Belgisches Unternehmen hilft Menschen mit Behinderungen, ihre Talente und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden

Die Stimme von Glorian Verneert klingt klar durch die Beats seines selbst produzierten Songs Colors matters beautiful, den er auf YouTube gepostet hat.

„Ich verstehe nicht, warum wir in eine Schublade gesteckt werden, nur wegen einer Behinderung. Wir sind einfach so. Auch wir haben Gefühle. Ich glaube, wir können aus diesem Schema ausbrechen. Hier ist unsere Geschichte. Hört gut zu!“

Klingt wie der passende Soundtrack für Konekt. Das belgische Unternehmen hilft Menschen wie Verneert, ihre Talente zu entwickeln, damit sie gleichberechtigt lernen, leben und arbeiten können.

Wie in einigen anderen europäischen Ländern gibt es auch in Belgien eigene Schulen für Kinder mit Behinderungen. Laut Koen Deweer, dem Chef der Konekt-Gruppe, sind viele Absolventinnen und Absolventen dieser Schulen nicht in der Lage, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen.

Deweer: „In diesen Schulen wird vor allem thematisiert, was schwierig an einer Behinderung ist. Die jungen Menschen gehen daher ohne große Zukunftsperspektive von der Schule ab. Einfach, weil sie sich selbst nicht kennen und nicht wissen, worin sie gut sind. Deshalb haben wir Konekt gegründet. Wir helfen den Jugendlichen, ihre Talente zu entdecken und einzusetzen – bei der Arbeit, in der Familie, in ihrem persönlichen Umfeld usw.“

Konekt bietet verschiedene Trainingsprogramme für junge Menschen, die wegen einer geistigen Behinderung, Autismus oder einer Hirnverletzung kognitive Hilfe benötigen.

In einem der Programme werden sie theoretisch und praktisch zu begleitenden Betreuungspersonen in Kindergärten ausgebildet. In einem anderen Programm mit dem Namen Brake-Out probieren die jungen Erwachsenen drei Jahre lang verschiedene Aktivitäten und werden so an ihre Talente und Interessen herangeführt. Dabei bekommen sie Hilfe von Altersgenossen, Coaches und anderen Kräften. Glorian Verneert durchläuft gerade das erste Jahr des Programms. Auch eine professionelle Tanzausbildung mit eigenem Tanzensemble hat Konekt im Angebot: „Platform-K“ tritt in Belgien und im Ausland auf.

Darüber hinaus bietet Konekt Programme für Betreuer, Lehrerinnen und Berater in gemeinnützigen und kommerziell orientierten Organisationen.

„Wir möchten auch diese Personen motivieren und in unserem auf Stärken ausgerichteten Ansatz ausbilden, damit Alltag und Arbeitswelt offener und gerechter werden“, erklärt Deweer.

Neue Horizonte

Laut Deweer ist ein gewisser Grad an Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft unvermeidlich. Das führt dazu, dass diese Gruppe mit all ihren Fähigkeiten und ihrer Kreativität durch das Raster fällt und keine Möglichkeiten hat, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln. Eines der vielen Beispiele dafür ist der tänzerische Bereich.

„Mit einer Behinderung werden Sie in einer Tanzschule einfach nicht angenommen“, erklärt Deweer. „Deshalb bilden wir die Leute zu professionellen Tänzerinnen und Tänzern aus. Wir wollen den Tanzkompanien damit zeigen, dass dieser Ausschluss nicht richtig ist.“

Die Ausbildung ist ein voller Erfolg. Die Tänzerinnen und Tänzer der „Platform-K“ treten in ganz Europa auf – sogar eine Show in Hongkong ist geplant.

Konekt und seine Projekte wurden bereits mehrfach für ihre Arbeit oder – im Fall von Platform-K – für die künstlerischen Fähigkeiten der Truppe ausgezeichnet. Mit seinem Brake-Out-Programm gehörte Konekt 2019 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert das EIB-Institut unternehmerische Lösungen für Umwelt- und Sozialprobleme. Im Mai erhielt Brake-Out in Belgien den angesehenen Königin-Mathilde-Preis.

>@Konekt
© Konekt

Das Ausbildungsprogramm „Brake-Out“ von Konekt erhielt in Belgien den angesehenen Königin-Mathilde-Preis

Auch für seine anderen Programme erntet Konekt Anerkennung, etwa für die Ausbildung zur begleitenden Betreuungsperson für Kindergärten. Volljährige mit Behinderungen lernen dabei in einem 14-tägigen Training samt Praktikum, ihre Talente zu erkennen und einzusetzen. So bekommen sie das Rüstzeug für die Arbeit im Kindergarten und erfahren, welche Aufgaben es dort gibt. 

„Eltern und auch Teilnehmende selbst haben uns berichtet, dass das Programm ihr Leben komplett verändert hat“, erzählt Deweer. „Es freut uns, dass wir in so kurzer Zeit solche Erfolge erzielen konnten. Andererseits ist es auch traurig, weil man sich natürlich fragt, was in den 20 Jahren vorher, fünf Tage die Woche in der Schule passiert ist. Deshalb haben wir Brake-Out gestartet.“

Die Idee dahinter ist, Menschen mit Behinderungen über einen längeren Zeitraum – drei Jahre – dabei zu begleiten, unterschiedliche Möglichkeiten für ein erfülltes Leben zu erkunden. In Brake-Out lernen acht Teilnehmende drei Jahre lang zweimal die Woche zusammen mit Ausbilderinnen und Ausbildern und anderen Fachkräften diverse Arbeitsgebiete kennen, wie Wohnen, Beziehungen, Freizeit oder Arbeit.

Sie probieren verschiedenste Tätigkeiten aus, darunter Freiwilligenarbeit, Gruppenprojekte, aber auch Dinge wie Tierpflege, Songschreiben oder Musikaufführungen. Brake-Out-Programme laufen derzeit in Gent, Löwen, Antwerpen, Brügge und Brüssel.

Ein Ziel vor Augen

Glorian Verneert hat durch das Programm eine völlig neue Perspektive bekommen. „Am besten finde ich, dass wir Sachen lernen, die wir noch nie gemacht haben“, sagt er. „Damit wir Neues entdecken.“

Verneert und sein Vater halten Bienen, und in Brake-Out hat er beispielsweise gelernt, dass er anderen helfen kann, ihre Angst vor Bienen und anderen Tieren zu überwinden. Außerdem begeistert er sich für seine Musik. Er ist unter dem Künstlernamen DJ the Wolf Master unterwegs.

„Ich habe gemerkt, dass mir Komponieren liegt. Deshalb schreibe ich meine eigenen Songs – und sie werden jetzt besser.“

Obwohl Verneerts Muttersprache Flämisch ist, hat er seinen auf YouTube geposteten Song auf Französisch und Englisch aufgenommen.

„Ich bin DJ, aber ich mache das nicht für Geld“, sagt er. „Es ist ein Hobby. Ich möchte mit meiner Musik wichtige Fragen ansprechen und Themen Gehör verschaffen, über die in der Öffentlichkeit nicht viel gesprochen wird.“

Die Gesellschaft bringt Menschen mit Behinderungen normalerweise Schutz und Fürsorge entgegen. Aber das ist für sie nicht das Wichtigste, sagt Deweer.

„Jeder Mensch will für irgendjemand oder für diese Welt wichtig sein. Das ist bei Menschen mit Behinderungen nicht anders. Deshalb sollten wir aufhören, sie zu unterfordern, und ihnen stattdessen die Chance geben, zu wachsen, sich zu entwickeln und ihr volles Potenzial zu entfalten. So können auch sie eine wichtige und sichtbare Rolle in der Gesellschaft spielen.“