualität (intelligentes Leben)

Die Analyse ergab ein enormes Gefälle zwischen den mittel-, ost- und südosteuropäischen Regionen und den anderen EU-Regionen (Abbildung 2), das besonders in den Bereichen Innovation und Barrierefreiheit sowie bei der Qualität der öffentlichen Verwaltung und den Lebensbedingungen (siehe Säulen in Abbildung 3) hervorsticht.

Abbildung 2: Ranking der intelligenten Regionen (EU-28)

>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB

Im Durchschnitt schneiden die Hauptstadtregionen in diesen Ländern besser ab als die übrigen Regionen. Trotzdem liegen ihre Indikatoren für eine intelligente Entwicklung noch immer unter dem EU-Durchschnitt. Beachtliche Unterschiede ergeben sich in der Verwaltung und der Lebensqualität.

Hauptstadtregionen an der Spitze

Dennoch stehen die Hauptstadtregionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa weitaus besser da als die mittleren und sonstigen Regionen, wenn man die gesellschaftlichen Faktoren, die Technologienutzung und den Entwicklungsstand der Unternehmen betrachtet. Außerdem sind die regionalen Unterschiede innerhalb dieser Länder stärker ausgeprägt als in anderen EU-Ländern.

In Mittel-, Ost- und Südosteuropa verzeichneten Regionen in Slowenien, in der Tschechischen Republik und in Estland bei der intelligenten Entwicklung die besten Ergebnisse (siehe Abbildung 1). Die Hauptstadtregionen der Slowakei und Ungarns übertrafen deutlich die anderen Regionen in ihren jeweiligen Ländern.

Abbildung 3: Säulen der intelligenten Regionen (EU-28)

>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB
>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB
>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB
>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB
>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB
>@Miroslav Kollar, Rocco Bubbico, Nicolas Arsalides/EIB

Chancen für mittlere Städte

Realistisch betrachtet können nur wenige europäische Städte international führende Innovationszentren werden. Mittlere Kommunen und Kommunen in weniger entwickelten Gebieten können dennoch effizienter und attraktiver werden. Diese Städte können bereits eine bessere Umweltqualität, ein geringeres Verkehrsaufkommen und ein niedrigeres Kostenniveau vorweisen, jedoch meist in Sachen Anbindung, qualifizierte Arbeitskräfte und Innovationsfähigkeit nicht mit den größten Metropolen mithalten.

Besonders auffallend ist dies in Mittel- und Osteuropa. Der Unterschied ist deutlich größer als in westeuropäischen Ländern. Gleichzeitig hinken aber sowohl Hauptstädte als auch andere Städte hinter ihren westlichen und nördlichen Pendants hinterher.

Unsere Einschätzung der Haushaltsstabilität der mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder unterstreicht, wie wichtig EU-Mittel sind. Investitionen in qualitativ hochwertige Projekte sind zweifellos wichtig, um den territorialen und sozialen Zusammenhalt in Europa zu verbessern. Dies muss aber mit einer verantwortungsvollen und effizienten Verwaltung einhergehen. Die Investitionsumfrage der EIB legt offen, welche Hindernisse die Planung und Durchführung von Infrastrukturprojekten beeinträchtigen:

  • Haushaltsbeschränkungen
  • langwierige Genehmigungsverfahren
  • politische und regulatorische Instabilität
  • geringe technische Kompetenzen

Der begrenzte Zugang zu Kapital bremst die Investitionstätigkeit von Kommunen aus, denn jüngst wurden in den betreffenden Regionen strengere Vorgaben für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik eingeführt. Kommunen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa hängen sehr stark von den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds ab. Aufgrund dieser starken Abhängigkeit sind die Reformen der EU für Finanzierungen im mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 für kommunale Investitionen von größter Bedeutung.

Investitionen in intelligente Regionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa – wie kann die EIB helfen?

Die EIB kann Finanzierungen für qualitativ hochwertige Projekte anbieten und Kommunen durch Beratung helfen, ihr technisches Know-how auszuweiten. Wie die Kommunen in der EU schneiden auch die Kommunen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa bei der wirtschaftlichen Planung von Infrastrukturinvestitionen schlecht ab. Auch die regionale Koordinierung von Investitionsvorhaben bereitet ihnen mehr Schwierigkeiten als ihren Pendants in der EU. Die Investitionsumfrage der EIB zeigt, dass Prioritäten noch besser gesetzt und Projekte noch besser koordiniert werden müssen. Nur dann können die Kommunen die für öffentliche Investitionen verfügbaren Mittel effizient nutzen.

Investitionen in intelligente Städte können Kompetenz- und Effizienzlücken verringern, indem sie den Bedarf an Basisinfrastruktur decken, die Städte innovationsfreundlicher sowie für Menschen und Unternehmen attraktiver gestalten. Doch hierfür müssen Vorhaben besser koordiniert und priorisiert werden, mehr Investitionen in Hauptstädte fließen und mittlere Städte mit Entwicklungspotenzial gefördert sowie besser an die Hauptstädte angebunden werden.

>@EIB

Rocco Bubbico, Miroslav Kollar und Nicolas Arsalides arbeiten als Volkswirte bei der Europäischen Investitionsbank.

1 European Investment Bank, “EIB Investment Survey 2017, municipal infrastructure”, 2017. 
2 CESEE region covers (subject to data availability) the Czech Republic, Slovakia, Hungary, Poland, Slovenia, Croatia, Bulgaria, Romania, Latvia, Lithuania and Estonia.