Am Anfang eines erfolgreichen slowakischen Hightech-Unternehmens standen ein kleiner Kredit und die EU

Artur Gevorkyan stellt mit seiner Firma Spezialformteile und Metallkomponenten für Autohersteller, die Luftfahrt, Krankenhäuser und andere Kunden her. An die Anfangstage seines Unternehmens hat er keine guten Erinnerungen.

„Ich weiß noch, wie ich im Auto saß und laut geschrien habe, weil ich nicht wusste, wie ich meine Eltern und Söhne ernähren sollte“, verrät er. „Die ersten Jahre waren wie ein Balanceakt über dem Abgrund. Man durfte nicht nach unten schauen.“

Als Gevorkyan damals auf Kundensuche zu einer Messe in die Slowakei fuhr, bekam er nicht einmal ein Hotelzimmer in der Gegend. So lief er einfach durch die Straßen. „Ich ging in eine Kirche, wo gerade Gottesdienst gefeiert wurde, und der Pfarrer sagte: ‚Klopfet an, so wird euch aufgetan‘. Das hat mich berührt. Als ob der Pastor das genau für mich gesagt hat.“ Wieder zu Hause, beauftragte Gevorkyan einen seiner Angestellten, die Nummern aller Leasingfirmen aus einem Branchenmagazin anzurufen, um Finanzierung für neue Maschinen zu bekommen. Das war seine Art anzuklopfen. „Ich hatte nichts zu verlieren“, erinnert sich Gevorkyan.

So landete er schließlich bei der Société Générale Equipment Finance (SGEF) mit Niederlassungen in Tschechien und der Slowakei. Die SGEF bietet Leasing und Finanzierungen für Hersteller von Maschinen und sonstigen Produktionsbedarf. Im Juni 2020 hatte die Europäische Investitionsbank ein sogenanntes Durchleitungsdarlehen mit der SGEF über 70 Millionen Euro unterzeichnet. Dieses Geld leitet die SGEF als Kredit an junge Wachstumsunternehmen in der Slowakei und Tschechien weiter. Die SGEF glaubte an Gevorkyan, und das Unternehmen erhielt die Finanzierung und Beratung, die es für sein Wachstum benötigte. Seit Mitte 2020 hat Gevorkyan insgesamt 2,8 Millionen Euro an EIB-Mitteln bekommen.

>@Gevorkyan
© Gevorkyan

Artur Gevorkyan

„Die Slowakei ist ein kleines Land“, sagt Gevorkyan, der früher Militärflugzeuge baute. „Stellen Sie sich mal vor, wie der Name Europäische Investitionsbank auf jemanden wirkt, der eine kleine Firma mit zehn Leuten hat. Da traut sich keiner, anzuklopfen.“

Genau deshalb gibt es die Durchleitungsdarlehen der EIB. Lokale Finanzinstitute leiten die EIB-Mittel als Kredit an Unternehmen wie das von Gevorkyan weiter – Unternehmen, die sich vielleicht nicht an eine große EU-Einrichtung herantrauen.

Mittlerweile hat Gevorkyan 190 Beschäftigte. Der Schlüssel zum Erfolg war für ihn die Zusammenarbeit mit den richtigen Partnern, die an kleine Unternehmen glauben.



Eine slowakische Erfolgsgeschichte

Seine ersten Schritte in der Metallindustrie machte Gevorkyan vor rund 30 Jahren. Der studierte Ingenieur suchte eine neue Aufgabe. So baute er 1991 sein erstes Metallwerk in der Ukraine. Fünf Jahre später zog er mit seinem Unternehmen in die Slowakei, wo sein neu errichtetes Werk heute Leistungen wie Pulvermetallurgie, Metall- und Kunststoff-Spritzguss und 3-D-Druck anbietet.

Gevorkyan hat klein angefangen, mit nur wenig Geld. Trotzdem schaffte es die Firma letztes Jahr als erstes slowakisches Unternehmen in den PX Start, den Index der Prager Börse für kleine und mittlere Unternehmen. Heute baut die Firma aus Vlkanová im Herzen der Slowakei ihr Geschäft mit regelmäßigen Neuinvestitionen weiter aus.

Die Effizienzlücke schließen

Die Technologie des Unternehmens im Bereich Pulvermetallurgie ist heute die „Grundlage der Industrie 4.0“, so Gevorkyan. „Mithilfe von Software und Programmen können wir Werkstoffe erfinden. Wir entwerfen Teile und Produkte mitsamt ihrer chemischen Zusammensetzung und mischen und fertigen das Ganze dann.“ Wichtigster Kunde des Unternehmens ist der Automobilsektor. Dort sind Effizienz, Präzision und Tempo sehr gefragt.

Über die SGEF hat Gevorkyan neue Pressen für Metallpulver finanziert. Sie verbrauchen weniger Energie und sind dreimal so schnell wie die alten. Einen weiteren Teil der Gelder investierte er in Automatisierung und Robotik.

Pulvermetallurgie – was ist das?

Bei der Pulvermetallurgie werden feine Metallpulver gepresst und erhitzt und so neue Metallobjekte erzeugt. Vorteile dieses Verfahrens: Es verursacht weniger Metallschrott als das Stahlgießen und verbraucht weniger Energie.

Auf die Frage, warum die Europäische Investitionsbank kleine Unternehmen in der Slowakei unterstützen sollte, hat Gevorkyan sofort eine Antwort: „Wenn man kleine und mittlere Unternehmen unterstützt, werden daraus eines Tages große Unternehmen. Anders geht es nicht.“

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Die Entwicklungsabteilung von Gevorkyan: 17 Fachleute entwickeln hier jedes Jahr mehr als 150 neue Produkte. Dabei arbeiten sie mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Cambridge zusammen

Kleine und mittlere Betriebe stellen 99,9 Prozent der slowakischen Unternehmen und beschäftigen 73,3 Prozent der Menschen im Land. Die Europäische Investitionsbank hilft diesen Unternehmen, weil sie in der Anfangsphase oft nur schwer an Kredite gelangen – und weil sie das Rückgrat jeder Volkswirtschaft sind.  

2022 vergab die EIB-Gruppe mehr als 16,35 Milliarden Euro an kleine und mittlere Unternehmen. Kleine Firmen unterstützt die EIB-Gruppe über Geschäftsbanken, staatliche Förderbanken, Leasinganbieter, Risikokapitalgesellschaften und Private-Equity-Fonds. Dabei konzentriert sie sich auf Regionen, in denen der Mangel an Krediten die Wirtschaft belastet.

Alles, was die Unternehmen tun müssen ist anklopfen.